Druckereien: „Zahl könnte sich halbieren“ – dasjenige Aussterben deutscher Druckereien – WELT
Elf Tage im Mai und im Juni haben ausgereicht, um die Bilanz des weltgrößten Druckmaschinenherstellers Heidelberger Druck entscheidend zu verbessern. An diesen elf Tagen hat in Düsseldorf die Drupa stattgefunden, die mit diesmal 1640 Ausstellern und 170.000 Besuchern international führende Messe für die Druck- und Druckmedienindustrie.
Und dort hat Heidelberg so viele Bestellungen verbucht, dass sich der zuletzt darbende Auftragseingang erholt hat, wie der S-Dax-Konzern meldet. Das führe nun auch zu einer besseren Auslastung der Produktionskapazitäten zum Start des neuen Geschäftsjahres 2024/2025. „Die Kurzarbeit an den deutschen Standorten wird deswegen noch im Juni beendet“, heißt es vom Unternehmen.
Seit dem vergangenen Herbst plagt Heidelberger Druck eine eher schwache Marktentwicklung. Wobei die Zurückhaltung der Kunden auch mit der nur alle vier Jahre stattfindenden Drupa zusammenhängen dürfte, stellt doch die Branche dort ihre Neuheiten und Innovationen vor. Und darauf dürften viele Druckereien gewartet haben.
Denn eigentlich geht es der Druckindustrie gut, jedenfalls global betrachtet. „Die Branche ist hochgradig relevant und sie wächst“, sagt Thomas Schiemann, der Geschäftsführer des Fachverbands Druck- und Papiertechnik im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Auf fast 840 Milliarden Euro schätzt er den weltweiten Umsatz. Und bis 2028 sollen die Erlöse inflationsbereinigt noch einmal um jährlich gut zwei Prozent wachsen.
Getragen wird diese Entwicklung vor allem durch den Etiketten- und den Verpackungsdruck. „In den Schwellenländern steigt der Wohlstand und damit die Nachfrage nach Verpackungen“, erklärt Schiemann.
Deutschland fällt im internationalen Vergleich etwas ab. „Hier steckt der Markt in einer umfassenden Konsolidierung“, sagt Kerstin Hommelhoff, die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands Druck und Medien (BVDM). 2023 habe es bundesweit alleine 50 Schließungen oder Übernahmen von Druckereien gegeben.
Übrig sind jetzt noch 6900 Betriebe mit 110.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 17,6 Milliarden Euro. Die große Mehrheit der verbliebenen Anbieter sind Kleinunternehmen. So haben laut BVDM 90 Prozent der hiesigen Druckereien weniger als zehn Mitarbeiter.
Ein Gutteil davon wird ebenfalls noch verschwinden, prognostizieren Branchenexperten. „Die Zahl könnte sich sogar halbieren“, glaubt Werner Drechsler, der geschäftsführende Gesellschafter der Druckstudio-Gruppe aus Düsseldorf, einem Premiumanbieter unter den deutschen Druckereien. Wobei das Verschwinden von Unternehmen nicht automatisch auch ein Schrumpfen des Druckvolumens bedeuten muss.
BVDM-Vertreterin Hommelhoff bleibt jedenfalls zuversichtlich. „Print wird es immer geben“, sagt die Verbandschefin. Ohne Print gehe gar nichts. „Deutschland hat nach wie vor den größten Zeitungsmarkt Europas, Mailings sind das wichtigste Marketinginstrument des Handels und der Markt der Verpackungen wächst“, erklärt Hommelhoff. Jeder Supermarkt sei eine Leistungsschau der Druckindustrie. Zudem sieht sie einen Trend in Richtung hochwertiger Druck-Produkte.
Nachhaltigkeit als Erfolgsgarant
Die Druckstudio-Gruppe kommt jedenfalls gut zurecht, sehr gut sogar. „Die vergangenen drei Jahre waren jeweils die besten der Firmengeschichte“, sagt Inhaber Drechsler. Das Familienunternehmen hat allerdings auch ein Alleinstellungsmerkmal, wie bislang nur wenige andere im Markt. „Wir produzieren seit 2012 klimaneutral“, beschreibt Drechsler.
Damals habe das praktisch niemanden interessiert, heute ist es ein Wettbewerbsvorteil.“ Und das, obwohl der 50-Mitarbeiter-Betrieb mit zuletzt gut zehn Millionen Euro Jahresumsatz einen hohen sechsstelligen Betrag in das Thema Nachhaltigkeit und die entsprechenden Zertifizierungen investiert hat. „Zu uns kommen mittlerweile Konzerne wie Telekom, Volkswagen oder Porsche und lassen hier Geschäftsberichte, Imagebroschüren oder Bücher drucken, die dann als klimaneutral deklariert werden können. Das ist für die Unternehmen zunehmend wichtig.“
Kaum verwunderlich also, dass Nachhaltigkeit auf der gerade beendeten Drupa zu den zentralen Trends und Themen gehört hat, ebenso die Digitalisierung und Automatisierung. Letzteres ist wichtig, weil die Druckindustrie immer stärker unter einem Arbeits- und Fachkräftemangel leidet. Schon jede zweite Druckerei klagt über Personalprobleme, zeigt eine aktuelle Umfrage im Auftrag von Heidelberger Druckmaschinen, an der rund 700 Betriebe teilgenommen haben.
Der Branchenführer hofft nun, dass durch die zunehmende Technisierung in der Branche und der Einsatz von Robotik und KI die Arbeitsplätze interessanter werden für die jungen Generationen. Bei der Modernisierung der Branche kommt es auch zu Kooperationen und Partnerschaften. „Traditionelle Branchenführer präsentierten vielfältige digitale Lösungen, digitale Pioniere integrierten konventionelle Komponenten in ihr Angebot“, heißt es dazu von Drupa-Veranstalter Messe Düsseldorf.
Heidelberger Druck zum Beispiel arbeitet künftig mit Canon zusammen, das haben die beiden Konzerne kürzlich bekannt gegeben. Vereinbart wurde eine globale Vertriebs- und Servicekooperation für sogenannte Inkjet-Bogen-Druckmaschinen. Bestellungen im mittleren zweistelligen Bereich für das neue System Jetfire 50 seien auf der Drupa bereits eingegangen.
Source: welt.de