Faktencheck – Open-Blog – Faktencheck welcher Faktenchecks – Vorstellung des neuen Blogs

Schon gecheckt?

Das sollte man sich in zweifacher Hinsicht nach der Lektüre eines Artikels fragen – ganz egal, ob dieser aus einem klassischen oder digitalen Medium herrührt. Zunächst im Sinne der Lesekompetenz, d.h. ob man das Gelesene wirklich inhaltlich verstanden hat. Ansonsten: einfach noch mal lesen! Zweitens und das betrifft die Medienkompetenz, ob das im Text Behauptete und die etwaig dafür angeführten Belege überhaupt zutreffend sind.

Warum man Medien ein Stück weit trauen, …

Doch wieso sollte man überhaupt diese zweite Frage stellen und wenn, warum nicht gleich die gesamten Medien in Bausch und Bogen in Frage stellen? Dass es dieses letztgenannte völlige Misstrauen gibt, davon zeugen Begrifflichkeiten wie “die Lügenpresse“ oder auch kategorische Bekundungen, keine Nachrichten und sonstigen Medien mehr anzusehen. Und tatsächlich ist es so, dass man aus einem emotionalen Standpunkt heraus es verstehen könnte, sich gegen Negatives abschotten zu wollen. In den Medien wird durchaus vieles berichtet, das einem je nach individuellem Gemüt sehr stark auf den Magen schlagen kann. Man sollte diesen Aspekt also ernst nehmen. Jemand, der sich von der anderen Seite der Nachrichten damit auskennt, der Journalist, Jurist und Tagesschau-Moderator Constantin Schreiber hat sogar eigens ein Buch aus dieser Perspektive geschrieben – wie er mit der beruflich bedingten Kenntnisnahme und Verkündung schlechter Nachrichten umgeht. Genau das ist der springende Punkt: Es braucht einen Standpunkt statt bloßer Flucht, eine Lösung statt einer Loslösung. Eine Coping Strategie, womöglich eine geringere Dosis an Noise, an News würde schon weiterhelfen statt in der heutzutage gewohnten Alles-oder-Nichts-Polarisiertheit sich total zu verwehren. Denn Demokratie ist eben keine hedonistische Wohlfühlveranstaltung. Es gehört zum Erwachsenwerden dazu, sich auch unangenehmen Realitäten stellen zu müssen. Ob nun der Klimawandel, das fortschreitende Artensterben, Diktaturen, Flugzeugabstürze, kriminelle Gewalt oder der schlechte Wetterbericht, vieles mag belastend sein, aber manches auch sehr wichtig, um Entscheidungen zu fällen, um sein Leben selbstbestimmt zu leben, um seinen staatsbürgerlichen Pflichten nachzukommen. Demokratie braucht nämlich ebendiese souveränen Entscheidungen auf rationaler Grundlage und das notwendige Maß an Verantwortung, damit sie funktioniert. Voraussetzungen hierfür sind mündige Bürger, eine Vielfalt an Meinungen und Wahlmöglichkeiten wie auch dazugehöriges Engagement statt einem desinteressierten einerlei bis keinerlei.

Medien liefern insofern die erforderlichen Informationen. Sie bereiten sie auf und sie verbreiten sie im Rahmen ihrer medialen Reichweite weiter. Durch die akribische Arbeit investigativer Journalisten fördern sie so manches auch erst zu Tage, das sonst womöglich im Verborgenen geblieben wäre. Zu nennen ist hier etwa die zeitungsübergreifende Recherchekooperation zu den Panama Papers oder die Berichterstattung über Maskendeals während der Corona-Pandemie. Auch, dass das Versinken des Greenpeace Protest-Schiffes Rainbow Warrior am 10. Juli 1985 in Wahrheit eine vorsätzliche Versenkung durch den französischen Geheimdienst war, wurde erst durch Enthüllungsjournalisten der französischen Tageszeitung Le Monde aufgedeckt. Oder wussten Sie das etwa nicht? Wenn nicht, dann sollten Sie mehr Medien wie dieses hier lesen, das über solche Dinge schreibt.

…aber nicht blind vertrauen sollte!

Gleichzeitig sollte man den Medien aber auch nicht blind vertrauen. Ein Beispiel wäre die Kriegsberichterstattung. Dazu sei Otto von Bismarck zitiert, der sagte: “Es wird niemals so viel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd.“ Damit hat er nicht gelogen. Man muss aber ergänzen, dass zuweilen auch bereits vor dem Krieg die bellizistische Propaganda auf Hochtouren läuft. Zum ersten Irakkrieg 1990-1991 ist etwa die Brutkastenlüge zu nennen, eine Erfindung der amerikanischen PR-Agentur Hill + Knowlton, welche über die Medien weite Verbreitung fand und der Door Opener für die militärische Intervention der USA unter George Bush Sen. war. Auch beim zweiten Irakkrieg seines Sohnes George W. Bush ebnete eine medial umhergehende Lüge, diesmal zu Massenvernichtungswaffen im Irak, den Bomben ihren Weg. Der subalterne Embedded Journalism während dieses Krieges tat sein Übriges, um das Vertrauen in die Leitmedienberichterstattung schwinden zu lassen. Schon im Ersten Weltkrieg veranschaulichte die regelrechte Jubelpresse, indem sie zigtausende, ebenso absonderlich begeisterte wie desinformierte, Soldaten in den Krieg zog, dass ein medienhöriges Denken unter gewissen Umständen geradezu tödlich sein kann. Auch der ruandische Radio Sender Milles Collines, der rücksichtslos und wahrheitswidrig die Huthis gegen die Volksgruppe der Tutsis aufhetzte und so mitschuldig an der grausamen Abschlachtung von mehr als 500.000 Menschen war, offenbart die Gefährlichkeit unkritischen Kriegsmedienkonsums.

Doch auch in Friedenszeiten kann bei Gutgläubigkeit des Rezipienten Unheil drohen. Kommerzielle Medien mögen vordergründig neutral wirken, aber dennoch in zu erheblicher Weise marktparteiisch determiniert sein. Headlines werden dann eben mit Eye Catcher-Absicht formuliert. Skandale aufgebauscht und die Zahl der Seitenaufrufe sogar vor den Schutz des Rufes derer, über die geschrieben wird, gestellt. Ein Beispiel für viele ist die reputationsschädigende Berichterstattung der Bild zu Peter Lustig, die in einem anderen Faktencheck-Format sehr gehaltvoll auseinandergenommen wird. Außerdem liegt es in der Natur der monetären Ausrichtung, dass es zu Beißhemmungen gegenüber Werbeanzeigen schaltenden Unternehmen kommen kann oder, genauso naheliegend, gegenüber den eigenen Anteilseignern, etwa mit Blick auf die spektakuläre Insolvenz des Jungmilliardärs René Benko, sofern man sich vor Augen führt, dass der medial hochgeschriebene Shooting Star des Bauunternehmertums sich 2018 in die bedeutenden österreichischen Printmedien Kronenzeitung und Kurier eingekauft hatte. Umso mehr wachsen Zweifel an der Wahrhaftigkeit der Berichterstattung privater Medien, wenn man die Einflussnahme von Verlegern und Herausgebern auf die redaktionelle Arbeit betrachtet. So hat der Faktenchecker correctiv einen brisanten Artikel zum verlegerseitig erteilten Verbot der weiteren redaktionellen Recherche in der Causa Reichelt publiziert, der auch auf andere Fälle von hauseigener Zensur eingeht.

Der Selbstanspruch kommerzieller “Qualitäts“medien, Informationen wahrheitsgetreu zu übermitteln, steht jedenfalls in erkennbarem Widerstreit zur Ausrichtung auf hohe Quoten und den vorfindlichen Kapitaleignerstrukturen. Andererseits sind die zwangsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Medien auch nicht über jeden Zweifel erhaben. Das fängt schon damit an, dass dort bereits mediokre Moderatoren Produktionsfirmen gründen können, welche im Wege der Auftragsproduktion für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk tätig werden und hiermit – als Kehrseite der daraus resultierenden üppigen Honorare – sehr hohe Kosten verursachen. Die sonderbare Praxis, Moderatoren nicht direkt beim Sender mit entsprechendem Gehalt anzustellen, führt nicht nur zu einer Quotenfixierung wie bei den kommerziellen Privatmedien mit allen marktschreierischen Konsequenzen, sondern ist ein gegenüber den Rundfunkbeitragszahlern geradezu unerträglicher Zustand, der schwerlich mit einem Sparsamkeitsgebot zu vereinbaren ist, welches etwa der Staat als öffentlich-rechtliches Gebilde zu beachten hat. Wenn Spesen von Intendanten falsch abgerechnet werden oder per se ein Intendant sogar mehr verdient als der Bundeskanzler, dann hat die postulierte Unabhängigkeit und Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) schon etwas Feigenblattartiges, hinter dem sich Selbstbedienungsmentalität, wie ein kapitalistischer Wolf im Schafspelz verbergen kann, was man hart aber fair sagen muss.

Abgesehen von einem Marktparteilichkeitsrisiko insoweit, gibt es beim ÖRR aber auch eine politische Parteilichkeitsgefahr. Namentlich in Gestalt parteipolitisch besetzter Rundfunk- und Verwaltungsräte. Beispielhaft dafür ist die Nichtverlängerung des Beschäftigungsvertrages des damaligen ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender, die seinerzeit auf das Betreiben des hessischen Ministerpräsidenten erfolgte. Zwar hat im Nachgang das Bundesverfassungsgericht am 25. März 2014 eine Entscheidung zur staatsfernen Besetzung gefällt; allerdings wurde auch danach noch von Fällen politischer Einflussnahme auf die journalistische Arbeit im ÖRR berichtet. Außerdem ist es erst jüngst zu einem bemerkenswerten Vorfall im Kinderfernsehen des ÖRR gekommen wie auch in der Freitag-Community berichtet wurde. So wurden in einem Clip von ZDF un.logo infantil verniedlichte Waffensysteme wie u.a. Leopard 2-Kampfpanzer und Marschflugkörper aus unterschiedlichen Ländern mit Kulleraugen und lustigen Gesichtern gezeigt, bei denen sich eine deutsche Taurusrakete darüber beschwert, dass sie wegen Olaf Scholz nicht in die Ukraine geliefert wird. Ganz gleich wie sehr man den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine verurteilen mag, eine Waffenlieferungs-Debatte unter Aufgabe der politischen Neutralität ausgerechnet über den Umweg der Kinder der Beitragszahler zu führen, ist durch nichts zu rechtfertigen und sollte für die Verantwortlichen Konsequenzen haben. Kriegsverharmlosung hat im Kinderfernsehen definitiv nichts verloren.

Notwendigkeit von Faktenchecks

Es unterstreicht allerdings, wie unerlässlich es ist, dass die Medien in ihrem Selbstverständnis als vierte Gewalt, also Kontrollinstanz gegenüber Politik, Staat und Markt, selbst einer Kontrolle unterliegen. Hierzu sind sog. Faktenchecks ein förderliches Mittel, um Falschinformationen, die in und von Medien verbreitet werden, zu identifizieren und richtigzustellen. Sie schaffen damit grundsätzlich erst eine hinreichende Tatsachengrundlage für Gespräche und Entscheidungen des demokratischen Wahlvolks und bringen ein Stück weit die Glaubwürdigkeit der Medien in aus guten oder schlechten Gründen skeptische Teile der Bevölkerung zurück.

Notwendigkeit des Faktenchecks der Faktenchecks

Da aber Faktenchecks politisch instrumentalisiert werden können unter Ausnutzung der von ihnen ausgehenden Ausstrahlung erhabener Korrektur-Autorität, können sie selbst keinen Anspruch einer allerletzten Überprüfungsinstanz überzeugend geltend machen. Auch der Gesichtspunkt der Fallibilität des Menschen spricht für diese Schlussfolgerung. Das Unterlaufen von Fehlern ist menschlich und auch in Faktenchecks möglich; zumal bei vielen Sachverhalten kein so vollständiger und eindeutiger Tatsachenbestand ermittelbar ist, dass man auf jedwede subjektive Wertung zu verzichten vermag. Ein prominentes Beispiel für einen fehlgeschlagenen Faktencheck findet sich etwa in den öffentlich-rechtlichen Medien bei einer Hart-aber-Fair-Sendung zum Thema Ukrainekrieg, die bei Übermedien näher analysiert wird. In besagter Sendung schritt der Moderator Louis Klamroth (der sich laut dem Übermedien-Autor Stefan Niggemeier so gerierte wie ein Schiedsrichter “der ein Spiel abpfeift, um ein klares Foul zu ahnden“) bei einer Aussage der Politikerin Sahra Wagenknecht ein und versuchte ihre Aussagen mit einem Faktencheck-Video und dem offiziellen Faktencheck nach der Sendung zu korrigieren. Nach dem Auftauchen nicht berücksichtigter UN-Berichte musste der Faktencheck aber dann letztlich selbst korrigiert werden. Der selbstüberzeugte Bloßstellungsversuch des Moderators durch Rekurs auf vermeintlich vollständig gecheckte Fakten endete mithin in einer fatalen Selbstbloßstellung.

Konzept

Vor diesem Hintergrund soll die neue Blogreihe auch Faktenchecks zum Prüfgegenstand haben. Da sie allerdings nicht hierauf beschränkt ist, sondern alles wie ganz normale Faktenchecks überprüfen kann, muss zu dem Namen angemerkt werden, dass er insoweit eine Hybris darstellt, ja ein den marktkonformen Zuständen entsprechender Superlativ ist, der die Klaviatur der Aufmerksamkeitsökonomie ironisch bis kalkuliert bespielen will, um sie mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Denn nur eine vernommene Kritik kommt auch an. In diesem Sinne sind alle Mitforisten – besonders die mit einschlägiger Expertise – dazu eingeladen, wenn sie auf medial transportierte Fehler oder Stimmungsmache stoßen, diese nicht einfach so stehenzulassen, sondern unter der Rubrik Faktencheck der Faktenchecks mitzubloggen und mitzukorrigieren und gemeinsam auf Zeitungsentenjagd zu gehen, da es sich vom Konzept her abermals um ein Open-Blog handelt. Angestrebt wird damit eine Demokratisierung der Faktenchecks im Wege einer ergänzenden Bottom-up-Autorenschaft.

Auf dass in diesem wie in allen medialen Bereichen bloße Stimmung der Stimmigkeit weiche.