Bundeshaushalt: So weit, so verfahren

Lange war es nur ein Gerücht, offiziell bestätigt ist nichts; inzwischen verdichten sich aber die Signale: Statt wie geplant am 3. Juli könnte das Kabinett den Haushalt für das Jahr 2025 womöglich erst Mitte Juli verabschieden. Eine auf den ersten Blick kleine Fristverschiebung, wenig spektakulär, die aber doch zeigt, wie sehr die Ampelkoalition mit sich ringt. Und wie weit weg von einer Einigung die Regierung gerade wohl noch ist.

Eigentlich ist der Bundestag recht pingelig, wenn es ums Budget geht. Er hat das letzte Wort. Der eingeübte Plan: Die Regierung beschließt einen Entwurf, bevor das Parlament in die Sommerpause geht – das wäre Anfang Juli. Mitte September starten die parlamentarischen Beratungen, davor wollen die Haushälter angemessen Zeit, das Zahlenkonvolut zu lesen. Heißt: Ewig verschieben und verschleppen geht nicht.

Aber die Verhandlungen über einen Haushaltsentwurf für 2025 sind nun mal extrem kompliziert. Auf ein paar Tage mehr oder weniger komme es nicht an, heißt es dazu jetzt aus einer Regierungsfraktion. Was zähle, sei die Substanz. Hinter so viel Großmut der Abgeordneten steht wohl schlicht die Ahnung, dass man in der Koalition so weit auseinander liegt, dass noch einige Gespräche nötig sind.

Während abseits der Öffentlichkeit Bundeskanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner über die Etatwünsche der Ministerien beraten, brechen um sie herum mehr oder minder offene Rebellionen aus. Wobei hier die Betonung, und das ist die neue Qualität, auf dem Plural liegen muss.

„Wer die Verfassung brechen will, wird das nur ohne uns tun können“

Im Kern geht es darum: Die Ministerinnen und Minister haben Ausgabewünsche angemeldet, die weit über dem liegen, was an Einnahmen da ist und was unter der Schuldenbremse mit Krediten finanzierbar wäre. Bis zu 40 Milliarden Euro mehr fordern die Ministerien. Ein Batzen Geld, der sich nicht mal eben an anderer Stelle einsparen lässt.

Der FDP-Abgeordnete Jens Teutrine drohte über das Wochenende in einem Interview offen mit dem Koalitionsbruch: „Wer die Schuldenbremse aufheben, aushebeln oder aufweichen will, muss sich eine Mehrheit jenseits der FDP suchen.“ Das ist keine Einzelmeinung. Teutrine spricht für die 30 jungen Abgeordneten der FDP. Bijan Djir-Sarai, der Generalsekretär der Partei, ohnehin nicht für diplomatische Noten an die Koalitionspartner bekannt, bekräftigte am Montag noch mal: Er finde es gut, dass sich die Jungen so positionierten.

FDP-Vize Wolfgang Kubicki geht sogar noch weiter: „Ich gehe eher davon aus, dass nicht nur 30 Abgeordnete der FDP-Fraktion absolut zur Schuldenbremse stehen, sondern alle 91“, schreibt er auf X. „Wer die Verfassung brechen will, wird das nur ohne uns tun können.“

Die FDP pocht auf die Einhaltung der Schuldenbremse – weiß dabei das Grundgesetz und jüngste Richtersprüche aus Karlsruhe auf ihrer Seite. Eine Reform der Schuldenbremse würde derzeit ohnehin am Widerstand der Union scheitern. Für eine solche Verfassungsänderung bräuchte es eine Zweidrittelmehrheit. So weit, so normal, könnte man denken: Diesen Streit bringt die Koalition seit Monaten zur Aufführung, und zwar seitdem das Bundesverfassungsgericht im vergangenen Herbst der Ampel ein paar Schuldentricks aus der Hand schlug. 

Ein Papier gegen die FDP – oder gegen den Kanzler?

Doch seit Montag wird die Lage noch verfahrener. Seit der Klatsche bei der Europawahl rumort es sichtlich in der SPD, die bisher doch stets als Ruhepol in der Koalition gegolten hatte. „Die wollen uns kämpfen sehen“, hatte Parteichef Lars Klingbeil mit Blick auf die verlorenen Wähler der Sozialdemokraten gefordert. Und, voilà: Die SPD kämpft.

Die Bundestagsfraktion hat ein Papier vorgelegt, in dem die Abgeordneten für 2025 fordern: Notlage erklären – und die Schuldenbremse aussetzen. „Das Dogma der Schwarzen Null bedeutet Stillstand und wirtschaftliche Unvernunft“, heißt es in dem Papier, aus dem unter anderem die Süddeutsche Zeitung zitiert. Angesichts der „außergewöhnlichen Notsituationen in der Ukraine und den deutschen Flutgebieten“, sollte Deutschland die im Grundgesetz vorgesehene Ausnahmeregelung von der Schuldenbremse ziehen.

Vor allem die Liberalen fürchten allerdings, dass diese Argumentation vor dem Bundesverfassungsgericht durchfallen dürfte.

Bemerkenswert an dem SPD-Papier: Es stammt nicht allein von der Parteilinken, die zuletzt gemeinsam mit den Jusos ein Mitgliederbegehren gegen den, wie sie es nennen, Sparhaushalt, gestartet hatten. Vielmehr haben es sowohl der Seeheimer Kreis, eine Gruppe eher konservativer Sozialdemokraten, unterschrieben, außerdem das Netzwerk Berlin, ein Zusammenschluss mittiger Abgeordneter.

Ihr Forderungskatalog lässt nun zwei Lesarten zu: Wollen die SPD-Abgeordneten Olaf Scholz demonstrativ den Rücken stärken in den Haushaltsverhandlungen gegen die FDP? Allerdings hatte Scholz am Sonntag im ARD-Sommerinterview gesagt: Der Haushalt müsse sich am Finanzplan orientieren. Heißt so viel wie: Die Schuldenbremse gilt. Es gehe darum, „weniger mehr auszugeben“. Weshalb nicht klar ist, gegen wen die SPD-Fraktion hier anschreibt. Die FDP? Oder in Wahrheit gegen den eigenen Kanzler? Unklar auch: ob angesichts dieser Gemengelage eine Fristverlängerung um ein paar Tage reicht.