Finanzielle Ungleichbehandlung: Uniklinikum fordert gleiches Geld z. Hd. gleiche Aufgaben

Die zusätzliche Finanzhilfe des Landes Hessen für die Frankfurter Uniklinik in Höhe von 200 Millionen Euro hat am mehrheitlich privatisierten Uniklinikum Gießen und Marburg für „extremes Erstaunen“ gesorgt. Das sagte der Aufsichtsratsvorsitzende des kurz UKGM genannten mittelhessischen Klinikums, Werner Seeger, der F.A.Z. Er sprach zudem von Entrüstung, da das Land aus Sicht der Mittelhessen die seit mehreren Jahrzehnten bestehende Ungleichbehandlung beider Unikliniken verschärfe, statt sie zu verringern.
Die Unikliniken in Hessen müssen die gleichen Aufgaben wahrnehmen, wie Seeger hervorhob. Dazu zählten außer Forschung und Lehre die Behandlung von Patienten und neuerdings der vom Wissenschaftsrat geforderte Aufbau einer Gesundheitsregion. Das UKGM arbeitet mit einer Reihe von Krankenhäusern zwischen Nordhessen und dem Rhein-Main-Gebiet zusammen, indem Oberärzte aus den eigenen Reihen in den Partnerkliniken als Chefärzte für ihr jeweiliges Spezialgebiet tätig sind.
Dessen ungeachtet gelte in Deutschland eine klare Regel für die Krankenhausfinanzierung. Die Krankenkassen kommen demnach für Therapiekosten auf, die Länder für die Investitionen in Gebäude und medizinische Geräte. „Dies gilt unabhängig von der Trägerschaft, ob kirchlich, öffentlich oder privat“, sagte Seeger und fügte hinzu: „Insofern ist zu erwarten, dass für gleiche Aufgaben auch die gleichen Finanzierungszusagen gelten.“ Dies sei mit Blick auf die beiden Unikliniken aber nicht der Fall.
Doppelt so viel Geld für Frankfurt als für Gießen und Marburg
Das Frankfurter Haus bekomme vom Land über verschiedene Zuschüsse hinweg mehr als 100 Millionen Euro im Jahr, das UKGM dagegen für beide Standorte jeweils 25 Millionen Euro. Dies gelte auch erst seit dem Inkrafttreten des mit dem Land im Frühjahr 2023 vereinbarten Zukunftsvertrags.
Diese Übereinkunft sieht Investitionen in einer Gesamthöhe von 850 Millionen Euro in Gießen und Marburg vor. Ein Drittel dieser Summe muss das Klinikum aber selbst tragen. Außerdem muss es die sich aus Investitionen der Vergangenheit ergebenden Zinslasten und Tilgungen übernehmen, da es nur Kredite erhalten hat. Das ist nur möglich, weil das UKGM anders als jedes andere Uniklinikum schwarze Zahlen erwirtschaftet.
Die daraus folgende Diskrepanz treibe das Land mit der neuen Finanzhilfe für das Frankfurter Uniklinikum „extrem auf die Spitze“. Seeger hob hervor, das UKGM sei dem Frankfurter Klinikum durch wissenschaftliche Zusammenarbeit freundschaftlich verbunden. Dies ändere aber nichts an der Ungleichheit, zumal Gießen und Marburg kein zusätzliches Geld für die komplexen Aufgaben eines Uniklinikums erhielten.
Hessens Finanzminister Alexander Lorz (CDU) hat die neuerliche Unterstützung des Frankfurter Klinikums zum einen mit der Trägerschaft des Landes begründet. Zum anderen benötige es für die anstehende Krankenhausreform eine gute Ausgangsbasis und solle sowohl in der Medizin als auch in der Forschung weiterhin Spitzenleistungen erbringen, sagte er während der Vorlage der Eckdaten des Nachtragshaushalts.
Seeger: Argument von Lorz pro Frankfurt nicht akzeptabel
Die Gründe für die Ungleichbehandlung liegen nach den Worten von Seeger fast 20 Jahre zurück. 2007 sei das Hochschulbau-Förderungsgesetz abgeschafft und die Zuständigkeit für Investitionen auf die Länder übertragen worden. Im Zuge der Fusion der mittelhessischen Unikliniken und ihrer Privatisierung sei dieser Grundsatz aber gekippt worden. Erst der nach jahrelangen Protesten zustande gekommene Zukunftsvertrag habe Abhilfe geschaffen. Die darin festgelegte Pflicht des UKGM, ein Drittel der Investitionskosten zu tragen, laufe jedoch den Grundsätzen der Klinikfinanzierung zuwider. Deshalb fordere das UKGM weiter die gleichen Bedingungen wie für Frankfurt ein.
Den Hinweis von Lorz auf die alleinige Trägerschaft des Landes lässt Seeger nicht gelten. Die Aufgaben der Kliniken seien an allen drei Standorten gleich. Das gelte eben auch für die Grundsätze der Finanzierung. Das Argument von Lorz sei mithin „nicht akzeptabel“, sagte Seeger.
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Um die Schere bei der finanziellen Ausstattung möglichst zu schließen, ist ein neues Gesprächsforum von Land und UKGM eröffnet worden, wie Seeger weiter sagte. Der hessische Wissenschaftsminister Timon Gremmels (SPD) werde diese Runde leiten. Die Mindestausstattung von Gießen und Marburg müsse beendet werden. Es könne nicht sein, dass unter ihr Patienten und auch die Pflegekräfte leiden, weil sie stärker belastet würden als jene am Main.