Donald Trump in Davos: Europa sucht den Trump-Spirit
Skurril sieht das aus, wie Donald Trump auf der riesigen Videoleinwand über allem zu schweben scheint – an seinem Pult mit Präsidentenadler, während unter ihm auf der Schweizer Bühne die vier Chefs der größten Konzerne Europas und der USA sitzen, darunter Blackstone-Chef Steven Schwarzman und der Chef der Bank of America, Brian Moynihan. Zwanzig Minuten lang hat Trump den Zuhörern auf der Weltwirtschaftskonferenz in Davos gerade voller Stolz gesagt, was er alles in den ersten drei Tagen seiner Amtszeit bereits entschieden habe, bis er den Finger in die Wunde legt: „Die EU muss schneller werden, so kann sie nicht mithalten.“
Er selbst habe schlimme Erfahrungen gemacht, als er als Immobilienentwickler in Irland einmal ein Projekt realisieren wollte. Das Go der irischen Regierung habe er in einer Woche gehabt, die Genehmigung aus Brüssel hätte fünf bis sechs Jahre dauern sollen. „Da habe ich realisiert: Die EU hat ein Problem.“
In seiner ersten Rede, mit der sich der neue US-Präsident per Videoschalte aus Washington nicht nur an das Publikum in Davos, sondern an die Weltöffentlichkeit wendet, arbeitet Trump sich an Europa ab. Die EU behandele Amerika „sehr, sehr unfair und sehr schlecht“. Europa kaufe keine landwirtschaftlichen Produkte und Autos aus den USA, schicke zugleich aber Millionen Autos in die USA. „Ich versuche, konstruktiv zu sein, denn ich liebe Europa“, sagt der 78-Jährige. Aber es sei wirklich mühsam. Zugleich geht Trump vor der versammelten Wirtschaftselite, die ihm wohlwollend lauscht, auf Werbeshow: „Kommen Sie und stellen Sie Ihr Produkt in Amerika her.“ Seine Regierung werde Unternehmensansiedlungen die niedrigsten Steuern aller Nationen der Welt bieten. Und schiebt direkt hinterher: „Aber wenn Sie Ihr Produkt nicht in Amerika herstellen – was Ihr Recht ist – dann müssen Sie ganz einfach einen Zoll zahlen.“
Die Botschaften sind präzise gesetzt. Das ändert sich erst, als vier Konzernchefs auf der Davoser Bühne vorbereitete Fragen an den Präsidenten richten. Trump mäandert wie so oft, kommt von der Deregulierung zu China, Russland und dem mörderischen Krieg auf den ukrainischen Feldern. Mancher Zuhörer lacht leise. Doch ansonsten hören die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gebannt zu. Endlich redet der Mann, um den sich diese Woche alles dreht.
Trump ist wieder da, nach vier Jahren Abwesenheit in Davos. Und er hat das diesjährige Weltwirtschaftsforum aus der Ferne dominiert wie wohl kein anderer US-Präsident zuvor. Ob in Dutzenden Veranstaltungen im Kongresszentrum, auf Luxus-Dinnern oder Partys in den Hotels: Trump und sein fulminant-brachialer Amtsantritt ist das große Thema. Die Hochachtung mancher Wirtschaftsvertreter ist enorm, die Hoffnung auf neue Geschäfte ebenso. Und gleichzeitig kommt ganz oft die bange Frage, wie Europa auf die amerikanische Herausforderung reagieren kann.
Trump, der Star in Davos
Trump, heute der Star in Davos, hat ein spezielles Verhältnis zum Weltwirtschaftsforum (WEF). 2018 ließ der Forumsgründer Klaus Schwab ihn mit Musikkapelle auf der Bühne begrüßen, er war schließlich der erste US-Präsident, der nach 17 Jahren wieder nach Davos reiste. Der Trump von damals klingt aus heutiger Sicht fast versöhnlich: „Amerika first bedeutet nicht: Amerika allein“, sagte er damals. Es war die Zeit, als ihn Firmenchefs wie der damalige Siemens-Chef Joe Kaeser hofierten und bei einem legendären Dinner für seine Steuersenkungen lobten. Zwei Jahre später, 2022, dominierten Greta Thunberg und das Thema Klimaschutz das Treffen des Weltwirtschaftsforums. Trump ignorierte das, lieber schwärmte er in seiner Rede davon, wie sehr die US-Wirtschaft von seiner Deregulierung profitiere.
Sichtlich genoss er schon damals den Trubel um ihn – wie auch jetzt. Sich eine Videoschalte beim Weltwirtschaftsforum auszuverhandeln, ist bislang noch keinem Regierungschef gelungen. Da ist es für den Moment fast egal, dass Trump den jährlichen Zirkus in den Schweizer Alpen gleichzeitig verachtet, schließlich steht das WEF für Multilateralismus, Kooperation, einem Bekenntnis zum Klimaschutz und dem Streben „nach einer besseren Welt“, wie es von sich selbst sagt. Schon 2016 geißelte Trump als Präsidentschaftskandidat in Werbespots die „globalen Machtstrukturen“ des Forums.
Und 2025? Mit seinen Dutzenden Dekreten direkt nach Amtsantritt hat der neue US-Präsident bei der Wirtschaftselite einen Nerv getroffen. Die Aufbruchstimmung wollen diese Woche viele Chefs nutzen. Stefan Schaible, CEO der Unternehmensberatung Roland Berger, spricht für viele, wenn er am Rande des Forums der ZEIT sagt: „Der Reformdruck ist enorm gestiegen. Es macht jetzt keinen Sinn, als Europäer zu sagen, man will das alles nicht.“ Wachstum zu fördern und Bürokratie abzubauen, das sei die Aufgabe für Europa. Mit dem neuen Präsidenten komme – trotz aller Herausforderungen für Europa – Hoffnung auf, dass Klarheit herrscht und sich wirklich etwas verändert. „Das spüre ich auch hier in Davos“, sagt Schaible, „und diesen Spirit der Veränderung brauchen wir.“