Bund 90/Die Grünen: Die Rücktritte läuten die „Habeckisierung“ welcher Grünen ein
Endlich ein Rücktritt! Wie befreiend. Es gibt also noch Politiker, die Verantwortung übernehmen – für herbe Niederlagen, selbstverschuldete Krisen oder politische Skandale. Chapeau! Der komplette Vorstand der Grünen hat nach den drei vergeigten Ostwahlen feierlich erklärt, er werde beim Parteitag im November nicht mehr kandidieren, um der Partei den „Neuanfang“ zu ermöglichen. Emily Büning, politische Geschäftsführerin der Grünen, begründet das mit der höheren Moral des heiligen Auftrags: „Wir machen den Weg frei. Nicht weil wir meinen, dass das, woran wir glauben, nicht mehr gilt. Sondern weil das, woran wir glauben, größer ist als unser Amt.“
Zwei aus Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen
Nun ist das mit der höheren Moral so eine Sache. Meist stecken profane Bedürfnisse dahinter. Etwa die, für den kommenden Bundestagswahlkampf rechtzeitig die nötigen Vorkehrungen zu treffen. Und weil Vizekanzler Robert Habeck als Kanzlerkandidat der Grünen praktisch gesetzt ist, braucht es 2025 eine ihm zugetane, verlässliche, nach außen ebenso attraktive wie innerlich geschlossene Parteiführung.
Denn die Grünen sind – wie die CDU – auf dem Weg zum Kanzlerwahlverein. Und für Habecks Geschmack ist das derzeitige Spitzenduo aus Ricarda Lang und Omid Nouripour nicht gerade ein repräsentativer Sympathieträger. Die beiden sind loyal, aber ihre Ausstrahlung über die Partei hinaus ist begrenzt. Mit dieser Spitze ist kein Staat zu machen.
Es ist deshalb kein Zufall, dass bereits die Namen für den Ersatz kursieren. Franziska Brantner, Habecks parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, hat in Paris und New York studiert, saß im Europaparlament, spricht fließend Englisch, Französisch und Spanisch, holte bei der Bundestagswahl 2021 das Direktmandat in ihrem Wahlkreis Heidelberg und kümmert sich derzeit im Auftrag der Bundesregierung um die politisch korrekte Versorgung der Wirtschaft mit wichtigen und seltenen Rohstoffen. Sie stammt aus einem grünen Landesverband, der viel Erfahrung mit schwarz-grüner Regierungspraxis hat und das heißt, sie dürfte hinsichtlich der Bevorzugung dieses Modells nach der Bundestagswahl ein Wörtchen mitreden.
Felix Banaszak – ein Zivildienstleistender!
Als Brantners Ko-Kandidat ist der junge Duisburger Bundestagsabgeordnete Felix Banaszak im Gespräch. Der 34-jährige, offiziell zum linken Flügel zählende Banaszak, könnte die zuletzt weitgehend verlorenen Jungwähler zu den Grünen zurückholen und seiner Partei (er leistete Zivildienst als Altenpfleger) ein sozialeres Image verpassen. Als Landesvorsitzender der NRW-Grünen war er maßgeblich an den Verhandlungen beteiligt, die 2022 zur schwarz-grünen Koalition unter Hendrik Wüst (CDU) führten.
Brantner und Banaszak würden nicht nur eine medien-attraktive Doppelspitze abgeben, sie würden darüber hinaus die beiden wirtschaftsstarken Länder Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen repräsentieren und – was viel entscheidender für ihre Wahl sein dürfte – sie würden die beiden erfolgreichsten schwarz-grünen Koalitionen auf Länderebene zugleich absichern und für die nächste Bundesregierung als Erfolgsmodell empfehlen. Die „Habeckisierung“ der Grünen hat begonnen.