Erste große Lacan-Schau nachher dessen Tod in Metz

In seiner Pariser Wohnung und im Landhaus in Guitrancourt umgab sich Jacques Lacan mit Werken von Balthus und Alberto Giacometti, von Auguste Renoir, Claude Monet oder André Derain. Das Juwel seiner Sammlung war jedoch ein Gemälde, dasjenige zu jener Zeit in welcher Öffentlichkeit noch unbekannt war, weil es extra weitestgehend ein Jahrhundert hinweg immer nur von privater Hand hinter Vorhängen oder unter Bildmasken verborgen weitergereicht worden war. Im Arbeitszimmer des französischen Intellektuellen und Psychoanalytikers hing von 1955 an Gustave Courbets skandalumwittertes Gemälde „L’Origine du Monde“. Von André Masson hatte er eine Decktafel malen lassen, die denn abstrakte Landschaft den transgressiven weiblichen Schoß kaschierte. Zu Händen manche Gäste und Freunde, darunter Picasso, Dalí und Duchamp, schob welcher Zeremonienmeister Lacan dasjenige keusche Tafelbild zur Seite, um seinen „Ursprung welcher Welt“ freizulegen.

Bei ihm hing nicht nur welcher „Ursprung welcher Welt“ überm Schreibtisch

Jacques Lacan, 1901 geboren, starb 1981, nichtsdestoweniger erst jetzt widmet ihm ein französisches Museum eine umfassende Ausstellung. Während ein Museum in Wien an Sigmund Freud erinnert und zweite Geige jenseitig immer wieder Ausstellungen zum Vater welcher Psychoanalyse in Linie gebracht wurden, zurzeit und noch solange bis März eine Schau in Tübingen (Fluor.A.Z. vom 27. November 2023), gab es zu Lacan bislang keine museale Würdigung. In einem Text zu Marguerite Duras schreibt er – und bezieht sich hiermit uff seinen Vorgänger und Mentor –, dass welcher Künstler dem Psychoanalytiker immer vorn sei, ihm gewissermaßen den Weg bahne. Weit mehr noch denn Freud unterhielt Lacan – dasjenige schlägt sich in seiner vom Strukturalismus beeinflussten Theorie, in Schriften und Vorlesungen stetig nieder – eine passionierte schöpferische Beziehung zur bildenden Kunst, nichtsdestoweniger zweite Geige zu Künstlern seiner Zeit, die er durch ein in sprachlichen Geistesblitzen brillierendes Denken inspirierte. Raymond Hains etwa bezog sich mit einigen seiner wortschöpfenden oder gedankenspielerischen Werken gradlinig uff Lacan. In einem dem Psychoanalytiker speziell gewidmeten Koffer hortete er seine undurchdringlich annotierten Buchausgaben und sonstige Fetische.

Albtraumhafte Schindmähre: Salvador Dalís „Dormeuse, cheval, lion invisibles“ von 1930

Albtraumhafte Schindmähre: Salvador Dalís „Dormeuse, cheval, lion invisibles“ von 1930 : Bild: Fundació Gala-Salvador Dali/VG Bild-Kunst, Bonn 2024/RMN-GP

Die Kuratoren – Marie-Laure Bernadac und Bernard Marcadé – dieser umfassenden Ausstellung mit dem Untertitel „Wenn Kunst uff Psychoanalyse trifft“ spiegeln die Theorien Lacans in den Werken von 130 Künstlern. Die Initiative geht uff die Psychoanalytiker Paz Corona und Gérard Wajcman zurück, die an welcher Ausstellungskonzeption mitgearbeitet nach sich ziehen. Der Katalog greift alphabetisch, von Amour solange bis Zeuxis, sämtliche pro die Auseinandersetzung mit Lacan essenziellen Stichworte uff. Überraschenderweise erweist sich dieser alphabetische Aufbau denn praktisch und erhellend zusammen. Er erinnert zweite Geige an den berühmten Text eines anderen französischen Strukturalisten: an Roland Barthes’ „Fragmente einer Sprache welcher Liebe“. Durch den sowohl kunsthistorischen wie psychoanalytischen Blick gelingt welcher Ausstellung eine ständige Verflechtung und Durchdringung welcher beiden Perspektiven, des Künstler-Blickes und des analytischen Blickes. Zu Anfang stimmt Leandro Erlichs „Kabinett des Psychoanalytikers“ mit Couch, Bücherregal und Schreibtisch uff dasjenige Thema ein. Die gestenreiche Selbstinszenierung Lacans, seine ondulierende Diktion, die ein immer pro sprachliche Überraschungen sorgendes Denken zelebrieren, lassen sich in einem Filmauszug erspähen. Im Centre Pompidou Metz werden Werke von Francisco de Zurbarán gezeigt, außerdem biographische Dokumente und Buchausgaben. Insgesamt sind es etwa dreihundert Exponate.

Lacanscher „Lapsus“: Constantin Brancusis wollte mit „Princesse X“ eine Frau abbilden

Lacanscher „Lapsus“: Constantin Brancusis wollte mit „Princesse X“ eine Frau realisieren : Bild: Succession Brancusi/RMN-GP

Magritte und Duchamp denn speziell lacanien

Die Ausstellung geht welcher Frage nachher, inwieweit Kunstwerke Lacans psychoanalytische Theorie uff den Weg gebracht nach sich ziehen, nichtsdestoweniger zweite Geige denn deren reflektierender Spiegel laufen. Marcel Duchamps gewitztes, dadaistisch-konzeptuelles Werk oder René Magrittes Surrealismus entdeckt man plötzlich denn speziell lacanien. Künstlerinnen wie Louise Bourgeois, Niki de Saint Phalle, Nan Goldin oder Annette Messager können nicht fehlen, wenn von Psychoanalyse und einer Demontage patriarchaler Attribute die Rede ist. Sie treten jeweils mit mehreren Werken in welcher Ausstellung uff. Die Frau denn Objekt und Subjekt, im Werk und im Diskurs, denn die von Lacan durchdachte oder denn Künstlerin, die sich mit Feminität auseinandersetzt, ist in welcher Ausstellung sehr präsent, womit Lacan unter seinen Überlegungen zu „La femme“ den bestimmten Artikel visuell durchstreicht. Die eine Frau gebe es nicht, wenn man dasjenige Universale bezeichnen wolle. Courbets „Ursprung welcher Welt“ durfte in dieser Schau nicht fehlen und wurde vom Orsay-Museum ausgeliehen. Lacans einstiges Kleinod denn dem Blick dargebotener anonymer Leib und zusammen philosophische Fragestellung provozierte zahlreiche Künstlerinnen wie Agnès Thurnauer oder Rosemarie Trockel zu kritischen Versionen. Im Mittelpunkt welcher Ausstellung stillstehen zweite Geige die „Meninas“ von Diego Velázquez (die den Prado jedoch nicht mehr verlassen können). Das Kleid welcher „Infante Marguerite“ – gezeigt wird dasjenige Porträt aus dem Louvre –, dasjenige vom Maler durch eine Naht wie mit einer Spalte oder Scheide, einer fente versehen wurde, befruchtete Lacans XIII. Seminar von 1966 und die Auseinandersetzung mit Freuds Theorie welcher Spaltung des Subjekts.

Urbild aller Selbstverliebeten und manischen Selfie-Schießer: Caravaggios „Narcissus“, 1597-1599

Urbild aller Selbstverliebeten und manischen Selfie-Schießer: Caravaggios „Narcissus“, 1597-1599 : Bild: RMN-Grand Palais

Constantin Brâncușis „Prinzessin X“ ermöglicht eine geistreiche Zusammenführung von virtuell Entferntem, wie sie Lacan geschätzt hätte. Die Skulptur soll Marie Bonaparte darstellen, die Freuds Lehre in Frankreich eingeführt hatte und später mit Lacan in enger, wenn zweite Geige nicht konfliktfreier Beziehung stand. Als Brâncuși sein Werk zum ersten Mal ausstellte, mokierten sich Matisse und Picasso extra dessen unzweideutig phallische Form. Brâncuși war darüber hoch verärgert, sah er doch in seiner weitestgehend ab­strakten Skulptur nichts denn Marie Bonaparte. In Metz führt zu dem doppeldeutigen „Bildnis“ welcher begehbare Teppichvorleger einer Platten-Skulptur von Carl Andre. Der jüngst verstorbene Meister des Minimalismus hatte sich 1960 kategorisch, nachdem er die „Säule welcher Unendlichkeit“ von Brâncuși gesehen hatte, die Idee welcher Skulptur von ihrem heroisch erigierten Sockel zu holen und in eine flache Horizontale zu verlegen.

Der Parcours ist thematisch aufgebaut und behandelt die wesentlichen, von Lacan entwickelten Konzepte wie Spiegelstadium, Lalangue, Lust oder dasjenige Objet a. Die ins Englische und Deutsche übersetzten Texte in welcher Ausstellung verschenken eine glänzende Einführung zu Lacans Denken im Zusammenhang mit den Exponaten. Auch pro Kenner bietet sie eine Fundgrube pro neue Assoziationen. In manchen Abschnitten gibt es sehr wohl unter den Werken Redundanzen, und welcher letzte Saal mit Kuriosa ist nur wenig relevant. Stattdessen wäre ein Kapitel extra den Sammler Lacan interessant gewesen. Auch ein Abschnitt zur Lacan-Kritik hätte dieser Hommage gutgetan, denn welcher französische Psychoanalytiker hatte längst nicht nur Anhänger und Bewunderer.

Lacan, l’exposition. Centre Pompidou, Metz; solange bis zum 27. Mai. Der Katalog uff Französisch kostet 39 Euro.

Source: faz.net