Betrug mit Klimazertifikaten: Schwierige Suche nachdem Tätern

Wer sind die Täter, die Klimaschutzzertifikate offenbar für Umweltkriminalität im ganz großen Stil ausgenutzt haben? Und wie ist es den Tätern gelungen, Nachweise für die Einsparung von Treibhausgasen zu ergaunern, die es mutmaßlich nicht gegeben hat? Diese Fragen standen bislang im Schatten der heftigen Vorwürfe, die die Opposition im Bundestag und die Biokraftstoffindustrie im Zusammenhang mit mutmaßlich betrügerischen Klimaschutzprojekten in China gegen das Umweltbundesamt und Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) erheben. Die Kontrollen seien zu lasch gewesen, und erst viel zu spät hätten UBA und Ministerin Lemke auf Hinweise reagiert, behaupten die Kritiker.

UBA-Präsident Dirk Messner entgegnete am Montag auf die Kritik, seine Behörde sei in die Fallstricke mutmaßlicher Täter geraten, die „hochverdächtig“ seien, ein „Schattenvertragssystem“ aufgebaut zu haben. Nach den bisherigen Erkenntnissen seien „die immer gleichen Akteure“ beteiligt gewesen. Eine zentrale Rolle haben offenbar Vermittler gespielt. Dafür habe man in 45 der 66 Klimaschutzprojekte in China „starke Verdachtsmomente“. Elf der chinesischen Projekte seien unverdächtig und zehn würden noch geprüft.

Die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt bislang gegen 17 Personen wegen des Verdachts des gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Betrugs. Nach derzeitigem Ermittlungsstand sei mutmaßlich im Fall von fünf angeblich zertifizierungsfähigen Klimaschutzprojekten ein Schaden in Höhe von knapp 1.126.000 Euro entstanden. Es bestehe der Anfangsverdacht, dass die Beschuldigten das UBA, welches über die Ausstellung der Zertifikate entscheidet, über die Existenz verschiedener Klimaschutzprojekte oder jedenfalls die Antragsberechtigung getäuscht hätten.

Prüfstellen im Visier der Ermittler

Bei den Beschuldigten handelt es sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft um die Geschäftsführer beziehungsweise Mitarbeiter von Prüfstellen, die an der Verifizierung mutmaßlich betrügerischer Klimaschutzprojekte in China beteiligt gewesen sein sollen. Nach einer Auswertung des ZDF-Magazins Frontal sind in chinesische Klimaschutzprojekte vor allem die Prüforganisationen Verico und Müller-BBM Cert Umweltgutachter sowie bei einigen wenigen Projekten der TÜV Rheinland eingebunden.

Das UBA und die an der Aufklärung beteiligte Rechtsanwaltskanzlei hielten sich am Montag bedeckt, Beteiligte an dem mutmaßlichen „Schattenvertragssystem“ zu benennen. Man sei weiterhin dabei, die Strukturen der „schön gemachten Schattenprojekte“ zu untersuchen. Eine Schwierigkeit bestehe darin herauszufinden, ob Unternehmen dem Täter- oder Opferkreis zuzurechnen seien. So gehe man Hinweisen auf Identitätsdiebstahl nach.

Projekte verweigern teilweise Kontrolle

Die Bemühungen, verdächtige Projekte in China in Augenschein zu nehmen, seien in den meisten Fällen erfolglos geblieben. Nur ein kleiner Teil der Anfragen sei mit positivem Ergebnis beantwortet worden. Nach Messners Angaben hat aber allein schon die Tatsache, dass Vor-Ort-Kontrollen gedroht hätten, Wirkung gezeigt. In sieben Verdachtsfällen hätten die Projektträger ihre Anträge auf Freischaltung von Zertifikaten zurückgezogen, als das UBA wegen Auffälligkeiten nachhakte.

Aus der Projektliste des UBA ergibt sich, dass zu den Projektträgern unter anderem die Rohstoffkonzerne Shell, BP und Vitol zählen. Häufig genannt wird der Name des Unternehmens Gulf Organisation for Research and Development (GORD) aus Qatar. Die meisten Projektträger wollten aber ungenannt bleiben und tauchen deshalb nicht auf der Liste auf.