Frankreich: Dem neuen Kabinett winkt dies Schicksal des alten
Die Regierungserklärung von Minderheitspremier François Bayrous zeigt: Er ist kaum zu Zugeständnissen an die Linke bereit. Dabei muss er genau wie die letzte, im Dezember gestürzte Regierung, einen Sparhaushalt durchs Parlament bringen
François Bayrou mit den Ministern seines Kabinetts
Foto: Imago/IP3press
Die nächste Regierungskrise in Frankreich ist nur eine Frage der Zeit, denn selbst zu einer zarten Linkswende ist Frankreichs neuer Premierminister François Bayrou weder willens noch in der Lage. Seit 2017 ist der 73-jährige Zentrumspolitiker dem neoliberalen Projekt von Emmanuel Macron verpflichtet. Dass er in seiner Regierungserklärung Anfang der Woche davon abweichen würde, war also nicht zu erwarten, auch wenn er zuvor seinen Wirtschaftsminister Eric Lombard mit einer Charmeoffensive beauftragt hatte.
Jean-Luc Mélenchon wird François Bayrous Regierung nicht tolerieren
Sozialisten, Grüne und Kommunisten wollten eine neue Offenheit erkannt haben und versuchten eine Woche lang, dem als fortschrittlich geltenden Lombard sozial- und umweltpolitische Konzessionen abzuringen. Vor allem Olivier Faure, Chef des Parti Socialiste, hatte darauf gehofft, dass sich Bayrou lieber von der gemäßigten Linken tolerieren lasse als vom ultrarechten Rassemblement National (RN) – ein durchaus legitimes Kalkül, wenn man Bewegung in die verfahrene Lage bringen möchte, in die Macron das Land gestürzt hat.
Die Radikalopposition La France Insoumise (LFI) sieht diesen Versuch hingegen als vergebliche Liebesmühe an. Überzeugend erklärte Eric
Coquerel, der Vorsitzende des Finanzausschusses, in den Medien immer wieder, warum von der Mitte-Rechts-Minderheitsregierung kein Kurswechsel zu erwarten sei. Parteichef Jean-Luc Mélenchon fuhr derweil wütende Angriffe auf die „Verhandler“, die zusammen mit der LFI ja immer noch das Wahlbündnis Nouveau Front Populaire bilden.
Nach der bewusst vage gehaltenen Regierungserklärung Bayrous in der Nationalversammlung dürfen sich die Unbeugsamen bestätigt fühlen. Erst auf Nachfrage zeigte sich der Premier in einzelnen Punkten konzilianter als sein Vorgänger Michel Barnier, etwa im Gesundheitsbereich. Zur unpopulären Rentenreform mit der Erhöhung des Rentenalters auf 64 Jahre, die vor Jahresfrist per Dekret durchgesetzt worden war, brachte er eine „Konklave“ zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern ins Spiel – ein durchsichtiges Manöver, um das Parlament zu umgehen. Dort nämlich hält nur das Regierungslager an der Reform fest, die Emmanuel Macron als größten Erfolg seiner zweiten Amtszeit sieht.
Der Rassemblement National sieht der Entwicklung entspannt zu
Zudem deutete Bayrou, der gerne von Versöhnung redet, eine harte Migrationspolitik an. Umfragen zufolge sind die Regierungshardliner, Innenminister Bruno Retailleau und Justizminister Gérald Darmanin, weitaus beliebter als Macron oder Bayrou, aber auch als sämtliche Linkspolitiker. Der Rassemblement National darf der Entwicklung entspannt zusehen – schon bald nämlich sind die Rechtsextremen wieder das Zünglein an der Waage.
Grüne, Kommunisten und LFI werden der Regierung Bayrou schon diese Woche das Misstrauen aussprechen. Die Sozialisten hoffen noch auf weitere Konzessionen, etwa bei der Reichensteuer. Mehr als kosmetische Korrekturen aber wollen weder die Macronisten noch die republikanische Rechte zulassen, und das RN spielt auf Zeit. Wenn in wenigen Wochen keine Mehrheit für einen weiteren Sparhaushalt zustande kommt, könnte sich das Szenario vom Dezember wiederholen: Auch François Bayrou, so hat er es angekündigt, würde zum Verfassungsartikel 49.3 greifen, um den Haushalt per Dekret durchzusetzen. Anschließend käme es unweigerlich zu einem weiteren Misstrauensvotum – und womöglich zum nächsten Regierungssturz.