Finanzpaket von Union und SPD: Liberale, AfD, Linke und BSW attackieren Union


  • Der Bundestag stimmt in zweiter und dritter Lesung
    über das Finanzpaket von Union und SPD
    ab. Eine Mehrheit ist nicht garantiert.
  • Scheitert die Lockerung
    der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben und das 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen für Infrastruktur, dann könnten
    auch die Koalitionsverhandlungen platzen. 
  • Stimmt der Bundestag
    mit Zweidrittelmehrheit zu, müsste noch der Bundesrat am Freitag den Grundgesetzänderungen zustimmen. Auch dort ist eine Zweidrittelmehrheit nötig.
  • Alles dazu lesen Sie auf unserer Themenseite. Unser Liveblog zu den Koalitionsverhandlungen können Sie hier nachlesen.
  • Für dieses Blog verwenden wir neben eigenen Recherchen auch Agenturmaterial von dpa, KNA, Reuters, AFP, AP und epd.


Iven Fenker
Iven Fenker

DIW-Präsident fordert Kontrolle der Ausgabe aus Schuldenpaket

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hat eine strenge Kontrolle der Verwendung der geplanten Schuldenpakete gefordert. Ein „unabhängiger Fiskalrat“ solle überprüfe, ob die Gelder tatsächlich in Infrastruktur und Sicherheit fließen und nicht etwa in Sozialausgaben, forderte er. 
Das Sondervermögen für die Infrastruktur sei zwar wichtig, aber nicht optimal. „Es ist nicht die beste Lösung – und es schafft weniger Transparenz„, sagte der Ökonom. Es bestehe die Gefahr, dass die Gelder am Bundestag vorbei für andere Dinge verwendet würden.
„Wenn der Staat mehr Geld ausgibt, um Renten zu erhöhen, um zusätzliche Staatsbedienstete einzustellen, um Gehälter zu erhöhen, dann heißt das nicht mehr Wachstum, sondern weniger Wachstum.“

Marcel Fratzscher

Fratzscher forderte von den möglichen Koalitionspartnern Union und SPD, den Widerspruch aufzulösen, einerseits ein Sondervermögen für Investitionen zu wollen, aber gleichzeitig teure Versprechen zu machen. 

Alexander Eydlin
Alexander Eydlin

Thorsten Frei wirbt um Zustimmung zu Schuldenpaket

Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, hat die Abgeordneten aufgerufen, das Schuldenpaket zu billigen. Während die „russische Bedrohung“ steige und die USA sich „in ihre Hemisphäre“ zurückzögen, müsse Deutschland mehr Verantwortung für seine Sicherheit übernehmen. „Die Chance haben wir mit dem Gesetzentwurf, den wir heute zur Abstimmung stellen und um dessen Zustimmung ich sie bitte“, sagte Frei. „Ich glaube, es ist eine kluge Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit.“

„Schulden lösen nicht alle Probleme“, räumte Frei ein. Er forderte Strukturreformen, die anschließend an die Finanzierung der Verteidigung und der Infrastruktur eingeleitet werden müssten: „Es wäre eine große Illusion zu glauben, dass wir jetzt nichts weiter tun müssen„, sagte er. „Wir brauchen Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung“, was notwendig sei, „damit dieses Geld nicht verpufft“. Auch müsse Ländern und Kommunen Freiheit zu Investitionenn eingeräumt werden. 

Sarah Kohler
Sarah Kohler

Ex-Juso-Vorsitzende weist Blankoscheck-Vorwurf zurück

Die SPD-Abgeordnete Jessica Rosenthal hat die geplanten Investitionen als verspätet kritisiert. Union und FDP seien selbst angesichts des Ukrainekriegs und der maroden Infrastruktur nicht bereit gewesen, Investitionen zu ermöglichen und von ihrer dogmatischen Finanzpolitik abzuweichen, sagte die ehemalige Juso-Vorsitzende. Sie sei jedoch dankbar, dass jetzt die richtige Entscheidung getroffen werde: „Wir können jetzt das tun, was so lange schon nötig ist: massiv in unsere Infrastruktur investieren, in den Klimaschutz, in eine breit verstandene Sicherheit.“

Zugleich mahnte sie die künftige Regierung zu verantwortungsvollem Handeln: „Und nein, anders als das hier auch eben geäußert worden ist, verabschieden wir heute keinen Blankoscheck„, sagte sie. Die Demokratie bekomme nun mehr Handlungsspielraum, den die künftige Regierung auch nutzen müsse, aber auch verantwortlich einsetzen.

Alexander Eydlin
Alexander Eydlin

Wagenknecht spricht von „Kriegskrediten“ und „kriegsverrückten Grünen“

BSW-Chefin Sahra Wagenknecht hat das Schuldenpaket und die geplante Erhöhung der Verteidigungsausgaben mit teils diffamierenden Begriffen kritisiert. So sprach sie sich gegen „Kriegskredite mit Klimasiegel“, die mit „Billionen an neuen Schulden“ finanziert werden müssten, aus, die von „kriegsverrückten Grünen“ befeuert würden. Zudem warf sie SPD, Union und Grünen vor, absichtlich Verhandlungen über eine Waffenruhe mit Waffenlieferungen zu torpedieren.

Die Chefin des BSW behauptete zudem, ihre Partei gehöre ins Parlament und bestritt dabei das Wahlergebnis vom 23. Februar: Es fehlten dafür „angeblich“ 9.000 Stimmen, was bedeute, dass die kommende Regierung „keine demokratische Legitimation“ habe. 

Protest des BSW gegen höhere Verteidigungsausgaben.
Protest des BSW gegen höhere Verteidigungsausgaben. Michael Kappeler/dpa
Nach ihrer Rede hielten die Abgeordneten des BSW Plakate hoch, auf denen ebenfalls von „Kriegskrediten“ die Rede war – ein Begriff, der auf die Zustimmung der Reichstagsparteien zur Finanzierung der Teilnahme am Ersten Weltkrieg anspielt. Die von den Bundestagsregeln verbotene Plakataktion sorgte für eine kurze Pause der Debatte. Bundestagsvizepräsidentin Petra Paus erteilte den BSW-Abgeordneten einen Ordnungsruf.

Iven Fenker
Iven Fenker

Zunehmend leere Reihen im Plenarsaal 

Der Plenarsaal des Bundestags hat sich mittlerweile sichtlich geleert. Nachdem ein Großteil der Rednerinnen und Redner gesprochen hat, sind die meisten Argumente ausgetauscht. Zur in Kürze bevorstehenden Abstimmung dürften sich die Reihen jedoch wieder füllen: Für die erforderliche Zweidrittelmehrheit sind Union, SPD und Grüne auf die meisten ihrer Abgeordneten angewiesen.

Alexander Eydlin
Alexander Eydlin

Fast zwei Drittel der Abgeordneten haben gesprochen

36 Rednerinnen und Redner waren angemeldet für die Debatte – mit Sören Pellmann von der Linken hat der 23. von ihnen seine Rede beendet. Es bleiben 13 Abgeordnete, darunter vier fraktionslose Mitglieder des Bundestags.

Die verbliebenen Redner haben allerdings pro Person deutlich weniger Redezeit: Der Tagesordnung zufolge haben sie insgesamt weniger als 40 Minuten, nachdem die 23 Rednerinnen und Redner zuvor fast drei Stunden untereinander aufgeteilt haben.

Sarah Kohler
Sarah Kohler

Pellmann: „Friedrich Merz will und wird die Axt an den Sozialstaat legen

Der Linkenabgeordnete und künftige Co-Vorsitzende der Linksfraktion im neuen Bundestag, Sören Pellmann, hat der Union eine unsoziale Politik vorgeworfen. CDU-Chef Friedrich Merz warf er eine Reihe an Wortbrüchen vor. Mit Blick auf die umstrittenen Unionsanträge vom Januar warf er Merz erneut vor, Stimmen der AfD für eine migrationsfeindliche Politik in Kauf genommen zu haben.
Sören Pellmann wirft Schwarz-Rot unsoziale Pläne vor.
Sören Pellmann wirft Schwarz-Rot unsoziale Pläne vor. Michael Kappeler/dpa
Der Entwurf von Union und SPD löse keine Probleme, sondern wiederhole falsche Muster des Unionswahlkampfs, indem Furcht geschürt und dann vermeintliche Probleme gelöst würden, sagte Pellmann. Union und SPD warf er eine Militarisierung der deutschen Gesellschaft vor, die die Linke nicht mittrage. Denn schon jetzt würden parallel zu den geplanten Milliardenschulden Einsparungen vorbereitet, und das vor allem im Sozialstaat. „Friedrich Merz will und wird die Axt an den Sozialstaat legen“, sagte Pellmann.

Alexander Eydlin
Alexander Eydlin

Ampelhaushälter kritisieren und loben Schuldenpaket

Mit Otto Fricke von der FDP und Sven-Christian Kindler von den Grünen verabschieden sich auch zwei führende Haushaltspolitiker der Ampelkoalition aus dem Parlament. Ihre letzten Reden widmen sie der Kritik am Schuldenpaket – sowie dessen Lob.

So sagte Fricke: „Wir werden eigentlich die Schuldenbremse beenden“ – trotz großer Unklarheiten über das Ausmaß, in dem sich etwa die Länder neu verschulden dürften. „Haushälter haben immer dafür gekämpft, den Haushalt gering zu halten„, sagte der Haushaltspolitiker. Das sei mit der neuen Reform nicht vereinbar.

Otto Fricke hält seine vorerst letzte Rede im Bundestag.
Otto Fricke hält seine vorerst letzte Rede im Bundestag. Michael Kappeler/dpa
Der Grünenabgeordnete Kindler lobte hingegen die Aufweichung der Schuldenbremse. Er habe sich davor in vier Legislaturperioden für eine solche Reform eingesetzt. „Die dauerhafte Öffnung für Investitionen, die haben wir jetzt erreicht.“ 

Alexander Eydlin
Alexander Eydlin

Der Bundestag entscheidet nicht allein

Mit Alexander Schweitzer und Thomas Strobl haben sich auch zwei Landespolitiker an der Aussprache beteiligt. Ein Zufall ist das nicht: Die Bundesländer spielen eine zentrale Rolle dabei, das Schuldenpaket zu ermöglichen.

Denn auch wenn der Bundestag für die Lockerung der Schuldenbremse und das Infrastruktur-Sondervermögen stimmt, sind die Maßnahmen noch nicht endgültig beschlossen. Sie erfordern auch die Zustimmung des Bundesrates. Dort sind Union, SPD und Grüne teilweise auf andere Regierungsparteien angewiesen, wie etwa die CSU in Bayern auf die Freien Wähler. Die Länderkammer entscheidet am Freitag über das Paket.

Alexander Eydlin
Alexander Eydlin

CDU-Abgeordnete Gräßle lobt Investitionspaket

Die Unionsabgeordnete Ingeborg Gräßle hat sich angesichts der geplanten Investitionen optimistisch gezeigt. Sie sehe „viele Hoffnungen“ etwa in Bezug auf „Erneuerung von Infrastruktur (…), auf Modernisierung und Bewältigung der Transformation, bei unseren internationalen Partnern“ sowie auf „breite Verteidigungsbereitschaft in einer neuen Gefahrenlage“, sagte sie: „Das ist doch was.“

Dabei kritisierte Gräßle die FDP, die das Investitionspaket lediglich auf die Schuldenaufnahme reduziere: „Zur Ehrenrettung der schwäbischen Hausfrau möchte ich schon sagen, dass eine schwäbische Hausfrau niemals dort sparen würde, wo es um Sicherheit geht.“

Alexander Eydlin
Alexander Eydlin

Strobl mahnt Mittel für den Zivilschutz an

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) mahnt an, bei der Verteidigungsfähigkeit nicht nur an die Bundeswehr zu denken. Auch der Bevölkerungsschutz müsse gestärkt werden, forderte Strobl. Notwendig sei eine entsprechende Botschaft an Organisationen wie das Technische Hilfswerk, das Rote Kreuz, die Feuerwehren „und andere Organisationen der Blaulichtfamilie“ – denn nur wenn sie gut ausgestattet seien, „erreichen wir eine gesamtgesellschaftliche Verteidigungsfähigkeit“.

Strobl erinnerte zudem an die Finanzlage der Kommunen, die eine dauerhafte Finanzierung benötigten. „Brücken, Straßen und Krankenhäuser sind auch Teil unserer Landesverteidigung, und auch deshalb stehen wir an der Seite unserer Kommunen.“ 

Sarah Kohler
Sarah Kohler

Schweitzer pocht auf Stärkung der Bundesländer

Der SPD-Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Alexander Schweitzer, lobte in seinem Beitrag im Namen des Bundesrats den finanziellen Spielraum, der nun geschaffen werde. Er betonte vor allem die Notwendigkeit der Investition in die Verteidigung.

Noch befinde sich Deutschland nicht im Krieg. „Aber dass die Herausforderungen groß und größer geworden sind, sehen Sie daran, dass wir jeden Tag in Rheinland-Pfalz Rückmeldung bekommen über Drohnenflüge über militärischen Einrichtungen, über Industrieanlagen“, sagte Schweitzer. Auch den finanziellen Spielraum der Länder für Infrastruktur lobte er, diesen bräuchten sie dringend. Er appellierte an alle Parteien, zukünftig die Länder in der Bundespolitik mehr mitzudenken.

Alexander Eydlin
Alexander Eydlin

Gauland bekundet Enttäuschung über Merz

Der AfD-Abgeordnete Alexander Gauland hat sich nach eigenen Worten von Friedrich Merz Schritte wie die „Rückabwicklung von Fehlentwicklungen wie der illegalen Masseneinwanderung“ erhofft. Stattdessen opfere Merz „alles, was die CDU konservativ machte“ seinen Ambitionen aufs Kanzleramt, indem er sich einer Koalition mit der AfD verweigere. Damit mache Merz sich zum „Gefangenen linksgrüner Gesellschaftsveränderungen“. 
„Die Merz-CDU ist seit dieser Woche die Fortsetzung der Merkel-CDU.“

Alexander Gauland, AfD-Ehrenvorsitzender

Sarah Kohler
Sarah Kohler

FDP kritisiert undemokratisches Vorgehen

Der bisherige Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Marcus Faber hat Union und SPD vorgeworfen, in ihrem Entwurf keine konkreten neuen Ausgaben für die Verteidigung vorzuschlagen. Die Bundeswehr sei aber keine lästige Zusatzausgabe, sondern gehöre in den zentralen Haushalt, argumentierte der FDP-Politiker. Seine Partei habe als einzige tatsächlich eine Stärkung der Bundeswehr vorgeschlagen. 

Auch Faber stellte die demokratische Legitimität des alten Bundestags infrage. So große Entscheidungen müssten mit dem neuen demokratischen Bundestag beschlossen werden. Faber scheidet wie alle anderen FDP-Abgeordneten aus dem Bundestag aus.

Alexander Eydlin
Alexander Eydlin

Brantner lobt Grünen-Beitrag und kritisiert Schwarz-Rot

Grünenchefin Franziska Brantner hat die Bedeutung ihrer Partei beim Zustandekommen des Schuldenpakets hervorgehoben. Der Ursprungsentwurf von Schwarz-Rot sei „Klientelpolitik auf Pump“ gewesen, sagte sie mit Blick auf mangelnde Präzision bei der Festlegung auf neue Investitionen in den ersten Plänen von Union und SPD. Diesen „Etikettenschwindel“ hätten die Grünen nicht mittragen wollen.

Die Grünen hätten sichergestellt, dass das Sondierungspapier zusätzliche Investitionen vorsehe und das Ziel des Klimaschutzes im Blick behalte.

„An Geld kann der Klimaschutz jetzt auf jeden Fall nicht mehr scheitern.“

Grünenchefin Franziska Brantner

Grünenchefin Franziska Brantner kritisiert zahlreiche Pläne von Schwarz-Rot
Grünenchefin Franziska Brantner kritisiert zahlreiche Pläne von Schwarz-Rot. Sean Gallup/Getty Images
Dennoch kritisierte Brantner weitere Pläne von Schwarz-Rot. So sehe deren Sondierungspapier keine Rentenreformen vor. Auch würden große Teile der geplanten Entlastungen den wohlhabendsten zehn Prozent der Gesellschaft zugutekommen. Für die ärmere Hälfte der Bevölkerung sähen Union und SPD aber nur ein Fünftel der geplanten Entlastungen vor.

Brantner kündigte zudem Widerstand der Grünen an, sollte die künftige Regierungskoalition versuchen, die von ihrer Partei „hart erkämpften Leitplanken“ bei der Verwendung der Schulden zu umgehen: „Es wird nicht ein leises Murmeln sein, sondern ein lautstarker Alarm.“