Bundestagswahl: Klimaschutz ist gerade eben nicht wirtschaftsfeindlich

Felix
Ekardt forscht als Leiter der Leipziger
Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik sowie als Professor an der Uni
Rostock zu Politikkonzepten für mehr Nachhaltigkeit. Er sucht anlässlich
seiner oft sehr kontroversen Positionen die Diskussion mit den Leserinnen und
Lesern von ZEIT ONLINE. Auch diesmal antwortet er direkt unter dem Artikel auf
Leserkommentare. Diskutieren Sie mit!

Als Nachhaltigkeitsforscher treibt mich die Bundestagswahl zur Verzweiflung. Nahezu keine Partei, ob CDU, SPD, Grüne, FDP, Linke, BSW oder AfD, hat verstanden: Demokratie, Frieden, Umweltschutz und Wohlstand gelingen nur gemeinsam. Und sie gelingen nur, wenn unser Alltag und das Wirtschaften rasch und radikal postfossil werden. Postfossilität ist also nicht öko – sie ist vielmehr Voraussetzung auch für Frieden und Wohlstand.  

Der fundamentale, latent in fast allen Programmen spürbare Irrglaube ist, Umwelt- und Klimaschutz seien wirtschaftsfeindlich. Wie ein Festhalten an fossil basierten Modellen die Wirtschaft ruiniert – und nicht umgekehrt -, kann man derzeit bei der deutschen Autoindustrie besichtigen. Die hat den Abschied vom Verbrenner, der in den anderen EU-Ländern oder China längst vollzogen wird, schlicht verpennt. 

Und auch wenn man das Heizen dauerhaft bezahlbar halten will, ist eine noch raschere Energiewende gerade sinnvoll. Außerdem schaffen erneuerbare Energien und Wärmedämmung in der Summe mehr Arbeitsplätze und mehr Wertschöpfung, als es die Fossilen vermochten. Das ist wiederholt vorgerechnet worden, gerade auch für Ostdeutschland und die Lausitz als Kohleregion.

Wissenschaftlich gesehen ist zudem unstrittig: Der Klimawandel wird beachtlich, in manchen Berechnungen gar um den Faktor zehn oder mehr, teuer werden als eine anständige Klimapolitik. Schon vermehrte Naturkatastrophen wie im Ahrtal kosten Abermilliarden. Noch schlimmer wird es, wenn wegen erwärmungsbedingter Nahrungs- und Wasserknappheit Klimakriege ausgefochten werden. Fossile Brennstoffe treiben zudem weitere Umweltprobleme wie das Artensterben, die ökonomisch und ökologisch noch verheerender werden könnten als der Klimawandel.

Bürger und Politiker lassen sich ablenken

Fatal ist auch, dass sich Bürgerinnen und Bürger, aber auch Politikerinnen und Politiker, vom Krieg in Europa und im Nahen Osten von der Postfossilität ablenken lassen – und glauben, man müsse das eine für das andere zurückstellen. Tatsache ist: Wer weiter auf die fossilen Brennstoffe setzt, fördert Russland und damit seine expansionistische Außenpolitik. Entweder direkt, indem Deutschland – ganz im Sinne von AfD und BSW – die Importe aus Russland wieder hochfährt und so über Staatskonzerne die Kriegskasse füllt – oder indirekt, indem ein anhaltender Verbrauch von Öl und Gas die Preise am Weltmarkt durch steigende Nachfrage hoch hält und perspektivisch weiter erhöht.