Erderwärmung und Erdrotation: Möge die Macht jener Klimakrise mit dir sein!

Mehr Zeit, wünschen wir uns das nicht alle? Ich kann Ihnen verraten, wir wurden erhört – nur aus einer überraschenden Ecke. Denn es ist ausgerechnet die Klimakrise, die uns mehr Zeit schenken wird. Und da ist dann auch gleich der Haken: Will man in einer Krise mehr Zeit haben oder will man nicht viel eher, dass sie einfach schnell vorbei ist?

Tja, wir werden es uns nicht aussuchen können, denn diese Krise schreibt ihre eigene Zeit, und die wird eben länger sein, jeden Tag. Mit unserem massenhaften Ausstoß von Kohlenstoffdioxid und Methan verursachen wir nämlich nicht nur den Treibhauseffekt, der wiederum höhere Temperaturen zur Folge hat. Wir verformen außerdem den Planeten. Wie das?

Die Erwärmung bringt das Eis in den Polargebieten zum Schmelzen, das sich in Wasser verflüssigt auf die Weltmeere verteilt. Und dieses Wasser fließt weg von den Polen in Richtung Äquator. Die Massenverteilung der Erde verändert sich also, unser Planet wird gewissermaßen dicker. Das hat Auswirkungen auf die Erdrotation, sie verlangsamt sich. Und das heißt: Die Tage werden länger.

Stärker als der Mond

Okay, der Effekt ist sehr klein: In den vergangenen zwei Jahrzehnten sind die Tage klimabedingt um durchschnittlich 1,33 Millisekunden länger geworden. Das errechnete ein Forscherteam rund um den Geoforscher Mostafa Kiani Shahvandi von der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich.

Die Forscher wagen auch einen Blick in die Zukunft – die natürlich maßgeblich davon abhängt, wie viel Treibhausgase wir in nächster Zeit noch so in die Atmosphäre blasen. Im Falle des „Weiter-so-Szenarios“ des Weltklimarates würden die Tage ab dem Jahr 2100 um 2,62 Millisekunden pro Jahrhundert länger werden.

Das klingt jetzt erst mal nicht so krass, dieser Effekt wäre aber größer als der des Mondes. Der wirkt mit seiner Schwerkraft ziemlich stark auf die Erde ein und verursacht damit Ebbe und Flut. Der Mond verlangsamt aber auch die Erdrotation, und zwar um 2,4 Millisekunden pro Jahrhundert.

Das Ergebnis von Mostafa Kiani Shahvandi und seinen Kollegen reiht sich ein in eine Reihe anderer besorgniserregender Funde: Forschende fanden heraus, dass wir mit der Umverteilung des Wassers auch die Rotationsachse der Erde verschieben und mit unseren Emissionen schrumpfen wir die Erdatmosphäre. Das sind Dinge, die sich sonst über einen Zeitraum von Milliarden Jahren verändern. Wir machen das in hundert Jahren.

Nun nehmen wir es also mit der Macht des Mondes auf – Star Wars mal anders.

Forst und Wüste

Svenja Beller ist freie Journalistin und Buchautorin. Für den Freitag schreibt sie die Kolumne „Forst und Wüste“ über Klimapolitik, Umweltschutz und was sonst noch alles schief geht. Seit einem Jahr berichtet sie im Team „Blue New Deal“ darüber, wie der Ozean noch zu retten ist. Im Sommer erscheint der dazugehörige Podcast