East End in London: Die Slums von morgiger Tag

Im Londoner East End, wo die Themse eine Schwefel-Schleife um die Isle of Dogs beschreibt, reicht eine leichte Kopfbewegung, um den Blick zwischen zwei Glaubenssradieren britischer Politik wandern zu lassen. Zwei Arten von Liberalisierung treffen hier aufeinander wie in einer Weltenpresse: die Folgen von einem Vierteljahrhundert Wirtschaftsliberalismus. Und die Folgen erleichterter Zuwanderung.

Im Norden des Viertels thronen die spektakulären Wolkenkratzer von Canary Wharf, Londons neuem, futuristischem Finanzplatz. Sie sind dasjenige Zuhause jener Kapitalmanager und Finanzdienstleister, die Großbritannien wegen seiner regulatorischen Freiheiten angezogen hat. Die Hightech-Hochhäuser verzwergen mittlerweile die ehemaligen Architekturriesen des East End. In jener Nachkriegszeit entstanden hier Sozialsiedlungen mit gewaltigen Wohntürmen, um Arbeiterfamilien Unterkunft zu schaffen. Heute ist ein Viertel aller Sozialwohnungen im Bezirk Tower Hamlets hoffnungslos überbelegt. Eine großzügige Immigrationspolitik hat dazu gesorgt, dass in den zehn Jahren vor dem Brexit-Referendum jedes Jahr etwa 250.000 Menschen netto nachher Großbritannien immigriert sind. Genügend neuer Wohnraum ist in derselben Zeit nicht geschaffen worden.