Friedrich Merz: Er will münden. Jetzt zeigt sich, ob Europa ihm folgt

Friedrich Merz kämpft in dieser Woche neben allem anderen mit zwei großen Problemen. Und der Bundeskanzler, frei von Scheu vor großen Worten, findet dafür dieses Bild: „Wir alle wissen um den Preis des Krieges“, sagt Merz in seiner Regierungserklärung. „Jetzt sprechen wir über den Preis des Friedens.“

Zu diesem gehöre, argumentiert der Bundeskanzler im Bundestag am Mittwochnachmittag, als er über die Ukraine spricht, „dass Deutschland zu Sicherheitsgarantien beiträgt“. Und weiter: „Über den sehr konkreten Beitrag wird zu gegebener Zeit zu reden sein.“

Die Konkretisierung will der Bundeskanzler also verschieben, einerseits verständlich: Tatsächlich ist der Weg zu einem Waffenstillstand in der Ukraine (von einem Frieden ganz zu schweigen) noch weit. Doch die Debatte tobt längst, seit Merz gemeinsam mit weiteren Europäern am Montagabend ein Papier veröffentlichte. Darin ist die Bereitschaft verbrieft, dass die Europäer eine multinationale Truppe anführen würden im Fall der Fälle. Und diese Debatte, Problem Nummer eins, ist für den Kanzler gefährlich, wie dieser am Mittwoch im Bundestag erfuhr.

Der Bundeskanzler erlebt eine zentrale, möglicherweise eine prägende Woche seiner Kanzlerschaft. Gerade einmal zwei Tage ist es her, dass sich im Kanzleramt die Europäer, die Ukraine, die Amerikaner angenähert haben nach dem Schock von 28-Punkte-Plan und US-Sicherheitsstrategie. Ein Erfolg für Merz auf der großen internationalen Bühne, die ihm liegt – auf der er nun allerdings direkt wieder seine wohl wichtigste Machtprobe absolvieren muss. Merz muss am Donnerstag in Brüssel erreichen, dass die EU-Staaten die eingefrorenen russischen Gelder zur Verfügung stellen, es gibt hartnäckigen Widerstand, das ist Problem Nummer zwei. Doch nur mit diesen Geldern kann Europa seinen gerade erkämpften Einfluss auf die Zukunft der Sicherheitsordnung sichern. Im Umfeld des Kanzlers jedenfalls ist von einer „Schicksalswoche“ die Rede. Er hat das Vorhaben zu seiner Mission gemacht. Die Aussichten laut Merz? „Fifty-fifty.“

Es gehört zu den Widersprüchen dieser Tage, dass Merz am Montagabend zeitgleich zweierlei widerfuhr: Während er und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, eingerahmt von den wichtigsten Anführern Europas und sogar den Trump-Abgesandten Steve Witkoff und Jared Kushner, ein starkes Symbol der Annäherung sendeten, führte der Wunsch der Amerikaner nach Klarheit über Europas Anteil an Sicherheitsgarantien zu der verschickten Erklärung, die große Aufregung auslöste. Wie wäre die Bundeswehr an solch einem Einsatz im Fall der Fälle beteiligt? Kaum vorstellbar, dass sie sich raushalten könnte. 

AfD fragt, Kanzler weicht aus

Die Erklärung selbst war vage gehalten, die Gespräche hinter verschlossenen Türen waren wohl konkreter, und es lassen sich bereits unterschiedliche Signale aus der Bundesregierung vernehmen. Merz selbst sagte vage, aber potenziell doch weitreichende Sätze dazu: Im Rahmen dieser Zusagen könne man „zum Beispiel eine entmilitarisierte Zone zwischen den Kriegsparteien absichern“, so der Kanzler am Dienstagabend im ZDF. „Und sehr konkret: Wir würden auch entsprechende russische Übergriffe und Angriffe erwidern“.

An diesem Mittwoch dann hat Merz in einem seltenen Doppelaufschlag im Bundestag Gelegenheit, sich zu erklären. Erst stellt er sich im Rahmen der sogenannten Regierungsbefragung 60 Minuten zahlreichen Kurzfragen der Abgeordneten, dann hält er direkt im Anschluss die Regierungserklärung. 

Schon bei der Abgeordneten-Befragung ist man direkt im Thema. Die erste Frage kommt vom USA-reisenden, russlandfreundlichen AfD-Mann Markus Frohnmaier. Er spricht von möglichen Feuergefechten und will wissen, wie viele Bundeswehr-Soldaten Merz denn entsenden wolle? Merz antwortet grundsätzlich, die in diesem Format vorgegebenen 60 Sekunden Antwortzeit sind rum, Nachfrage Frohnmaier: Wolle Merz Bundeswehr-Soldaten entsenden oder nicht, Ja oder Nein? Merz: „Es gibt Fragen auf dieser Welt, die sind nicht so einfach“, sagt er unterbrochen vom Applaus seiner Abgeordneten, „und diese Frage gehört dazu. Wir sprechen darüber nach einem Waffenstillstand, der vereinbart werden muss“. Der Kanzler weicht also aus. 

Später in der Debatte unterstellt ihm AfD-Chef Tino Chrupalla, er wolle Wehrdienstleistende in die Ukraine schicken. Dass der Bundestag einen Beschluss über jegliche Art eines Einsatzes treffen müsste, findet keine Erwähnung.