Finanzpaket: Friedrich Merz muss mit Abweichlern wohnhaft bei Schuldenabstimmung rechnen
Die Zustimmung des Bundestags zum Milliarden-Schuldenpaket von Union und SPD scheint nach der Einigung der Parteien mit den Grünen sicher – allerdings muss der voraussichtliche nächste Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) mit Abweichlern aus den eigenen Reihen rechnen. So hat der ehemalige CDU-Generalsekretär Mario Czaja angekündigt, den Finanzplänen nicht zuzustimmen. „Ich habe meiner Fraktion gegenüber zum Ausdruck gebracht, dass ich dieser Grundgesetzänderung nicht zustimmen kann“, sagte der scheidende Berliner Bundestagsabgeordnete dem Onlinemedium ThePioneer. Die Pläne seien „nicht generationengerecht, und die Begründungen, die dafür herangezogen werden, sind nicht redlich“.
Czaja verwies auf Merz‘ Versprechen im Wahlkampf, bis auf Weiteres an der im Grundgesetz verankerten Schuldenregel festzuhalten. „Ich hätte das mir nicht vorstellen können, dass wir in so kurzer Zeit eine so wichtige Zusage, die wir bei der Bundestagswahl getroffen haben, nicht mehr bereit sind, umzusetzen“, sagte er. Eine „solch grundlegende Änderung zu dem, was man vor der Wahl gesagt hat, nach der Wahl umzusetzen, ist ein sehr hoher Vertrauensverlust in die demokratische Mitte“. Er spüre, „dass viele in der CDU/CSU-Fraktion mit sehr großen Bauchschmerzen in den kommenden Dienstag gehen“, sagte Czaja mit Blick auf die Sondersitzung des Bundestags.
Grüne erwarten breite Zustimmung
Union und SPD hatten sich in ihren Gesprächen zur Regierungsbildung auf eine Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben und ein 500 Milliarden Euro schweres, kreditfinanziertes Sondervermögen für Investitionen verständigt. Die nötigen Grundgesetzänderungen sollen noch vom alten Bundestag beschlossen werden, bevor sich das neue Parlament konstituiert. Hintergrund ist die dafür nötige Zweidrittelmehrheit im Parlament: Eine solche gilt im neuen Bundestag wegen der Stärke von AfD und Linken als ausgeschlossen. Beide Parteien lehnen die schwarz-roten Finanzpläne ab und haben erfolglos versucht, die Sondersitzung des Bundestags am Dienstag vom Bundesverfassungsgericht stoppen zu lassen.
Im alten Bundestag sind Union und SPD von den Stimmen der Grünen abhängig. Deren breite Zustimmung zu den Grundgesetzänderungen gilt nach Zugeständnissen von Union und SPD als wahrscheinlich. Fraktionschefin Britta Haßelmann sagte im ZDF-morgenmagazin, bereits am Freitag habe es in der Fraktion sehr viel Zuspruch zu dem Verhandlungsergebnis gegeben. „Sie können ganz sicher sein. Mir geht’s dabei nicht um Markus Söder
oder Friedrich Merz. Mir geht’s ums Land und die Frage, was brauchen
Bürger und Bürgerinnen, was brauchen die Städte und Gemeinden“, sagte sie.
Politologe rechnet mit rund 20 Abweichlern
SPD, CDU, CSU und Grüne verfügen im alten Bundestag gemeinsam über 521 Sitze – 31 mehr, als für eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Wie viele Abgeordnete aus diesen Parteien neben Czaja noch gegen das Paket stimmen werden, ist unklar. Der Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke sagte im ZDF, erwartet würden etwa 20 Abweichler. Hintergrund könne sein, dass einzelne Abgeordnete noch „eine offene Rechnung“ mit den Vorsitzenden von CDU und SPD, Friedrich Merz und Lars Klingbeil, hätten – gerade wenn diese Abgeordneten, wie Czaja, im künftigen Bundestag nicht mehr vertreten seien.
Damit die Grundgesetzänderungen in Kraft treten können, muss nach dem Bundestag auch der Bundesrat zustimmen. Die entsprechende Sitzung findet am Freitag statt. Dabei richtet sich die Aufmerksamkeit derzeit auf Bayern, das in der Länderkammer sechs Stimmen hat. Skeptisch zu den Schuldenplänen äußerten sich im Freistaat bislang die mitregierenden Freien Wähler.
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zeigte sich unterdessen überzeugt, dass er es eine Einigung mit dem Koalitionspartner geben werde. „Gehen Sie davon aus, dass es an Bayern sicher nicht scheitern wird“, sagte er im ZDF. Freie-Wähler-Vorstandsmitglied Fabian Mehring sagte der Augsburger Allgemeinen, seine Partei „sich ihrer Verantwortung in herausfordernden Zeiten bewusst, in denen unser Land unter massivem geo- und wirtschaftspolitischem Druck steht“. Vor einer endgültigen Positionierung wolle man aber einen Austausch mit der CSU abwarten.
Die Bundesländer können ihre Stimmen im Bundesrat nur einheitlich abgeben. Zerstrittene Koalitionsregierungen enthalten sich in der Länderkammer daher meist.