Chinesische Sicherheitspolitik: „China hat das Vertrauen Russlands“
Zhou Bo war Brigadegeneral der chinesischen Armee. Er arbeitet nun als Experte am Zentrum für Internationale Sicherheit und Strategie der Tsinghua-Universität in Peking.
ZEIT ONLINE: Herr Zhou, die Schweiz richtet im Juni einen Friedensgipfel zur Ukraine aus. Im Westen gab es lange die Hoffnung, China von einer Teilnahme überzeugen zu können. Olaf Scholz versuchte es zuletzt im April. Leider reagierte Xi Jinping wenig begeistert.
Zhou Bo: Für China ist es schwierig, an dieser Konferenz teilzunehmen, wenn Russland nicht eingeladen ist. Eine solche Veranstaltung kann keinen Erfolg haben, wenn eine der beiden Kriegsparteien nicht mit am Tisch sitzt. Es macht dann eher den Eindruck, als wolle die Gegenpartei möglichst viel Öffentlichkeit für ihre Position schaffen. Fair und unvoreingenommen kann es nur zugehen, wenn beide Seiten miteinander reden.
ZEIT ONLINE: Direkte Friedensgespräche zwischen der Ukraine und Russland sind derzeit wenig realistisch.
Bo: Genau deshalb wirkt der Gipfel wie ein einseitiger Versuch der Ukraine, die internationale Meinung zu mobilisieren.
ZEIT ONLINE: China wird also keine Delegation zum Gipfel entsenden? Bisher hat sich Ihr Land nicht eindeutig festgelegt.
Bo: Selbst wenn China das am Ende tut, würde es wohl eher darum gehen, zu verstehen, was auf der Konferenz geschieht, nicht darum, Ideen zu äußern.
ZEIT ONLINE: Also nur eine Beobachtermission.
Bo: Ich glaube, es bleibt bei dem, was ich letztes Jahr auf der Münchner Sicherheitskonferenz gesagt habe: Putin kann diesen Krieg weder gewinnen noch verlieren. Einerseits hat Russland eindeutig die Oberhand, weil die ukrainische Gegenoffensive erkennbar gescheitert ist. Andererseits sind die Europäer entschlossen, die Ukraine zu unterstützen, weil sie hier eine existenzielle Bedrohung ihrer Interessen sehen. Was sich also mehr oder weniger abzeichnen könnte, ist eine Art Waffenstillstand, ähnlich wie zwischen Süd- und Nordkorea. Ich fürchte nur, dass ein solcher Waffenstillstand wegen Russlands überragender militärischer Vorteile unbeständiger wäre. Die Ukraine könnte sich darauf nur einlassen, wenn sie eine Sicherheitsgarantie bekäme. Und die müsste von den großen Weltmächten kommen.
ZEIT ONLINE: Sie meinen, einschließlich China?
Bo: Ich denke schon. China ist in diesem Krieg sehr wichtig geworden, obwohl der Krieg mit China nichts zu tun hat. Diese zunehmende Bedeutung unseres Landes kommt übrigens auch für Chinesen wie mich überraschend. Unsere Verantwortung wächst, weil Chinas Gewicht in der Welt zunimmt. Und als Großmacht wird man nach seiner Meinung gefragt, auch zu Angelegenheiten, mit denen man überhaupt nichts zu tun hat.
ZEIT ONLINE: Sie stellen Ihr Land als unbeteiligt dar. Aber China unterhält enge Beziehungen zu Russland, die seit Beginn des Krieges nur noch enger geworden sind. Viele Europäer hat es ein wenig überrascht, dass China sich mit seinem politischen Gewicht hinter einen Staat stellt, der in ein anderes europäisches Land einmarschiert ist.
Bo: Ich meine damit, dass der Ausbruch des Krieges nichts mit China zu tun hat. China hat Russland weder unterstützt noch war China darüber informiert. Aber inzwischen ist China in gewisser Weise involviert, weil die Menschen Erwartungen an uns haben. Das ist wohl der Preis, den es mit sich bringt, eine Großmacht zu sein.
Zhou Bo war Brigadegeneral der chinesischen Armee. Er arbeitet nun als Experte am Zentrum für Internationale Sicherheit und Strategie der Tsinghua-Universität in Peking.
ZEIT ONLINE: Herr Zhou, die Schweiz richtet im Juni einen Friedensgipfel zur Ukraine aus. Im Westen gab es lange die Hoffnung, China von einer Teilnahme überzeugen zu können. Olaf Scholz versuchte es zuletzt im April. Leider reagierte Xi Jinping wenig begeistert.
Zhou Bo: Für China ist es schwierig, an dieser Konferenz teilzunehmen, wenn Russland nicht eingeladen ist. Eine solche Veranstaltung kann keinen Erfolg haben, wenn eine der beiden Kriegsparteien nicht mit am Tisch sitzt. Es macht dann eher den Eindruck, als wolle die Gegenpartei möglichst viel Öffentlichkeit für ihre Position schaffen. Fair und unvoreingenommen kann es nur zugehen, wenn beide Seiten miteinander reden.