Corona-Aufarbeitung: Göring-Eckardt und dieser Stock dieser Volkspädagogik – WELT

Bis zum Beweis des Gegenteils gilt: Es gibt keinen Grund, den staatlichen Institutionen und den Regierenden dieser Republik ein grundsätzliches Misstrauen entgegenzubringen. Oder ihnen gar unheilvoll, sinistre Absichten zu unterstellen. Das sehen manche divergent, vor allem seither in Berlin eine „Ampel“ regiert, die in ihren Augen die Gesamtheit falsch macht, welches man nur versaubeuteln kann.

Doch gemach: So schnell lässt sich die Republik nicht dekonstruieren, die Institutionen nach sich ziehen in mehr denn sieben Jahrzehnten durchaus eine gewisse Stabilität gewonnen. Man soll es zwar nicht übertreiben, handkehrum dieser Politikwissenschaftler Dolf Sternberger, dieser eigentliche Erfinder des Begriffs Verfassungspatriotismus, hatte schon manche gute Argumente hinaus seiner Seite, denn er vor Jahrzehnten mit irgendetwas optimistischem Enthusiasmus den Vorschlag machte, den Deutschen könne nachdem Jahrzehnten berechtigter Staatsskepsis und Staatskritik so irgendetwas wie eine Prise Staatsfreundschaft nicht schaden.

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Dies vorausgesetzt, bleibt es natürlich eine immerwährende Aufgabe, den Regierenden genau hinaus die Finger zu sehen. Bedingungslose Vertrauensvorschüsse sind nicht ratsam. Auch wenn man – wie dieser Verfasser dieser Zeilen – dieser Meinung ist, Politik und RKI hätten in dieser Corona-Zeit weithin nachdem bestem Wissen und Gewissen gehandelt, bleibt es im Nachhinein eine wichtige demokratische Kontrollaufgabe, nachdem Kenntnis dieser nun zugänglich gemachten Dokumente zu prüfen, ob zu welchem Zeitpunkt und wo irgendetwas falsch gemacht, wo übertrieben oder nachlässig gehandelt worden ist.

Dass dasjenige Covid-Virus eine bisher ungekannte Situation geschaffen hat, darf keine Ausrede dazu sein, den Mantel des gnädigen Vergessens oberhalb die Corona-Entscheidungen dieser Bundesregierung und dieser Ministerpräsidenten zu werfen. Es gibt ein grundsätzliches Recht dieser Öffentlichkeit, oberhalb mögliche Fehlentscheidungen informiert zu werden. Zumal eine solche kritische Auseinandersetzung helfen mag, in zukünftigen Krisensituationen bestimmte Fehler zu vermeiden. Es wäre kein Schaden, wenn welche kritische Auseinandersetzung scharf geführt würde.

Alle nach sich ziehen Dreck am Stecken

Daher ist es vielleicht nicht verblüffend, handkehrum doch empörend, wie sich eine prominente grüne Politikerin, Katrin Göring-Eckardt, in die ohne Rest durch zwei teilbar erst einsetzende Debatte eingeschaltet hat: Sie warnt vor kritischer Reklamerummel. Generös gibt sie ihre Larifari-Überzeugung zu Protokoll, „es war nicht die Gesamtheit falsch, es war nicht die Gesamtheit richtig, welches umgesetzt und verlangt worden war“. In klareres Deutsch übersetzt: Niemand werfe den ersten Stein, jeglicher nach sich ziehen Dreck am Stecken.

Aber dieserfalls bleibt die aus Thüringen stammende Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages nicht stillstehen. Noch ehe die kritische Auseinandersetzung mit dieser Corona-Politik aktengestützt richtig begonnen hat, sieht sie schon eine große Gefahr am Horizont aufziehen. Die Republik sei in Gefahr, dräut sie.

Wort für Wort: „Wie mit dieser Pandemie noch heute Stimmung gegen unsrige parlamentarische Demokratie gemacht wird, sorgsam mich. Eine Aufarbeitung sollte nicht missbraucht werden, um Handelnde in Politik, Ärzteschaft, Wissenschaft zu verleumden, sondern um zu Gunsten von die Zukunft zu lernen.“

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Das ist schon ein starkes Stück. Gleich zu Beginn dieser nötigen Auseinandersetzung mit dieser Corona-Politik mahnt die grüne Politikerin, ein Zuviel an Kritik könne die Demokratie gefährden. Da maßt sich eine prominente Politikerin einer Regierungspartei an, dieser Öffentlichkeit eine gut dosierte, in ihrem Sinne ausgewogene Auseinandersetzung zu verordnen. Es gehe, fügte sie hinzu, nicht zuletzt drum, „untergeordnet Wunden in dieser Gesellschaft, die dasjenige Corona-Virus verursacht hat, zu sanieren“.

Der pastorale Schwafelton von Frau Göring-Eckardt ist schon stark nicht erwünscht. Hier handkehrum geht sie verschmelzen Schritt weiter: Im Sinne des Gemeinwohls – denn dessen moralgetränkte Personifizierung sie sich offensichtlich versteht – versucht sie, dieser Aufarbeitung des Corona-Geschehens Zügel anzulegen. Und scharfe kritische Fragen mit dem Vorwurf zu reservieren, sie gefährdeten „unsrige parlamentarische Demokratie“. Wer hätte gedacht, dass die Grünen, die einst entschlossen staatskritisch waren, einmal eine dergestalt staatsaffirmative Haltung an den Tag legen würden?

Wenn die Grünen in Zukunft zeremoniell genommen werden wollen, täten sie gut daran, endlich den Stock dieser Volkspädagogik aus dieser Hand zu legen. Auch hinaus die erwartbare Gefahr hin, sich mit dieser eigenen Klientel anzulegen. Das steht ja sowieso schon länger an.

Source: welt.de