Fast 300.000 neue Wohnungen in 2023 – Warnung vor Durststrecke

Die Zahl der neu gebauten Wohnungen ist in den vergangenen Jahren kaum gestiegen, aber dieser ist auch nicht wesentlich gefallen. Dabei hatten zahlreiche Branchenvertreter einen deutlichen Rückgang erwartet – als Folgen des Zinsanstiegs, höherer Baukosten und manchem Wechsels der staatlichen Förderung. Vor allem in den Städten suchen mehr Menschen als früher Wohnraum, deshalb haben hier die Mietpreise zuletzt weiter zugelegt.

In Deutschland sind im vergangenen Jahr insgesamt 294.000 neue Wohnungen entstanden. Das ist ein geringer Rückgang um 900 Wohnungen und damit um 0,3 Prozent im Vergleich zum Jahr davor, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag veröffentlicht hat. Die Summe der fertiggestellten Wohnungen bleibt somit ähnlich wie in vorherigen Jahren. Nur 2020 ragt mit der Zahl von 306.000 Wohnungen leicht hervor. In den Zahlen sind die Baufertigstellungen für neue Gebäude und für Baumaßnahmen an bestehenden Gebäuden enthalten sowie Wohnungen in Wohn- und Nichtwohngebäuden.

Die Bundesregierung möchte hingegen, dass deutlich mehr Wohnungen entstehen. Das Bündnis aus SPD, Grüne und FDP hatte zu Beginn der Koalition das Ziel von 400.000 neuen Wohnungen im Jahr ausgegeben. Darunter sollen 100.000 öffentlich geförderte Wohnungen sein, also Sozialwohnungen. Diese Marke wird wohl auch in den nächsten Jahren verfehlt.

Durststrecke wird erst noch kommen

Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) bezeichnete die Lage am Bau als stabil. „Neben den 294.400 fertiggestellten Wohnungen befinden sich derzeit weitere 390.900 Wohnungen im Bau“, sagte sie. Die Ministerin verweis auf den sozialen Wohnungsbau: Hier habe es 2023 einen deutlichen Zuwachs bei den Bewilligungen gegeben. Die Zahl der geförderten Wohneinheiten sei um mehr als 20 Prozent auf insgesamt 49.430 gestiegen. Sie hob hervor, dass der Bund 18,15 Milliarden Euro von 2022 bis 2027 für den sozialen Wohnungsbau ausgebe. „Die Förderung des Bundes wirkt. Und wir unterstützen weiter“, sagte Geywitz. „Im Sommer starten wir ein Programm, um Familien beim Bestandserwerb zu unterstützen, im Herbst kommt ein neues Förderprogramm für bezahlbaren Neubau im Niedrigpreissegment.“

Vertreter der Immobilienwirtschaft hatten mit einen Einbruch des Neubaus für das Jahr 2023 gerechnet. Befürchtet worden war ein Rückgang auf 215.000 bis 270.000 Wohnungen. Als Reaktion auf die höhere Zahl verwiesen Verbände darauf, dass der Bedarf deutlich darüber liegen würde. Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) nennt als Neubaulücke die Zahl von 600.000 Wohnungen. Dessen Präsident Andreas Mattner sprach davon, dass die Fertigstellungen nur Vollzugsmeldungen für Projekte wären, die in guter alter Zeit unter besseren Bedingungen gestartet wurden. Der Fehlbedarf werde immer größer und sich in den nächsten Monaten zeigen: „Die Folgen der rapiden Zins- und Baukostensteigerungen werden uns dann mit voller Wucht treffen.“

Ähnlich erwartet Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe, dass die Durststrecke erst noch komme. „Für dieses Jahr rechnen wir nur noch mit maximal 250.000 fertiggestellten Wohnungen – Tendenz fallend.“ So sank die Zahl genehmigter Wohnungen, die noch nicht fertiggestellt sind – und das erstmals seit dem Jahr 2008: Dieser Bauüberhang verringerte sich um 58.100 auf 826.800 Wohnungen zum Jahreswechsel. Die Zahl der Baugenehmigungen für Wohnungen fiel im vergangenen Jahr gegenüber dem Vorjahr um etwa 27 Prozent auf 259.600 Einheiten.

Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie erklärte, dass das Ergebnis der fertiggestellten Wohnungen die Leistungsfähigkeit der Bauwirtschaft zeige. Andererseits belege es einen „enormen zeitlichen Verzug“ bauwirtschaftlicher und baupolitischer Entscheidungen. „Auch im Vorjahr wurden weniger Wohnungen gebaut, als es der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum eigentlich erfordert“, sagte Hauptgeschäftsführer Tim-Oliver Müller.

Die Verbände fordern staatliche Eingriffe für mehr Wohnraum. Der ZIA spricht von einer geringeren Grunderwerbssteuer als zentralem Hebel. Die Grunderwerbsteuer, die auf einen Immobilienkauf anfällt, liegt in den Händen der Bundesländer, deren Höhe sie selbst festlegen können: In Bayern sind es 3,5 Prozent, in Nordrhein-Westfalen, dem Saarland, Schleswig-Holstein, Thüringen und Brandenburg 6,5 Prozent.

Der Hauptverband der Bauindustrie setzt auf ein Zinsverbilligungsprogramm und den Abbau von Bürokratie. „Lange Planungs- und Genehmigungszeiten, sich ständig verändernde Vorgaben zur Bauqualität, ausufernde Bauvorschriften sowie unterschiedliche Landesbauordnungen: wenn endlich die Schere an diesem Vorschriftenwirrwarr angesetzt wird, könnten die Bauunternehmen mehr industriell und seriell bauen sowie Baukosten aus eigener Kraft deutlich reduzieren“, sagt Müller. Laut den Statistikern hat es von der Genehmigungserteilung bis zur Fertigstellung im vergangenen Jahr im Durchschnitt 24 Monate gedauert. Diese Zeit hat sich damit weiter verlängert. Im Jahr 2020 waren es noch 20 Monate.

Zuletzt sind weniger Einfamilienhäuser entstanden als zuvor: Im vergangenen Jahr entfielen 69.900 Wohnungen hierauf, 7200 Einfamilienhäuser oder 9,3 Prozent weniger als im Vorjahr. Die Zahl neuer Wohnungen in Zweifamilienhäusern stieg um 900 oder 3,8 Prozent auf 23.800 Einheiten und in Mehrfamilienhäusern um 6100 Einheiten oder 4,1 Prozent auf 156.300 Neubauwohnungen.