„Fossil“: Mann beißt Bagger
Michael
(Markus Hering) macht über die knapp 90 Minuten Spielzeit von Fossil fast nie das, was er mit
allen Mitteln bewahren will: seine Arbeit. Stattdessen steht und sitzt der
Mittsechzigjähre in der Gegend und am Gartentisch herum, hält viele Monologe
und stellt noch mehr Fragen. „Denkst du, mir ist die Natur nicht wichtig?“ –
„Denkt ihr, es ist so einfach?“ – „Was würdest du an meiner Stelle machen?“
Antworten
darauf hat selten jemand parat, Michael allerdings bleibt seinen Mitmenschen ebenfalls
welche schuldig. Auch er kann nicht sagen, warum sich sein Kollege Kostja
umgebracht hat. Oder was ihn und seine Frau noch verbindet. Oder was sein Widerstand
gegen die großen Umwälzungen in seiner Branche und seinem sozialen Umfeld
bringt.
Der
Spielfilm Fossil, als Koproduktion mit der ZDF-Sendereihe Das kleine Fernsehspiel entstanden, spielt
sich irgendwo in Westdeutschland zwischen Tagebau und sauber getrimmten Hecken,
zwischen gestern und morgen ab. Der große Bagger soll gesprengt und à la
Lausitzer Seenland einem künstlichen See weichen. Statt Kohle soll dort der
Regionaltourismus gefördert werden.
Michaels
Tochter Anja (Victoria Schulz) ist Klimaaktivistin und lebt mit ihrem Sohn
(August Schulz) in einem Protestcamp. Sie kettet sich an den Bagger, um ihn zum
Stillstand zu bringen, ihr Vater tut es ihr irgendwann aus gegenteiligen
Gründen nach. Anders als ihr geht es Michael rein um die Bewahrung des
Ist-Zustands. Seit 40 Jahren lebt er dieses Leben in diesem Beruf, er will beides
nicht der globalen Notwendigkeit wegen aufgeben. Michael holt die titelgebenden
Fossilien nicht nur aus der Erde, er ist selbst eines.
Das
illustriert Regisseur Henning Beckhoff (Off
Season) in seinem gemeinsam mit Bastian Köpf geschriebenen Film schon in der
Einstiegsszene. Michaels Frau Miri (Ruth Reinecke) schaut sich im Wohnzimmer
per VR-Brille die blühenden (Seen-)Landschaften der Zukunft an, während ihr
Mann vor dem Fenster den Rasen mäht. Als sie ihn überredet, die Brille auch mal
aufzuziehen, tut er das widerwillig und grunzt: „Kann ja nur hoffen, dass ich
das nicht mehr erleben muss.“ In den folgenden anderthalb Stunden versucht er
dann mehr oder weniger motiviert, das Unvermeidliche abzuwenden und seinen
obsolet werdenden Job in einer obsolet werdenden Industrie zu erhalten.
Fossil offenbart schnell sein Potenzial,
zwei im scheinbaren Widerspruch miteinander stehende politische Themen gegen-
und miteinander auszuhandeln: Arbeitskämpfe versus Klimaschutz, individuelle
Schicksale inmitten allumfassender Krisen. Beckhoff inszeniert das eingangs,
indem er Michael vor übermächtigen Kulissen dastehen lässt wie ein
sklerotisches Fragezeichen. Der gigantische Bagger, die riesigen Bäume der an
den Tagebau anrainenden Wälder, selbst die Hecke um den Garten des Ehepaars:
Der Einzelne verschwindet im Gesamtbild.
Michael
(Markus Hering) macht über die knapp 90 Minuten Spielzeit von Fossil fast nie das, was er mit
allen Mitteln bewahren will: seine Arbeit. Stattdessen steht und sitzt der
Mittsechzigjähre in der Gegend und am Gartentisch herum, hält viele Monologe
und stellt noch mehr Fragen. „Denkst du, mir ist die Natur nicht wichtig?“ –
„Denkt ihr, es ist so einfach?“ – „Was würdest du an meiner Stelle machen?“
Antworten
darauf hat selten jemand parat, Michael allerdings bleibt seinen Mitmenschen ebenfalls
welche schuldig. Auch er kann nicht sagen, warum sich sein Kollege Kostja
umgebracht hat. Oder was ihn und seine Frau noch verbindet. Oder was sein Widerstand
gegen die großen Umwälzungen in seiner Branche und seinem sozialen Umfeld
bringt.