Die Politik umwirbt die Bauern

Christian Lindner war am Ende beinahe heiser, so laut musste er am Montag gegen die Geräuschkulisse vor dem Brandenburger Tor anreden. „Ich kann Ihnen heute nicht mehr staatliche Hilfen aus dem Bundeshaushalt versprechen“, rief der Bundesfinanzminister und FDP-Politiker in Richtung der lärmenden Bauernschaft.

Julia Löhr

Wirtschaftskorrespondentin in Berlin.

Die Landwirte seien mit ihrem Protest schon erfolgreich gewesen. Die Landmaschinen würden weiterhin von der Kraftfahrzeugsteuer befreit, „das grüne Kennzeichen bleibt“. Die Vergünstigung für Agrardiesel werde nur schrittweise abgebaut. Ursprünglich wollte die Ampel die beiden Subventionen sofort streichen, um den Bundeshaushalt in diesem Jahr um knapp 1 Milliarde Euro zu entlasten.

Lindner warb darum, gemeinsam nach anderen Wegen zu suchen, die hiesige Landwirtschaft wettbewerbsfähig zu halten. Er nannte zum einen den Abbau von Bürokratie, zum anderen kündigte er an, Verbesserungen in der Einkommensteuer zu prüfen. Der Finanzminister sprach über eine Tarifglättung, wie es sie bis zum Jahr 2022 gegeben habe. Damals wurden die steuerpflichtigen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft über drei Jahre betrachtet. Wenn die so ermittelte fiktive Steuerlast niedriger war als die faktische, wurde für das letzte Jahr dieses Zeitraums die Steuer um diesen Unterschiedsbetrag reduziert. Auch eine steuerfreie Risikorücklage hält der Minister nach eigenem Bekunden für denkbar. Damit könnten dann Landwirte ihre Steuerlast ebenfalls drücken.

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) setzt andere Schwerpunkte. Er brachte in den vergangenen Tagen wiederholt die Einführung einer Tierwohlabgabe auf den Kauf tierischer Produkte ins Spiel. Mit den Einnahmen sollen die Landwirte ihre Höfe umbauen, hin zu mehr Tierwohl und Nachhaltigkeit. Schon wenige Cent mehr je Kilogramm Fleisch würden reichen, sagte Özdemir.

Unterstützung für die Tierwohlabgabe

Unterstützung bekam er von seinen Koalitionspartnern. „Wir sind offen für diese Idee“, sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai nach einer Sitzung des Parteipräsidiums. Aber auch über Bürokratieabbau und Flächenstilllegungen müsse geredet werden. Auch Vertreter der SPD reagierten nicht abgeneigt auf Özdemirs Vorstoß, obwohl dieser Lebensmittel verteuern würde. Eine Tierwohlabgabe sei „der richtige Weg, da es die gerechteste Einbeziehung aller Haltungsformen ist“, sagte Susanne Mittag, ernährungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Bundestag.

Die Idee für eine Tierwohlabgabe ist nicht neu. Im Frühjahr 2020 hatte eine von der damaligen CDU-Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner eingesetzte Expertenkommission dafür plädiert, dass die Landwirte den Großteil der Kosten für den erwünschten Wandel hin zu mehr Klimaschutz und Tierwohl erstattet bekommen sollten. Zahlen sollten dies die Verbraucher: 40 Cent je Kilogramm Fleisch und Wurst, 15 Cent je Kilogramm Käse und Butter sowie 2 Cent je Kilogramm Milchprodukte und Eier schlug die sogenannte Borchert-Kommission vor. 3,6 Milliarden Euro jährlich sollten so zusammenkommen.

Eine von Klöckner in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie kam später zu dem Ergebnis, dass sowohl eine Tierwohlabgabe, eine höhere Mehrwertsteuer für tierische Produkte oder auch ein Tierwohl-Solidaritätszuschlag generell denkbar seien. Die Juristen wiesen aber auch auf europarechtliche Hürden hin.

Der Unterschied zwischen Reden und Handeln

Wenn eine Abgabe sowohl heimische als auch importierte Produkte verteuern soll – was politisch wahrscheinlich das Ziel wäre, um zu verhindern, dass die Verbraucher günstigere Ware aus dem Ausland kaufen –, dürften die Einnahmen nicht allein den deutschen Landwirten zugutekommen, hieß es damals. Klöckner sah davon ab, noch in ihrer Amtszeit einen Vorschlag zur Umsetzung zu machen.

In Umfragen bekräftigen Verbraucher immer wieder, wie wichtig ihnen Nachhaltigkeit ist. In einer vom Landwirtschaftsministerium angestoßenen repräsentativen Umfrage sagten 65 Prozent der Bürger, sie orientierten sich „immer oder meistens“ an einem Tierwohllabel. Marktdaten zeichnen jedoch ein anderes Bild. Der Bioanteil in der Fleischerzeugung liegt weiter in der Nähe von 5 Prozent.

Der Milchindustrie-Verband sprach sich am Montag gegen eine Tierwohlabgabe aus. Er befürchtet einen hohen Verwaltungsaufwand, Nachteile gegenüber ausländischen Wettbewerbern – und dass das Abwälzen der Abgabe auf die Verbraucher am Ende schwierig werde.