Deutsche Wirtschaft: Keine Zeit zu Gunsten von Pessimismus
Kurz vor dem Jahreswechsel stimmen die Nachrichten aus der Wirtschaft nicht froh. Die Vereinbarung über die Sanierung von Volkswagen hat ein weiteres Mal unter Beweis gestellt, wie sehr frühere, im Laufe der Zeit als selbstverständlich angesehene Erfolge der Industrie nicht fortgeschrieben werden dürfen. Die deutsche Wirtschaft hat, wie andere Volkswirtschaften in Europa, den Anschluss in wichtigen Sparten moderner Technologie vor allem gegenüber den Vereinigten Staaten, in Teilen aber auch gegenüber China verloren.
Vom Erfolg der exportorientierten Industrie verwöhnt, haben auch Politik und Gesellschaft in Deutschland lange Zeit den disruptiven Charakter der Digitalisierung unterschätzt und in der inkrementellen Weiterentwicklung bewährter Techniken fälschlicherweise den Garanten für eine weiterhin erfolgreiche Wirtschaft vermutet.
Geopolitische Veränderungen haben dazu beigetragen, schwerwiegende Versäumnisse aus der jüngeren wie in der ferneren Vergangenheit offen zutage treten zu lassen. Ein geringes Wachstum der Produktivität in der Wirtschaft bleibt nicht die einzige Schwachstelle. Die verheerenden Folgen einer Energiepolitik, die sich zukunftsgewandt gab, aber rückwärtsgewandt wirkt, sind ebenso unverkennbar wie eine unzureichende Verteidigungsbereitschaft, eine in Teilen marode Infrastruktur und ein in erschreckendem Maße nachlassendes Bildungswesen. Deutschland ist in mehrfacher Hinsicht alt geworden.
Nicht Dauerempörten und Schwarzmalern den Diskurs überlassen
Und dennoch ist nicht Pessimismus angebracht, sondern Zuversicht geboten. Der Wandel zum Besseren ist möglich, auch wenn er Zeit und Geduld erfordern wird. Aber er erfordert das Engagement der bürgerlichen Gesellschaft, die sich in die Debatte um den besten Weg in die Zukunft einbringen muss. Wer dagegen den öffentlichen Diskurs Dauerempörten, Schwarzmalern und Verschwörungstheoretikern überlässt, aufgeregtes Geschwätz, Hass und Hetze auf digitalen Plattformen für maßgeblich hält oder sachorientierte Lösungen von russlandfreundlichen Parteien erwartet, verspielt seine Zukunft.
Auf einem aus Demokratie, einer freiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung sowie einer festen Verankerung im – europäischen wie transatlantischen – Westen ruhenden Fundament ist es selbstverständlich möglich, sich den aktuellen Herausforderungen zu stellen. Wer sie mit den historischen Brüchen vergleicht, die Deutschland gleich mehrfach im 20. Jahrhundert erlebte, wird für das zu Ende gehende Jahr 2024 ein Jammern auf einem immer noch hohen Niveau konstatieren.
Die Rezepte sind seit Langem bekannt
Was nottut, ist eine Befreiung – eine Befreiung von der irrigen Vorstellung, es könne wieder so werden wie früher; eine Befreiung von der Furcht, Deutschland wäre einem unausweichlichen Niedergang ausgeliefert, und eine Befreiung von dem Wunsch, der gütige Vater Staat werde es schon richten, solange er nur genügend Geld ausgeben könne. In der kommenden Bundestagswahl geht es nicht darum, welche Parteien den Bürger am konsequentesten bevormunden und die Wirtschaft am zupackendsten lenken können. Es kommt darauf an, welche Parteien am ehesten für Freiheit eintreten, damit die Unternehmen eigenverantwortlich die erfolgversprechendsten Wege für ihre Zukunft erkunden können.
Die Rezepte sind seit Langem bekannt. Es braucht weniger Bürokratie und Regulierungen auf nationaler, aber auch auf der Ebene der Europäischen Union. Die Förderung des Emissionshandels und nicht das Ordnungsrecht ist am ehesten geeignet, wirtschaftlichen Wohlstand und Klimapolitik zu vereinen. Subventionen und Industriepolitik bleiben unzureichende Mittel, um die Wirtschaft zu fördern und eine wirtschaftliche Unabhängigkeit vom rauer werdenden Weltmarkt anzustreben.
Wirtschaftlicher Wandel muss zugelassen werden, auch wenn er zunächst mit Arbeits- und Kapazitätsabbau in traditionellen Wirtschaftszweigen einhergeht. In der Europäischen Union sollte der Binnenmarkt vollendet und weiteren gemeinsamen Schuldentöpfen eine Absage erteilt werden. In Deutschland bedarf es einer Wiederkehr der Erkenntnis, dass eine gesunde Wirtschaft und nicht politischer Wille die Voraussetzung für einen Wohlfahrtsstaat darstellen. Arbeit muss sich lohnen.
Zusammengefasst bedarf es einer energischen Politik, die sich für eine revitalisierte Soziale Marktwirtschaft einsetzt und in den seit Langem um sich greifenden Interventionsspiralen eine wohlstandsschädliche Politik erkennt. Der Weg wird lang, aber auch der längste Weg beginnt mit einem Schritt.