Gesellschaft und Ambivalenzen – Das Leben könnte ein kleinster Teil mehr Strand sein!

Letzten Sommer bin ich mit dem Zug ans Mittelmeer gefahren. So ganz ohne Kerosin. Dafür daher mit Atomstrom. Wahrscheinlich. Ein TGV fährt ja solange bis 320 km und in Frankreich – so hört man – gibt es viele Atomkraftwerke. Da muss man ja nur un und un zusammenzählen. So oder so – es war schön.

Man fährt in Frankfurt los, kniffelt zwei Durchgänge, führt aussichtslose Handyverhandlungen mit welcher Heranwachsenden, versucht hinauf Französisch undefinierbares Essen in Le Bar zu buchen und schaut dem irgendwas verwischten Gothic zu, welcher seine Katzen in futuristischen Reisebehältnissen mitführt, die weit an Trockenhauben aus den 1970ern erinnern. Im Wagen macht sich dies Odeur von Corned Beef breit, Pausensnack von schwarzer Katze und schwarzem Gothic. Hin und wieder vermengt sich dies Corned Beef mit dem Rest-Dampf welcher E-Zigarette, welcher den nervösen Herren hinter uns umgibt, wenn er nachdem zwei hektischen Zügen hinauf jedem Bahnsteig des jeweiligen Halts wieder seinen Platz aufsucht.

Zwichen Frankfurt, Kniffel, Corned Beef und Marseille bot sich noch wenige Zeit zum Flüchtig lesen welcher Gazetten und Scrollen in den sozialen Medien. Ein Kohlenstoff-Promi postet aus 11.000 m Höhe ein Bild vom brennenden Griechenland und ermahnt zum umsichtigeren Reisen. Ich frage mich, wie dieser ohne Flugzeug nachdem da oben gekommen ist! Hashtag #waskönnenwirtun. Wieso wir? Ich fahre zumindest mit Atomstrom.

Fix gegen Foxi, Waffen gegen Krieg, Bayern gegen Dortmund

Ich scrolle weiter Generation Z gegen Y gegen a2d2 gegen 4711 gegen all diejenigen, die noch nicht dran war, es daher verdienen. Tretrad gegen E-Bike. Fahrrad gegen Auto. Auto gegen LKW, LKW gegen Fußgänger. Lastenrad gegen Straßenbahn. Fußgänger gegen Radfahrer. Aber jedwederlei pro regionales Obst. In den Ferien dann doch tunlichst Auto daher mit Zelt, dann daher gegen die Wohnmobilisten, die genauso gut zelten könnten. Also wirklich. Back to the roots. Land gegen Stadt. Dick gegen Dürr. Waffen gegen Krieg. Bayern gegen Dortmund. Die besseren Menschen gegen die noch besseren Menschen.

Es scheint, jede Gattung duldet ausschließlich eigene Lebensform und eigene Meinung, die minütlich zur Mitte hin gelegen gepriesen werden muss. Das Ergebnis einer durch und durch individualisierten Gesellschaft, deren alltägliche Mikroagressionen nochmal so richtig den Kreislauf stützen. Perspektivwechsel, Diskussionskultur, Auseinandersetzen mit unbequemen Widersprüchen, Grauzonen einzeln des Schwarz- Weiß-Denkens? Nö. Meine Blase ist nicht Deine Blase.

Der Atomstrom-Zug rauscht hinauf die Sekunde (!) pünktlich in Marseille ein. Die Müllabfuhr streikt. Die Fahrgäste waten relativ unaufgeregt durch Junk-Food-Verpackungen aller erdenklicher Gastronomie-Ketten. Als ich übernächtigt und irgendwas paddelig verschmelzen kleinen Ausfallschritt hinauf eine belebte Straße setze, knattert welcher motorisierte Marsaillais um mich herum, ohne mir den Mittelfinger zu zeigen.

Ein paar Tage später befinde ich mich mittlerweile an einem überfüllten Strand welcher Côte Bleue und schaue ziellos aufs glitzernde Mittelmeer. Ich hasse überfüllte Strände, an denen ich minütlich damit rechnen muss, verschmelzen American Football oder größere Flugobjekte an die Birne zu bekommen.

Endzone

Seitdem mal im Hamburger Stadtpark so ein Super-Daddy, welcher aus Fürsorge seiner eigenen Familie im Vergleich zu tunlichst 20 Meter weiter talentbefreit dies Leder-Ei genau in unsrige Kaltspeise warf, habe ich es nicht so mit American Football. Das amüsiert-blasierte „Sorry“ konnte er sich getrost in seine „Endzone“ (gegoogelter American-Football-Begriff, von dem ich keine Ahnung habe, welcher daher passt) stecken.

Dieser überfüllte Strand im Mediterranen ist andersartig, ich kann sogar entspannen. Warum? Der Strand, welcher den Marsaillais qua Naherholungsstrand dient, besticht durch eine sehr angenehme Eigendynamik, Toleranz und gegenseitigem Respekt. Fußball wird gespielt, daher gerade eben nicht hinauf einem Quadratmeter zwischen Kinderwagen und Senioren-Gruppe (die gab es hier wirklich), sondern dort wo wirklich Platz ist. Die muslimische Großmutter badet verhüllt neben dem unverhüllten Hedonisten. Buddelnde Kinder beschmeißen sich reziprok mit Sand und nicht mich.

Der einzige Zeigefinger, im übertragendem Sinne, steht am Eingang des Strandes in Form eines Schilder-Konstrukts, dies rund 10 Verbote enthält. Verboten sind etwa Hunde, Tabakwaren, Fußball, Alkohol und Glasflaschen. Der hier wohl bekannte Strandhund stört sich nicht daran und setzt gleich noch eine Duftmarke. Links hinterm Schild werden ohne Rest durch zwei teilbar hinauf einem Klapptisch die nachpolierten Rotweingläser positioniert. Ich hoffe, es wird nicht nicht zuletzt noch Alkohol in Glasflaschen spendieren! Von rechts weht eine Tabakwolke. Der Herr von welcher Strandpolizei im hellblauen Hemd streichelt den Hund. Niemand hebt Finger, weder zeigende noch mittlere. Und Rotwein läuft eh unter Grundnahrungsmittel.

Odeur von Kiefern und Kiffern

Der Strand verbreitet ein Odeur aus diesem typischerweise französische Jasmin-Sonnenöl, Gitannes, Frittiertem, Meer, Kiefern und Kiffern. Mein Französisch ist nicht gut genug, dass ich unweigerlich die Gespräche unserer Strandtuch-Nachbarn mitbekomme. Ich döse tendenziell für diesem gedämpften Französisch-Lauten, gesprenkelt mit einigen verständlichen Worten ohne Zusammenhang ein.

Ich möchte ebendiese südfranzösische Strandszenerie nicht glorifizieren, nachdem dem Motto „Im Westen ist so vieles besser qua hier!“. Frau Le Pen kann sich ihre „Rassemblement National“ meiner Meinung nachdem nicht zuletzt in ihre „Endzone“ usw. .

Aber ich erinnere mich gerne an die Momentaufnahme des sommerlichen Zusammenlebens!

Ein Flugobjekt bekomme ich denn doch noch gegen die Birne. Eine Sache eint – und jetzt pauschalisiere ich nicht zuletzt – die französische Bevölkerung. Die Liebe zu Sonnenschirmen, die zumeist nicht tief genug in den feinen Sand geschraubt werden. Den ganzen Strandtag zusätzlich rennen Menschen hinter ihren Sonnenschirmen her. Die Sonnenschirme fliegend, die Menschen wild gestikulierend und „Pardon“ – rufend. Der Schirm touchierte mich jedoch nur, nachdem dem „Pardon, Madame“ grabe ich mich ungezwungen wieder in den warmen Sand.

Zu Gunsten von mehr Strandtage wie ebendiese, meinetwegen nicht zuletzt ohne Sand!