Fürchtet euch nicht, es werde Licht!

Es geschah aber in jenen Tagen, dass ein Gebot vom Kaiser Demokratus ausging, ganz Deutschland wählen zu lassen. Das geschah, als Olaf Scholzus mit einer Minderheitsregierung herrschte. Und alle gingen, ein jeder in seine Wahlkabine. Das nu auch noch!, grummelt das Volk, jetzt wird auch Weihnachten nie mehr so wie es noch nie war: heile und versöhnt. Statt Spekulatius gibt es nun alle (vier) Jahre wieder Streit, ja (Wahl)K(r)ampf.

„Die Zeiten, in denen wir leben, sind verdammt rau“, weiß der umgrummelte Regierungs- und Wahlkampferklärende. Insbesondere die Nächte zwischen Weihnachten und dem neoliberalen Dreikönigspopulismus gelten seit Urzeiten als Raunächte. Rau knechtet Olaf-Ruprecht das Volk mit seiner Dezember-Vertrauensfrage. Als Atheist schert es ihn nicht, wenn seinen Schäfchen ausgerechnet in der Adventszeit das Vertrauen zerbröselt, direkt in den warmen Kakao. Er glaubt mit der festesten aller Überzeugungen an die fleißigen Lieschens und Jamals, die jeden Morgen früh aufstehen – es muss sehr früh sein! andernfalls taugen sie nichts! – und den Laden am Laufen halten. Denn der Laden ist das Wichtigste in der sozialen Marktdemokratie, umso mehr an Weihnachten.

Und so sorgt sich das Volk zurzeit weniger um Rüstungsspirale, Antisemitismus, Krieg oder gar ums Klima – war da was? – Iwo! Es fürchtet um Zimt und Schokoladenstern, um den gut gepolsterten Rutsch ins Neue Jahr. Fürchtet euch nicht!, möchte man den Bangenden zusprechen, es wird kaum auffallen! Wie gewohnt werden unzählige Bettelbriefe ins Haus fallen. Den Armen zu geben, wenn der Tannenbaum blinkt, macht ein gutes Gefühl, ihnen nichts zu geben ebenfalls, zumindest den Superschlauen, die sich drücken mit „fließt eh alles in die Verwaltung“ – ein Argument, das vorzugsweise Verwaltungsbeschäftigte vorbringen. (Genau, dieselben, die, siehe oben, zwanghaft früh aufstehen, nur um hart, härter, am härtesten zu arbeiten und zum Dank dafür die SPD zu wählen).

Nun kommen halt die Spendenmahnungen nicht nur von Caritas & Co., sondern auch von Parteien und diversen Trittbrettfahrern. Den Anfang macht fettschriftübertreibend die Nichtregierungsorganisation Campact: „Wie toll wäre es, wenn wir das Finanzielle jetzt klären könnten – um uns dann nur noch auf Inhalte zu konzentrieren“, steht in der Mail von Campact-Vorstand Dr. Felix Kolb persönlich. Ach, das fände man in der Tat auch ganz persönlich toll, wenn das lästige Finanzielle geregelt wäre. Campact hat das durchgerechnet: „Wenn sich uns in den nächsten Tagen mindestens 10.000 neue Förder*innen anschließen, sind unsere Pläne finanziert und wir hätten eine Sorge weniger.“ Um dann ungefragt zu duzen: „Jetzt bist Du gefragt, Katharina. Bitte klicke auf den roten Button und engagiere Dich für unsere Demokratie“ – sprich: für Campact, die arme Demokratie ist ja so wehrlos gegen ihre Vereinnahmung wie es weiland Joseph und Maria gegen die Volkszählung waren. „Wenn Du bis zum 15. November Förder*in wirst, schicken wir Dir als Dankeschön den Campact-Kalender 2025 zu – mit Illustrationen und Denkanstößen für eine bessere Welt. Sichere Dir jetzt Dein limitiertes Exemplar.“ Unbedingt!

Die weihnachtliche Politikparade

Zugegeben: Wenn limitierte Werbesprache auf Campaigning trifft, ist das schon im Sommer unangenehm, aber dafür erhellt jetzt Politik die dunkle Jahreszeit, das spart Kerzen. Vielfarbige Botschaften superengagierter Liebe sind zu erwarten. Christian Lindner wird begeistert den Konsum predigen, Robert Habeck den Habeck vor (und nach) dem (Heilig)Abend loben, Volker Wissing sieht es als Christ generell positiv, Hauptsache, er bleibt Minister, auch wenn die Bahn höchstens mit Gottes Hilfe fährt – Beten hilft –, und das Christkind wird zu all dem milde nicken.

Auf dem Weihnachtsmarkt gibt es statt dem 15. Paar Handschuhen, von denen rätselhafterweise immer nur der linke verloren geht, Parteibilder zum Ausmalen, überreicht von frierenden Wahlkämpfern, die so tun, als hätten sie einen, pardon, Heidenspaß, anbrüllend gegen die friedliebenden Posaunen des BSW. Sahra Wagenknecht hängt sich Engelsflügel um. Scholz kommt natürlich als Weihnachtsmann, den Sack voll mit Wahlgeschenken, die Rute gegen jene Unartigen schwingend, die allen Krisen und allen Mühen zum Trotz immer noch nicht verstanden haben, dass er genial das Land regiert. Hey, das wird!

„Hauptsache, es passiert was“, sagt weichgestimmt das blitzumfragte Volk in Gestalt eines Physiotherapeuten – Arbeitsbeginn 7 Uhr, Überstunden garantiert –, ihm wäre „je früher desto lieber gewesen“. Es freut sich auf Wahlgeschenkbratwurst, notfalls auch vegan, die Parteien spendieren Glühwein, singend: „Es ist ein Scholz entsprungen“ oder „Grüne Nacht, Baerbock wacht“, wahlweise auch „White“, nee „Altright Christmas“. Dazu Kekse, in allen Formen und Farben, Sloganbepuderzuckert.

Und dann liegt sie da, wie neugeboren, in einer Krippe, weil im Bundestag kein Platz für sie war, unschuldig und kühn und furchtbar schutzbedürftig. Noch vor Ostern wird sie wiederauferstehen, dem Souverän sei Dank. Damit das heilige Fest der Demokratie nicht in eine Orgie ausartet, mahnt der Immernochregierende, der aller Welt Schonung verhie-hieß: „Es gibt auch den Tag nach dem Wahlkampf“! Deshalb bereite der künftige Kanzler bitte – Vorsorge tragend! – die nächste Vertrauensfrage so vor, dass beim nächsten Mal am 1. Mai zur Urne gebeten wird, den fleißigen Lieschens und der Liebe zuliebe. Denn der Mai macht bekanntermaßen alles neu, und Vertrauen kann man nie genug haben.