EZB-Ratsmitglieder zeigen Zinsperspektive hinauf

Nach der Zinssenkung der Europäischen Zentralbank am Donnerstag senden ihre Direktoren unterschiedliche Botschaften über die künftige Zinspolitik. Die deutsche Direktorin Isabel Schnabel wollte wegen der unsicheren Entwicklung der Preise im Euroraum nicht sofort weitere signalisieren. „Noch ist der Ausblick über die zukünftige Inflationsentwicklung allerdings zu unsicher, um weitere Zinsschritte in Aussicht stellen zu können“, sagte Schnabel am Freitag auf einer Veranstaltung in Berlin laut Redetext.

Die EZB hatte erstmals seit fast fünf Jahren wieder die Zinsen gesenkt. Den am Finanzmarkt maßgeblichen Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken von Geld bei der Notenbank erhalten, verringerte sie auf 3,75 Prozent von bisher 4,00 Prozent.

Ratsmitglied Gediminas Simkus dagegen sieht für dieses Jahr noch weiteren Spielraum, um die Geldpolitik weiter zu lockern. Die Daten zeigten deutlich, dass die allgemeine Teuerung auf das von der EZB angestrebte Zwei-Prozent-Ziel zusteuere, sagte der Chef der litauischen Zentralbank am Freitag. Das Lohnwachstum sei zwar weiterhin hoch. Indikatoren signalisierten jedoch, dass es in den kommenden Monaten nachlassen werde.

Die Bundesbank hält die Entscheidung für konsequent

Aus Sicht von Bundesbank-Präsident Joachim Nagel war die Zinssenkung eine folgerichtige Entscheidung. „Für mich war der Zinsschritt gestern konsequent“, sagte Nagel am Freitag auf einer Veranstaltung in Berlin. Die Tendenz stehe, dass die Inflationsraten zurückgingen. Die EZB sei zudem auch nach der Zinssenkung immer noch restriktiv unterwegs. Unter einer restriktiven Geldpolitik wird ein Notenbank-Kurs verstanden, durch den eine Volkswirtschaft gebremst wird.

Aus Sicht von Nagel war die Zinssenkung keine voreilige Entscheidung. „Der Ausblick ist so, dass die Inflationsraten im Jahr 2025 und 2026 bei unserem Inflationsziel, unserem Preisstabilitätsziel von zwei Prozent ankommen werden.“ Klar sei aber auch, dass die EZB sich immer wieder die neue Datenlage anschauen werde. „Wir sind jetzt nicht auf einem Autopiloten unterwegs.“ Es gebe keinen Automatismus, dass nach der ersten Zinssenkung unmittelbar weitere folgen müssten.

Schnabel warnte zudem davor, dass fehlende Haushaltsdisziplin der Euro-Länder dazu führen könne, dass der Handlungsspielraum der EZB kleiner werde. Die Politik müsse konjunkturell günstige Zeiten zur Konsolidierung nutzen, notwendige Investitionen priorisieren und mit Strukturreformen flankieren, forderte die deutsche Volkswirtin. Aktuelle Prognosen lieferten aber Grund zur Besorgnis.

Manche staatliche Stützungsmaßnahmen der vergangenen Krisenjahre seien nicht vollständig zurückgenommen worden. „Das Ausbleiben fiskalischer Konsolidierung trotz hoher Schuldenstände steht den Bemühungen der Geldpolitik im Weg und erhöht das Risiko fiskalischer Dominanz“, warnte sie. Eine zukunftsorientierte Fiskalpolitik sei zwingende Voraussetzung für die Wahrung der Unabhängigkeit der Geldpolitik.

Source: faz.net