Bundesverfassungsgericht verhandelt darüber hinaus Übergewinn-Abschöpfung im Zusammenhang Ökostromerzeugern

Die Abschöpfung sogenannter Zufallsgewinne zur Mitfinanzierung der Strompreisbremse währte nur wenige Monate: von Dezember 2022 bis Juni 2023. Doch die Maßnahme der Ampelkoalition, die bei der Bewältigung der Energiekrise nach dem russischen Überfall auf die Ukraine helfen sollte, hat ein juristisches Nachspiel. An diesem Dienstag verhandelt der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsbeschwerden von knapp zwei Dutzend Betreibern von Solar-, Wind- und Biomasseanlagen. Die Unternehmen beanstanden, die Abschöpfungsbeträge seien eine unzulässige „parafiskalische Sonderabgabe“ gewesen, die sie in ihren Grundrechten verletzt habe.

„Die Abschöpfung von Zufallsgewinnen ist nur gerecht“, hatte hingegen damals Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) argumentiert. Schließlich hätten die Anlagebetreiber in der Krise „wahnsinnig viel Geld“ verdient. „Dieses Geld für einen solidarischen Beitrag für das Gemeinwohl zu nutzen und in die Senkung der Strompreise und die Dämpfung der Netzentgelte zu stecken, ist genau richtig“, betonte der Wirtschaftsminister.

Abschöpfung von 90 Prozent

Seit Dezember 2022 schöpfte die Bundesregierung „Überschusserlöse“ von Stromerzeugern ab. 90 Prozent der Einnahmen, die eine bestimmte Grenze überschritten, waren an die Netzbetreiber zu zahlen, um das Geld dann für die staatlichen Energiepreishilfen zu verwenden. Vor allem Betreiber von Anlagen Erneuerbarer Energien hätten ihren Strom während der Energiekrise zu Preisen weit oberhalb der Produktionskosten verkaufen können, mit denen die Ökostromerzeuger nicht hätten rechnen können, begründete das Wirtschaftsministerium die Abschöpfung.

Nach dem „Merit-Order“-Prinzip bestimmt, grob gesprochen, der teuerste Energieträger, der für die Deckung der Stromnachfrage nötig ist, den Preis an der Strombörse. Mit dem kriegsbedingten Anstieg der Gaspreise waren auch die Strompreise hierzulande deutlich gestiegen. Von den hohen Börsenpreisen profitierten vor allem Ökostromerzeuger. Im Jahr 2022 hätten allein die Erzeuger von erneuerbarem Strom rund 18 Milliarden Euro solcher „Zufallsgewinne“ eingestrichen, teilte das Wirtschaftsministerium damals mit.

Doch die Erwartung, einen zweistelligen Milliardenbetrag abzuschöpfen, erfüllte sich nicht. Bis Ende Juni 2023 waren es nur rund 521 Millionen Euro, wie sich aus einer Anfrage der Linken-Fraktion im Bundestag ergibt. Die Ampel verlängerte die Abschöpfung dann nicht mehr, weil sich die Märkte wieder beruhigt hätten.

Ökostromerzeuger zogen gleichwohl vor das Bundesverfassungsgericht. Es gehe um eine verfassungsrechtliche Grundsatzfrage. Die Erlösabschöpfung sei ein schwerer politischer Fehler, der sich nicht wiederholen dürfe. Im Zentrum der Verfassungsbeschwerde steht der Vorwurf, die Abschöpfungsregeln seien verfassungsrechtlich unzulässig.

Sonderabgaben als „seltene Ausnahmen“

Die Ampelkoalition habe die Erlösabschöpfung als Sonderabgabe ausgestaltet, ohne dass die strengen Anforderungen dafür erfüllt seien. Sonderabgaben müssten nach der Karlsruher Rechtsprechung „seltene Ausnahmen“ bleiben, „weil der Abgabenpflichtige regelmäßig zugleich Steuerpflichtiger ist und als solcher unter Wahrung der Steuergerechitgkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung zur Finanzierung von Gemeinschaftslasten herangezogen wird“, heißt es in der Verfassungsbeschwerde, die der F.A.Z. vorliegt.

So müsse eine Sonderabgabe einen anderen Zweck erfüllen als dem Staat nur Finanzmittel zu beschaffen. Die Abschöpfung der „Überschusserlöse“ diene jedoch allein dazu, die staatlichen Energiehilfen mitzufinanzieren und zwar ohne, dass die Ökostromerzeuger eine besondere Finanzierungsverantwortung treffe. „Eine Pflicht der Stromerzeuger, Preise niedrig zu halten, gibt es nicht“, heben die Beschwerdeführer hervor. Dies sei vielmehr eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die deswegen aus Steuermitteln zu finanzieren sei. Ohnehin seien die hohen Stromkosten wegen des kriegsbedingten Anstiegs der Gaspreise vor allem durch die Gaskraftwerke verursacht worden, die jedoch von der Abschöpfung ausgenommen seien.

Kritik am Konzept fiktiver Erlöse

Ein weiterer Kritikpunkt ist die konkrete Ausgestaltung des Abschöpfungsmechanismus. Die abzuführenden „Überschusserlöse“ seien „vollständig entkoppelt“ davon, welche Finanzmittel der Staat tatsächlich aufbringen müsse, um Haushalte und Unternehmen von den hohen Energiekosten zu entlasten. Für den Fall, dass die abgeschöpften Erlöse den Kostenaufwand für die Strompreisbremsen überschritten, sei nicht etwa eine Rückerstattung vorgesehen, sondern die Übertragungsnetzbetreiber dürften die Beträge dann auf ihre Netzkosten anrechnen.

Verfassungswidrig ist nach Ansicht der Ökostromerzeuger außerdem der Ansatz fiktiver Erlöse, den der Gesetzgeber für die Abschöpfung wählte. Mit dem Prinzip der Leistungsfähigkeit sei das Konzept nicht vereinbar. Vielmehr müssten die den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb übersteigenden Erlöse tatsächlich eingetreten sein. Stromerzeugern mit bestimmten Vermarktungsverträgen drohte wegen des Ansatzes fiktiver Erlöser bei hohen Strompreisen Abschöpfungsbeträge, die „weit über ihre Einnahmen hinausgehen und daher die Unternehmenssubstanz gefährden“, beanstanden die Ökostromerzeuger.