Die Britischen Jungferninseln sind ein Segelparadies

Schneeweiße Strände, traumhafte Korallenriffe zum Tauchen und Bars, zu denen man nur schwimmend gelangt – die Britischen Jungferninseln zählen zu den schönsten Urlaubsorten in der Karibik. Sie sind auch ein ideales Revier zum Segeln – was man noch nicht einmal selbst können muss.

Der Hype um Sir Richard Bransons Privatinsel Necker Island begann mit einer Notlüge: 1978 wollte der britische Musikunternehmer eine junge Frau beeindrucken, in die er verliebt war. Der Gründer von Virgin Records behauptete, eine Karibikinsel kaufen zu wollen. Tatsächlich war eine auf dem Markt: Necker Island, ein unbewohntes, etwas ödes Eiland in der Gruppe der Britischen Jungferninseln, östlich von Puerto Rico und gut 1500 Kilometer Luftlinie entfernt von Florida.

Branson flog mit seiner Herzensdame hin zur Besichtigung, obwohl ihm klar war, dass er die geforderten sechs Millionen US-Dollar gar nicht würde aufbringen können. Und eigentlich wollte er auch gar keine Insel kaufen. Um den schönen Schein aufrechtzuerhalten, bot er dem Besitzer spaßeshalber 100.000 Dollar. Der konterte mit 180.000. Das war, verglichen mit den sechs Millionen, ein fetter Rabatt. Und Branson war schon damals ein zu guter Kaufmann, um da nicht ins Überlegen zu kommen. Am Ende kaufte er Necker Island und ließ dort ein luxuriöses Resort hochziehen. Und Joan Templeman, die Dame aus der Geschichte, ist seit 1989 seine Frau.

Nicht nur für den jetzigen Milliardär Branson haben sich die Dinge seither gut entwickelt. Die Britischen Jungferninseln (nicht zu verwechseln mit ihren Cousinen, den Amerikanischen Jungferninseln nebenan) sind heute eines der schönsten und beliebtesten Touristenziele der Karibik.

Schneeweiße Strände, traumhafte Korallenriffe zum Tauchen und Schnorcheln, Felsen zum Klettern und Bars, zu denen man nur schwimmend gelangt – es sieht hier weitgehend so aus wie auf einer Fototapete mit Tropenmotiv. Neben Branson schätzen auch andere Promis wie Schauspieler Morgan Freeman oder Sängerin Beyoncé die Eilande als Feriendomizil.

Segeln passt gut zur Geschichte der Inseln

Vor allem aber kann man auf den Jungferninseln hervorragend segeln. Das ganze Jahr über herrscht eine ziemlich stabile Lufttemperatur von 25 bis 29 Grad, viel besser als im britischen Mutterland. Es gibt stete, nicht zu starke Winde, kurze Entfernungen von Hafen zu Hafen sowie eine gute Infrastruktur an Bootsvermietungen und Yachtclubs – all das machen die BVI, wie die Einheimischen die British Virgin Islands nennen, zu einem paradiesischen Segelrevier.

Fast zwei Drittel der hier ankommenden Touristen landen irgendwann auf einem Boot, auch wenn sie selbst gar nicht segeln können. Das muss auch niemand, denn man kann Boote auch mit Mannschaft mieten.

Segeln passt gut zur Geschichte der Inseln: Der erste Europäer, der hier segelnd auftauchte, war 1493 der portugiesische Entdecker Christoph Kolumbus. Er nannte die Gruppe Santa Ursula y las Once Mil Vírgenes (Sankt Ursula und ihre 11.000 Jungfrauen), später verkürzt zu den Jungferninseln. In den folgenden Jahrhunderten gingen die Eilande zwischen Spaniern, Engländern, Holländern, Franzosen und sogar Dänen hin und her.

Außerdem trieben sich zahllose Piraten herum: Das Inselchen Bellamy Cay etwa wurde nach Samuel „Black Sam“ Bellamy benannt, dem angeblich reichsten Seeräuber aller Zeiten, der gern von dort in See stach. Die Meerenge zwischen den Hauptinseln der BVI heißt Sir Francis Drake Channel, zu Ehren des berühmten Freibeuters.

Britische Jungferninseln machen jeden glücklich

Zeitgenössische Seefahrer starten ihren Törn am besten auf Tortola, der Hauptinsel, wo gut 80 Prozent der Insulaner leben; von den knapp 60 Inseln ist nur ein gutes Dutzend bewohnt. Auf Tortola haben die meisten der gut 30 Charterunternehmen ihre Yachtbasen in der Hauptstadt Road Town, darunter Sunsail, Conch Charters und The Moorings, das mit mehr als 250 Booten zu den größten Anbietern zählt.

Yachtcharter gibt es für alle möglichen Kontostände und Fähigkeiten. Am günstigsten ist die Kategorie „Bareboat“ – sie beinhaltet nur das Schiff, man braucht also einen Segelschein und Erfahrung. Am oberen Ende liegt „Crewed“, inklusive Kapitän, Koch, Verpflegung und manchmal noch einem Steward. Hierfür muss man gar nichts können, aber mehr bezahlen. Dazwischen gibt es „Skippered“, das ist ein Boot mit Schiffsführer, die Gäste müssen mithelfen. Wählen kann man außerdem zwischen Motor oder Segel, Katamaran oder Einzelrumpf, groß oder klein.

Wer Wert auf Komfort legt, achtet darauf, dass Kajaks, Stand-up-Paddle-Boards und Schnorchelausrüstung an Bord sind. Außerdem gibt es Boote mit WLAN, Klimaanlage, großen Kombüsen und Kabinen mit Duschen. Kurz: Jeder noch so blutige nautische Laie dürfte etwas finden, um zu einer Inseltour aufzubrechen. Man sollte sich mindestens eine gute Woche Zeit nehmen, um die schönsten Orte in den BVI abzufahren.

Am besten segelt man von Tortola aus zuerst nach Osten, zur nahegelegenen Insel Virgin Gorda. Wer sich mit so etwas auskennt, wird es wissen, allen anderen sei gesagt: Mit einem relativ kleinen Katamaran durch das kobaltblaue Karibische Meer zu kreuzen, ist mit „traumhaft“ nur unzureichend beschrieben. Am Bug liegen große Sitzsäcke auf einem dicken Netz zwischen den Rümpfen, auf denen man bei jedem Wendemanöver von feiner Gischt übersprüht wird.

Zumindest in der Variante „Skippered“ schreit einen ab und zu der Kapitän an, wenn der Segelbaum über einen hinwegschwenkt und man den Kopf einziehen muss. Ansonsten kann man, muss aber nicht bei den Aufgaben an Bord mithelfen; moderne Boote können von einer erfahrenen Person allein bedient werden.

Speisen mit Blick auf Necker Island von Richard Branson

Auf Virgin Gorda gibt es gleich mehrere der fotogensten Attraktionen der BVI zu besichtigen. Zunächst The Baths, ein Labyrinth aus bis zu zehn Meter hohen Granitblöcken, die Wind und Wellen zu Höhlen, Grotten, Brücken und Gezeitentümpeln geformt haben, durch die man klettern und bisweilen waten kann. Am schönsten ist es, vom Boot aus zum Strand zu schwimmen. Eine der Höhlen ist so groß und hoch, dass sie für Hochzeiten genutzt wird. Auch die Supermodels Heidi Klum und Gisele Bündchen räkelten sich hier schon für Fotoshootings auf dem Gestein.

Ein paar Segelminuten weiter liegt Saba Rock, ein winziges Felseneiland, das fast komplett mit einem Hotel überbaut ist. Zum Wohnen ist es ziemlich teuer, dafür kann man aber fast direkt mit dem Boot zum Restaurant fahren und besten Grillfisch essen. Der Chef vom „Saba Rock Resort“ ist Christopher Winschel, den es aus dem Münchner Hofbräuhaus in die Karibik verschlagen hat, was er Besuchern in hartem Bayrisch auch gern ausführlich erklärt. Außerdem hat man einen hervorragenden Blick auf Eustatia Island gleich nebenan (soll Google-Gründer Larry Pages gehören) sowie auf die Windräder des umweltbewussten Richard Branson auf Necker Island direkt dahinter.

Nur einen Steinwurf entfernt ist die Heimat des „Bitter End Yacht Club“, einem legendären Liegeplatz auf Virgin Gorda seit den späten 1960er-Jahren. Wobei die legendären Teile heute weitgehend an den Wänden hängen: 2017 wurde das Resort von Hurrikan „Irma“ komplett dem Erdboden gleichgemacht, oder, wie Managerin Kerri Jaffe es formuliert: „Es sah aus wie ein großer Haufen Streichhölzer.“ Was aus den Trümmern der ehemals 100 Villen und Zimmer gerettet wurde, nutzte das Resort als Dekoration beim Wiederaufbau. Im Moment gibt es erst zehn neue Zimmer sowie eine stilvolle Bar mit guter Rum-Auswahl.

Hurrikan „Irma“ hinterließ schwere Schäden

Nicht nur für das „Bitter End“ war „Irma“ eine Zäsur. Am 6. September 2017, um die Mittagszeit, prallte der stärkste atlantische Hurrikan aller Zeiten mit Windgeschwindigkeiten von fast 300 Kilometern pro Stunde direkt auf Tortola. Als der Sturm gegen Abend nachließ, waren 85 Prozent aller Häuser entweder zerstört oder schwer beschädigt, die Hügel entwaldet und die Infrastruktur ausradiert. Da es keine Telefonmasten mehr gab, musste der Gouverneur den Notstand mittels Flugblättern ausrufen.

Als der damalige britische Außenminister Boris Johnson die BVI eine Woche nach der Naturkatastrophe besuchte, gab er zu Protokoll, der Anblick der verwüsteten Inseln erinnere ihn an historische Aufnahmen von Hiroshima nach dem Abwurf der Atombombe.

Bis heute erholen sich die Inseln davon. Die meisten Hotels sind inzwischen wiederaufgebaut, meist kleiner als zuvor. Aber an abgelegenen Stränden finden sich noch immer Trümmer der damals zerstörten Boote und Häuser. Von August bis Oktober, während der Hurrikan-Saison, sollten Reisende die Inseln daher lieber meiden.

Ruiniert hat „Irma“ die BVI allerdings nicht: Mehr als die Hälfte der Wirtschaftskraft der Inseln kommt aus dem Finanzsektor und hier vor allem aus dem überaus einträglichen Betrieb weitgehend steuerbefreiter „Offshore-Companies“. Als 2016 die Panama Papers die finanziellen Mauscheleien zigtausender reicher Menschen aus aller Welt enthüllten, waren die BVI der am häufigsten erwähnte Standort solcher Aktivitäten. Denen dürfte zugutekommen, dass der US-Dollar seit 1959 die offizielle Währung der Inseln ist, britisches Territorium hin oder her.

Idyllische Unterkünfte mit Meerblick auf Tortola

Nach einem Törn von etwa 30 Kilometern Richtung Süden kommt man vom „Bitter End“ nach Cooper Island. Der hier ansässige Beach Club hat nur acht Zimmer, allesamt mit Himmelbetten und Strandterrassen, gelegen in einer Dünenlandschaft mit wilden Mangobäumen und Kokospalmen sowie frei laufenden Ziegen. Noch schöner aber ist es, das Charterboot für die Nacht an einer Boje in der Bucht festzumachen und sich von den Wellen in den Schlaf wiegen zu lassen.

Wer Zeit hat, kann auf dem Weg hierher einen Zwischenstopp in der Fallen Jerusalem Bay einlegen, die ihren ungewöhnlichen Namen wegen der viele Tonnen schweren Basaltbrocken trägt, die aus der Ferne den Ruinen einer Stadt ähneln. Nur jeweils ein Boot passt in die Bucht – wer sich diesen Platz sichern kann, wird mit magischen Bedingungen für Schwimmen und Schnorcheln in kristallklarem Wasser belohnt. In einer kleinen Höhle liegt ein Gehäuse-Friedhof der bis zu 30 Zentimeter großen karibischen Fechterschnecken. Ab und zu kommt ein Barrakuda vorbei.

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Weiter südlich liegen die Privatinseln Peter und Norman Island. Wer nicht das Glück hat, dort auf der Gästeliste zu stehen, dreht am besten ab und fährt zurück nach Tortola. Neben den erwähnten Marinas an der Südküste ist der Norden der Insel mindestens ebenso interessant: Die Strände sind breiter, die Ortschaften spärlicher, und der vorherrschende Wind macht die Küste ideal zum Surfen.

Die schönsten Hotels liegen hier, darunter das luxuriöse „Long Bay Beach Resort“ direkt am Strand, oder das bodenständigere, aber nicht minder charmante „Sebastian’s“ in der Little Apple Bay. Idyllisch gelegen sind auch die vielen Villen in den Hügeln, oft mit Pool und Meerblick, die es ab 200 Euro pro Nacht auf Airbnb zu mieten gibt.

Und dann ist da noch die Insel Jost Van Dyke, an dessen Traumstrand angeblich der offizielle BVI-Cocktail „Painkiller“ (Rum mit Saft, Crème de Coco und Muskatnuss) erfunden wurde. Schön ist auch Anegada, die einzige Koralleninsel der Gruppe, nur acht Meter hoch, aber dafür mit eigenem Flughafen. Sogar ganz Necker Island kann man mieten, für schlappe 140.000 Dollar pro Nacht. Eine Villa auf Bransons zweiter Insel in der Gegend, Moskito Island, ist dagegen mit etwa 20.000 Dollar fast ein Schnäppchen. Aber das passt dann doch nicht mehr in eine Woche Segeln.

Richard Branson war während des Hurrikans 2017 übrigens auch auf den BVI. Er hat „Irma“ auf Necker Island unbeschadet überstanden. In seinem Weinkeller.

Tipps für Segelurlaub:

Segelcharter gibt es in mehreren Kategorien – von „Bareboat“ (nur das Schiff) bis zu „Crewed“ (Schiff mit Kapitän und Mannschaft). Die Preise variieren entsprechend: Ein knapp 14 Meter langer Segel-Katamaran mit vier Kabinen und Skipper beispielsweise kostet in der besten Reisezeit zwischen November und Ostern auf den Britischen Jungferninseln beim Vermieter Moorings ab 11.000 Euro pro Woche (moorings.com/de). Eine Segelyacht ohne Besatzung mit drei Kabinen für eine Woche ist bei Sunsail ab rund 4800 Euro im Angebot (sunsail.com/de). Die Preise in näher gelegenen Segelrevieren wie Griechenland oder Baleraren und bei anderen Anbietern sind recht ähnlich.

Eine günstigere Variante des Segelurlaubs ist der sogenannte Kabinencharter: Hierbei mietet man sich einen Raum an Bord einer Yacht, die man sich mit anderen Reisenden teilt – sozusagen eine WG auf See. Preisbeispiel: Acht Tage Inselhopping an der kroatischen Adria kosten im Juni, inklusive Crew und Halbpension, beim Anbieter Dream Yacht ab 1900 Euro für zwei Personen in einer Doppelkabine (dreamyachtcharter.com/de).

Unkonventioneller geht es bei der Sail Racing Academy zu. Dort kann man sich ebenfalls eine Kabine mieten und dann an Regatten oder Atlantiküberquerungen teilnehmen. Etwas Segeln sollte man können, und die Unterbringung entspricht eher dem Standard Jugendherberge. Dafür kostet ein Tag auf See aber auch nur 100 bis 200 Euro. Ein Trip von den Kanaren in die Karibik dauert fünf Wochen und ist für rund 5500 Euro buchbar (sailracingacademy.org).

Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt vom British Virgin Islands Tourist Board/bvitourism.com und von The Moorings. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter go2.as/unabhaengigkeit.

Source: welt.de