Den Staat zurückstutzen? „Hanebüchener Unsinn!“

In den Vereinigten Staaten bereitet sich Elon Musk darauf vor, die öffentliche Verwaltung mit der sprichwörtlichen Kettensäge zu bearbeiten. Erklärtes Ziel ist, im Auftrag des künftigen Präsidenten Donald Trump die Ausgaben für den Staatssektor und seine Administration bis 2028 um mehr als ein Viertel zurückzuschneiden. Ganz anders einstweilen in Deutschland: Nach Auffassung des DBB Beamtenbundes müssten erst einmal 570.000 Staatsbedienstete zusätzlich eingestellt werden, um auch nur die vorhandenen Aufgaben zu bewältigen. Und damit das gelinge, bedürfe es kräftiger Gehaltserhöhungen in der am 24. Januar beginnenden neuen Tarifrunde im öffentlichen Dienst.

Der jüngste Rat des FDP-Vorsitzenden Christian Lindner, in Deutschland „mehr Musk und Milei“ zu wagen, sei „natürlich hanebüchener Unsinn“, beschied der Tarifvorstand und stellvertretende Bundesvorsitzende des DBB, Volker Geyer, in einer Grundsatzrede auf der Jahrestagung seiner Organisation am Montag in Köln. „Radikale Rezepte – so was brauchen wir in Deutschland nicht, so was wollen wir nicht.“ Klaren Zuspruch erntete er dafür von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Auch sie bewertete es als Muss, „stärker in die öffentliche Daseinsvorsorge zu investieren“ – wofür aufgrund der Haushaltsnöte ein Abbau der Schuldenbremse anzustreben sei.

Der DBB vertritt neben etwa einer Million Beamte auch rund 400.000 Tarifbeschäftigte von Bund, Ländern und Kommunen. Als übergeordnetes Argument für die geforderte Stärkung des öffentlichen Dienstes sehen sie eine Erosion des allgemeinen Vertrauens in die Leistungsfähigkeit des Staates. Eine Forsa-Umfrage für den DBB hatte im Sommer ergeben, dass 70 Prozent der Bevölkerung „den Staat in Bezug auf seine Aufgaben und Probleme für überfordert halten“. Ob Klimaschutz, sozialer Ausgleich oder erfolgreiche Wirtschaft – „die Basis für all das ist ein funktionierender Staat“, folgerte Geyer. Und das erfordere zwingend spürbare Gehaltserhöhungen für dessen Personal.

Laufend neue Regulierungen

Ein andauernder Streitpunkt in dieser Auseinandersetzung ist indes die Frage, wie zuverlässig ein Mehr an öffentlicher Verwaltung zu mehr Vertrauen in den Staat führt. Dass es nicht ganz so einfach sei, machte auch Geyer deutlich, der am Montag den erkrankten DBB-Vorsitzenden Ulrich Silberbach vertrat: Der Kern des Problems sei eine Politik, die laufend neue Leistungen für Bürger und Regulierungen beschließe, also neue Verwaltungsaufgaben, ohne sich darum zu kümmern, ob die Behörden dafür gerüstet seien. Mit dieser Analyse lag er dann doch gar nicht weit entfernt von jener der FDP, die in Köln durch ihren stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Konstantin Kuhle vertreten war.

Als Beispiel nannte Geyer die Wohngeldreform 2023, die mehr als einer Million Haushalten neue Ansprüche auf diese Sozialleistung brachte: Allein die Stadt Bonn habe für den erhöhten Administrationsaufwand 32 neue Personalstellen schaffen müssen. Nötig sei auch „Mut zur Aufgabenkritik“, verlangte er. „Hier noch eine Berichtspflicht, da noch eine Sonderaufgabe – so funktioniert es nicht, gab er Faeser und anderen politischen Gästen der Tagung mit auf den Weg.

Solange diese Aufgabenkritik noch auf sich warten lässt, sehen sich die Beschäftigtenvertreter indes umso stärker motiviert, in den Lohn- und Tarifrunden möglichst viel für ihre Mitglieder herauszuholen. In der nun beginnenden Aus­ein­an­der­­setzung, die ins­gesamt 2,6 Mil­lionen Bedienstete der Kommunen und des Bundes betrifft, fordern der DBB und die Gewerkschaft Verdi ein Plus von acht Prozent für die oberen Gehaltsgruppen und mindestens 350 Euro mehr im Monat für die unteren. Das Einstiegsentgelt für einfache Hilfsarbeiten stiege damit um 17 Prozent. Zusätzlich fordern DBB und Verdi mehr freie Tage, um die aus ihrer Sicht übermäßige Arbeitsbelastung der Beschäftigten zu mindern.

Das alles läuft freilich vor dem Hintergrund einer Entwicklung, in der der öffentliche Sektor schon kräftig Personal aufbaut, während die Privatwirtschaft in weiten Teilen personell auf Schrumpfkurs ist. Wie der jüngste Monatsbericht der Bundesagentur für Arbeit zeigt, hat die Industrie im Vergleich zum Vorjahr fast 100.000 Stellen abgebaut. In der Zeitarbeit, einst Jobmotor, fielen 72.000 Stellen weg, im Baugewerbe 30.000. Derweil baute der öffentliche Dienst 51.000 Stellen auf. Zählt man das größtenteils öffentlich finanzierte Sozial-, Pfle­ge- und Gesundheitswesen hinzu, ergibt sich ein Aufbau von 173.000 Stellen. Kritiker wenden ein, dass die Wirtschaft schwer wieder in Schwung komme, wenn sie neben wachsender Bürokratie steigende Steuerlasten zur Finanzierung des öffentlichen Sektors tragen müsse und ihnen der Staat auch noch knappe Fachkräfte streitig mache.

Passend zur eigenen Agenda lieferte der DBB am Montag Ergebnisse einer neuen Forsa-Umfrage, wonach 67 Prozent der Bevölkerung „Investitionen in den Ausbau der staatlichen Daseinsvorsorge, wie Bildung, innere Sicherheit, Infrastruktur“, für „sehr wichtig“ halten. Demgegenüber, so der Befund, sähen nur 20 Prozent „die Beibehaltung der Schuldenbremse und Abbau von Schulden“ als „sehr wichtig“ an.

Trotzdem sind jedoch auch hierzulande starke Kräfte am Werk, die auf ein baldiges Schrumpfen des öffentlichen Sektors hinwirken: Demographisch bedingt erreichen in den nächsten zehn Jahren 1,4 Millionen Bedienstete den Ruhestand. Es sei völlig unrealistisch, zu erwarten, dass es gelinge, diese „eins zu eins zu ersetzen“, gab Christian Haase, Haushaltsfachmann der Union im Bundestag, zu bedenken.