Deutschland kann aus dem Sturz Barniers einiges lernen
Aus den Vorgängen in der französischen Nationalversammlung ließe sich in Deutschland einiges lernen. In Paris hat ein Bündnis aus Rechts- und Linksextremen eine aus Zentristen und Rechtsbürgerlichen gebildete Minderheitsregierung gestürzt, obgleich die Extremen selbst auch nicht über eine Mehrheit in der Nationalversammlung verfügen. Der Sturz der Regierung Barnier kam zustande, weil die gemäßigte Linke mit der extremen Linken stimmte.
Zuvor hatte Präsident Macron die jetzt gescheiterte Regierungsallianz aus Zentristen und Rechtsbürgerlichen unter anderem geschmiedet, weil er sein wirtschaftspolitisches Erbe vor der Linken schützen wollte. Zu diesem Erbe zählen neben der Rentenreform weitere Reformen, die den Wirtschaftsstandort Frankreich attraktiver gemacht und daher ausländische Direktinvestitionen angezogen haben.
Eine Krise an den Finanzmärkten bleibt möglich
Diese politische Konstruktion setzte jedoch mangels einer eigenen Mehrheit in der Nationalversammlung eine Tolerierung der Regierung Barnier durch das rechtsextreme Rassemblement National voraus. Marine Le Pen besitzt jedoch kein Interesse an einer gedeihlichen Tolerierung einer gemäßigten Regierung. Sie will die ganze Macht – und sei es im Zweifel durch ein vorübergehendes Paktieren mit der extremen Linken. So sieht das politische Hufeisen in der Praxis aus.
Das von der Regierung Barnier befürchtete Chaos an den Finanzmärkten blieb bisher aus. Solange in Frankreich kein Haushalt für 2025 verabschiedet wird, gilt der Haushalt von 2024 weiterhin. Zum anderen gilt es als wahrscheinlich, dass Präsident Macron bald einen neuen Premierminister ernennt. Im Prinzip existierte in der Nationalversammlung eine Mehrheit gemäßigter Kräfte. Sie müssten nur zusammenfinden.
Eine Krise an den Finanzmärkten bleibt dennoch möglich. Angesichts seiner öffentlichen Verschuldung braucht Frankeich bald einen finanzpolitischen Kurswechsel, der allerdings nicht populär wäre. Sollte ihn eine gemäßigte Regierung einleiten, könnten die extremen Parteien auf der Rechten wie auf der Linken davon profitieren. Den Haushalt selbst konsolidieren wollen sie natürlich nicht.
Die Lehren aus dem französischen Exempel sind offensichtlich: Auch in Deutschland hätten gemäßigte Parteien von Verbindungen mit Extremen nichts Gutes zu erwarten; dies umso mehr, als das heutige Rassemblement National im Vergleich zur AfD zumindest ein wenig geläutert erscheint. Auch Le Pens Truppen blinken in Richtung Moskau, aber ihnen fehlt jene verhängnisvolle Russland-Romantik, die sich in den deutschen Randparteien rechts wie links (und in Teilen der SPD) findet.
Und während Le Pen längst ihren Frieden mit der Europäischen Union und dem Euro gemacht hat, ist die AfD hiervon weit entfernt. Die angebliche bürgerliche Mehrheit aus Union und AfD (und eventuell FDP), über die Rechtsaußen fabuliert wird, existiert aus einer konstruktiven politischen Warte nicht. Wer im Morast trüber Tümpel feststeckt, kann kein Land voranbringen.