Bundesrat lässt Krankenhausreform vorbeigehen
Der Bundesrat macht den Weg für die umstrittene Krankenhausreform frei. Die Länderkammer ließ das noch von der Ampel-Koalition im Bundestag beschlossene Gesetz für eine grundlegende Neuordnung der Kliniken in Deutschland passieren.
Eine Anrufung des gemeinsamen Vermittlungsausschusses mit dem Bundestag fand nicht die erforderliche Mehrheit. Die Reform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kann damit umgesetzt werden. Sie soll finanziellen Druck auf die Kliniken mindern und mehr Spezialisierung durchsetzen.
Vor der Entscheidung im Bundesrat entließ Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) offenbar im Streit Landesgesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne). Woidke würdigte die Grünen-Politikerin am Freitag in einer Mitteilung für ihre Arbeit unter anderem bei der Bewältigung der Corona-Krise, nannte aber keinen konkreten Grund für ihre Entlassung. Nach Informationen des Rundfunks Berlin-Brandenburg wollte Woidke damit verhindern, dass sich Nonnemacher am Freitag in der Bundesratssitzung zur Krankenhausreform offiziell gegen die Anrufung des Vermittlungsausschusses ausspricht.
Der CDU-Fraktionschef im Landtag, Jan Redmann, hat das Verhalten von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) kritisiert. „Auch wenn die Anrufung des Vermittlungsausschusses richtig wäre: So geht man menschlich nicht miteinander um, wenn man jahrelang Verantwortung miteinander getragen hat“, teilte Redmann mit. „Die öffentliche Demütigung der Gesundheitsministerin ist unwürdig.“ Nonnemacher wäre ohnehin bald aus dem Amt ausgeschieden. SPD und BSW verhandeln derzeit über eine neue Regierungskoalition in Brandenburg.
Lauterbach appellierte an die Länder
Im Kern der Reform soll die bisherige Vergütung mit Pauschalen für Behandlungsfälle geändert werden. Künftig sollen Kliniken 60 Prozent der Vergütung allein schon für das Vorhalten bestimmter Angebote bekommen. Das soll Anreize zu immer mehr Fällen und medizinisch teils nicht optimalen Eingriffen beseitigen.
Grundlage der Finanzierung durch die Krankenkassen sollen daher auch neue „Leistungsgruppen“ sein. Sie sollen Klinik-Behandlungen genauer beschreiben und bundeseinheitliche Qualitätsvorgaben dafür absichern – etwa beim Fachpersonal oder der Behandlungserfahrung. Kommen soll zudem ein milliardenschwerer „Transformationsfonds“, um die Neuorganisation finanziell zu unterstützen.
In der Sitzung der Länderkammer hatte es eine kontroverse Debatte gegeben. Lauterbach appellierte kurz vor der Abstimmung an die Länder, das Gesetz passieren zu lassen. Es gehe um „die einmalige Chance, Zehntausenden Menschen pro Jahr eine bessere Versorgung zukommen zu lassen“. Bei möglichen Änderungen müsse man sich ehrlich machen: Dabei gehe es um den Kern der Reform. Wenn diese Änderungen vorgenommen würden, brauche man die Reform nicht mehr. Bei der Abstimmung wurde das Votum Thüringens nicht mitgezählt, da das Land nicht einheitlich abstimmte, wie Bundesratspräsidentin Anke Rehlinger feststellte.
Mehrere Länder meldeten Kritikpunkte an
Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte: „Wir brauchen diese Reform, aber es gibt nach wie vor wenige Punkte, die unbedingt nachgebessert werden müssen.“ Sonst würde das Gesetz zu Verwerfungen in der Krankenhauslandschaft führen. Konkret gehe es um Änderungen bei Vorgaben zu Fachärzten, die in ländlichen Regionen derzeit einfach nicht erreichbar seien. Nötig sei „mehr Beinfreiheit“ für die Länder bei der Umsetzung.
Bayern hatte den Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses gestellt. Ressortchefin Judith Gerlach (CSU) sagte: „Unser Ziel ist es, zu dringend notwendigen Nachbesserungen zumindest in zentralen Punkten des Gesetzes zu kommen.“ Sie wies auch auf akute Finanznot bei vielen Kliniken hin. „Der Bund hätte längst ein Soforthilfeprogramm vorlegen müssen.“
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) warnte, es dürfe nicht passieren, dass bestehende Versorgungsungleichheiten zwischen Ost und West verschärft werden. Für Baden-Württemberg monierte der Bevollmächtigte beim Bund, Rudi Hoogvliet (Grüne), man könne die Folgen der Reform weiterhin nicht seriös abschätzen. Mit einem Vermittlungsausschuss solle das Vorhaben weder verzögert noch verhindert werden. Die Vorsitzende der Länder-Gesundheitsminister, Kerstin von der Decken (CDU) aus Schleswig-Holstein, sagte, dies biete wahrscheinlich die letzte Chance, grobe Fehler zu korrigieren.
Andere Länder warben für Zustimmung
Der rheinland-pfälzische Minister Clemens Hoch (SPD) warb dagegen um Unterstützung für die Reform und mahnte, das Ergebnis eines zweijährigen Arbeitsprozesses nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Benötigt würden auch kurzfristige finanzielle Effekte des Gesetzes. Der niedersächsische Minister Andreas Philippi (SPD) warnte, wenn die Reform in den Vermittlungsausschuss geschoben werde, dann sei sie „politisch tot“.
In Kraft treten soll das Gesetz zum 1. Januar 2025. Umgesetzt werden soll die neue Struktur aber erst über mehrere Jahre bis 2029. Für die Patientinnen und Patienten wird sie also nicht sofort spürbar. Das Netz der 1.700 Krankenhäuser dürfte damit auch kleiner werden. Vielen Krankenhäusern machen seit längerem Finanznöte, nicht belegte Betten und Personalmangel zu schaffen. Die Länder und die Klinikbranche hatten auch eine Überbrückungsfinanzierung für die Krankenhäuser bis zum Greifen der Reform gefordert.