Die Steuerschätzung rettet die Ampel nicht

Bund, Länder und Gemeinden bekommen die Folgen der schwachen Konjunktur zu spüren. Ihre Steuereinnahmen leiden. Der zuständige Arbeitskreis schätzt, dass sich das Steueraufkommen weniger erhöht als noch im Mai erwartet. Konjunkturbedingt sollen diese Einnahmen bis 2028 um insgesamt 51,3 Milliarden Euro weniger zulegen als gedacht. Steuerrechtsänderungen kommen verschärfend hinzu. Dieser Effekt spielt allerdings keine allzu große Rolle, da so manches Vorhaben der Koalition noch in der Gesetzgebung feststeckt, sodass es nach den üblichen Regeln in der Steuerschätzung noch nicht eingearbeitet werden konnte. Allerdings wurde die Wachstumsinitiative in den gesamtwirtschaftlichen Annahmen berücksichtigt, die wiederum der Steuerschätzung zugrunde gelegt wurden, obwohl diese zu einem großen Teil noch nicht verwirklicht ist. Für das Jahr 2028 sagen die Schätzer nun ein Steueraufkommen von 1097,1 Milliarden Euro statt wie im Mai 1110,5 Milliarden Euro voraus.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) mahnte bessere Wachstumsbedingungen an, als er von Washington aus das Ergebnis der Steuerschätzung verkündete. „Wir können uns nicht darauf verlassen, dass die Steuereinnahmen stetig sprudeln“, sagte er. Deutschland brauche wirtschaftliches Wachstum. „Es ist höchste Zeit, dass wir uns um das kümmern, was unser Land wieder auf die Erfolgsspur bringt: Eine echte Wende hin zu mehr Dynamik.“ Neue Spielräume im Haushalt ergeben sich nach den Worten des FDP-Politikers nicht. „Im Gegenteil: Wir werden zusätzlich konsolidieren müssen. Nicht jede staatliche Leistung wird noch möglich sein.“

Der Bund kommt in diesem und im nächsten Jahr relativ glimpflich davon, obwohl auch seine Steuereinnahmen unter der schlechten Wirtschaftslage leiden. Er profitiert davon, dass er von seinen Steuereinnahmen weniger an die EU abführen muss. Doch alles in allem erleichtert das Ergebnis nicht die Aufgabe der Koalition, die Kreditaufnahme im nächsten Jahr im Rahmen der Schuldenregel zu halten. Bis Mitte November wollen SPD, Grüne und FDP abschließend klären, wie viel Geld der Bund für was ausgeben darf. Zwar erlaubt die schlechtere Konjunkturlage eine höhere Neuverschuldung, aber mit der Rezession dürften Sozialausgaben wie das Bürgergeld und die Kosten der Unterkunft steigen. Schon vor der jüngsten Steuerschätzung galt die sogenannte Bereinigungssitzung des Bundestags-Haushaltsausschusses am 14. November als eine Klippe, an der die Ampelkoalition zerschellen könnte.

Im Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2025 sind Steuereinnahmen von 388,2 Milliarden Euro eingeplant. Nun könnte es mit 389,7 Milliarden Euro ein Hauch mehr werden. Für Mindereinnahmen infolge von Steuerrechtsänderungen hat die Koalition eine Vorsorge getroffen. In diesem Zusammenhang ist nicht zuletzt das Gesetz relevant, mit dem der Steuertarif verschoben werden soll, um die schleichende Mehrbelastung infolge der Inflation zu korrigieren. Doch das hängt noch im Bundestag fest – und ist deswegen nicht in der Steuerschätzung berücksichtigt worden.

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Weil die Ampelkoalition den Rahmen der Schuldenregel ausgeschöpft hat, könnte es im November eng werden. Im Juli plante die Regierung eine Kreditaufnahme von 43,8 Milliarden Euro für 2025 ein, einen Monat später wurden daraus 51,3 Milliarden Euro. Da sich die wirtschaftlichen Aussichten weiter eingetrübt haben, könnten es bald 56,5 Milliarden Euro werden. So atmet die Schuldenregel mit der wirtschaftlichen Lage. Im August bezifferte die Regierung diese Konjunkturkomponente auf 9,8 Milliarden Euro, zuletzt kam Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auf 15 Milliarden Euro: Das sind 5,2 Milliarden Euro mehr als vorher. In diesem Umfang könnte die Koalition höhere Ausgaben etwa infolge steigender Arbeitslosigkeit verkraften. Erschwerend kommt jedoch hinzu, dass sie pauschale Ausgabenkürzungen in ungewöhnlich großem Umfang eingeplant hat. Die meisten Fachleute halten dieses Vorgehen nicht mit den allgemeinen Haushaltsregeln für vereinbar, auch in der Koalition hält man es für geboten, diese „globale Minderausgabe“ zu drücken.

Die Unionsfraktion gibt der Ampelkoalition Schuld an der schwierigen Etatlage. „Drei Jahre Ampelkoalition mit zwei Jahren Rezession hinterlassen deutlich negative Spuren. Das Land ist wie gelähmt“, sagte der CDU-Haushaltspolitiker Christian Haase der F.A.Z. „Deutschland steht vor einem veritablen wirtschafts- und haushaltspolitischen Scherbenhaufen“, betonte der Abgeordnete. Die Haushaltskrise der Ampel ist nach seiner Einschätzung durch die Steuerschätzung nicht beendet. „Die Ampel ist in der Haushaltspolitik weiter im Krisenmodus“, sagte Haase voraus.