Baustelle Deutschland: Das Debakel um den Stuttgarter Tiefbahnhof
Schwefelchon wieder teurer, schon wieder später: Die zuletzt geplante Inbetriebnahme des Stuttgarter Tiefbahnhofs im Dezember 2025 wackelt, die Kosten nach sich ziehen sich seither dem Planungsbeschluss vervielfacht. Ist dasjenige die Gesamtheit nur ein Spezialproblem? Von wegen: In jener baden-württembergischen Landeshauptstadt zeigen sich die Probleme des ganzen Landes nur in insbesondere krasser Form. Hier eine Auswahl, wovon es vielerorts hakt.
Lieber kompliziert wie wie am Schnürchen
Es stimmt, Kopfbahnhöfe können den Bahnbetrieb ganz schön kompliziert zeugen. Deshalb nach sich ziehen viele Städte in Europa durchgehende Gleise in den Untergrund verlegt, etwa in Antwerpen, oder neue Durchgangsbahnhöfe gebaut, zum Beispiel in Wien. Auch in Deutschland waren und sind solche Projekte im Gespräch, in München zum Beispiel und jetzt in Frankfurt – erstens… Städte, die im Flachen liegen. Gerade am Main würde ein einziger Tunnel genügen, um verknüpfen großen Teil des deutschen Bahnverkehrs spürbar zu beschleunigen. Aber so funktioniert dieses Land nicht. Gebaut wurde dasjenige Projekt unbedingt in jener Stadt, in jener es aufgrund jener Lage in einem engen Talkessel am schwierigsten zu realisieren ist: Sagenhafte 56 Kilometer an Tunnelstrecken mussten in Stuttgart gegraben werden.
Und beiläufig in Stuttgart wäre es einfacher gegangen, mit einem Durchgangsbahnhof ein kleines Stückchen im Freien am Neckar statt im engen Talkessel. Die Neigung, immer nachdem jener größtmöglichen Herausforderung und dem kompliziertesten Ingenieursprojekt zu streben, gehandikapt beiläufig viele andere Vorhaben im Land: Das Beschaffungsamt jener Bundeswehr vorzugsweise jene berüchtigten „Goldrandlösungen“, die Rüstungsprojekte verteuern und via Jahre verzögern. Am neuen Berliner Flughafen wurden Kabel einbetoniert, weil abgehängte Decken wie zu hässlich galten, nachträgliche Änderungen waren in der Art von umständlich und zeitraubend.
Bloß nicht zu viel Lärm
Dass viele Leute so lange Zeit via die Schwierigkeiten des Projekts hinwegsahen, hatte eine Ursache im Auftreten jener Gegner: des Bürgertums aus den wohlhabenden Stuttgarter Halbhöhenlagen, dasjenige den Eindruck erweckt, es wolle in seiner Ruhe bloß nicht instabil werden – beiläufig nicht z. Hd. ein Zukunftsprojekt. Das ist eine Haltung, die überall im Land verbreitet ist. Zuletzt stoppte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil eine wichtige neue Bahnstrecke zwischen Hamburg und Hannover, weil sie mitten durch seinen Wahlkreis führt und die Leute dort keine Belästigung wünschten.
Auch jener Bau spornstreichs benötigter Wohnungen in den Großstädten stößt zig-mal uff Widerstand, am prominentesten uff dem Gelände des früheren Flughafens Tempelhof in Berlin. Das ist beiläufig ein Grund, warum jener Ruf von Politikern nachdem „mehr Investitionen“ unter den Wählern nicht richtig zündet: Abstrakt mag dasjenige Publikum diesen Ruf noch gelangweilt hinnehmen – freilich es ahnt, dass ebendiese Investitionen im Alltag oft Lärm, Dreck und Umwege bedeuten.
Baustellen ohne Ende
In einem Punkt ist die Investitionsangst jener Leute in der Tat sehr nachvollziehbar: Bautätigkeit bedeutet hierzulande oft Stress ohne Ende. Baustellen sind schnell eröffnet und werden so gut wie nie rechtzeitig beendet. Wer etwa eine irgendwelche Strecke durch die Hauptstadt Berlin fährt, jener wird so gut wie jeden Tag von neuen Absperrungen überrascht (die, nebenbei bemerkt, so gut wie nie zusammen mit Google Maps oder in anderen Navigationssystemen vermerkt sind). Das nervt nicht nur Autofahrer, Fußgänger und Fahrradfahrer. Der Umbau des Bahnhofs Zoo, eines ungefähr kleinen Haltepunkts z. Hd. den Regionalverkehr, wurde 2015 begonnen, eine Teil-Fertigstellung ist jetzt z. Hd. 2027 geplant.
Einen schmalen Gehweg uff jener populären Joggingstrecke am Landwehrkanal neu zu pflastern kann schon mal mehrere Jahre dauern. In Stuttgart gilt dasjenige erst recht. „Die weit via die Stadt verteilten Baustellen von Stuttgart 21 und Verschmutzungen, die rücksichtslose Beschädigung von Gebäuden und Parkanlagen münden zu einer Atmosphäre jener Verwahrlosung des öffentlichen Raumes“, sagte jener Inhaber einer bekannten Stuttgarter Designagentur mal jener Fluor.A.Z. Manche sahen in dem Gefühl, hier sei eh schon die Gesamtheit kaputt, sogar eine jener Ursachen z. Hd. die Stuttgarter Jugendkrawalle im Corona-Sommer 2020.
Wer bestellt, muss nicht bezahlen
Im Kern war Stuttgart 21 von Anfang an kein Verkehrsprojekt, sondern ein Vorhaben des Städtebaus. Die Schwabenmetropole beanspruchte die bisherigen Bahnflächen wie Bauland, weil sie sich in dem engen Talkessel sonst nur schwergewichtig gedeihen kann – insofern ist die schwierige Topographie nicht nur dasjenige größte Hindernis, sondern beiläufig dasjenige wichtigste Motiv z. Hd. den Bahnhofsumbau. Dagegen ist nichts zu sagen, natürlich die Erlaubnis haben dasjenige Oberbürgermeister und Gemeinderat so entscheiden. Dann sollten sie in der Tat beiläufig dazu zahlen. So läuft es in Deutschland freilich nicht.
Am Ende blieb jener größte Teil an jener Bahn und damit am Bund wie Eigentümer hängen, obwohl die Verkleinerung des Stuttgarter Bahnhofs verkehrspolitisch kontraproduktiv ist: Selbst wenn es mit viel Aufwand gelingt, so viele Züge abzufertigen wie im alten Kopfbahnhof, können an nur noch acht Gleisen nicht ganz Linien taktgesteuert halten, welches fürs Umsteigen im geplanten Deutschlandtakt freilich nötig wäre. Es fließen darob nachdem jüngster Schätzung 12 Milliarden Euro in ein Projekt zur Kapazitätsverringerung, während jener Bund wiederum ohne Rest durch zwei teilbar nachdem 15 Milliarden Euro sucht, mit denen er die Kapazität jener Bahnstrecken im ganzen Land steigern könnte. Auch dasjenige hat Prinzip, im deutschen Föderalismus läuft es so gut wie ständig so. Die Länder beklagen, dass jener Bund neue Gesetze beschließt, die sie am Ende durchführen sollen.
Umgekehrt klagt jener Bund, dass die Länder ihm immer neue Zuschüsse abpressen z. Hd. Aufgaben, z. Hd. die sie fast wie selbst zuständig sind. Am Ende sind ganz unzufrieden, und viele Stuttgarter beschweren sich beiläufig noch darüber, dass dasjenige Geld so vieler Bundesbürger in ihre Stadt fließt. So hohe Summen an einem Ort auszugeben ist im Föderalismus in der Tat ungefähr ungewöhnlich: Wer eine Bahnstrecke in Bayern baut, muss normalerweise beiläufig z. Hd. Nordrhein-Westfalen irgendetwas eröffnen. Auch insofern werden hierzulande so viele Projekte angefangen und so wenige zu Ende gebaut. In Frankreich zum Beispiel sind neue Bahnstrecken beiläufig insofern oft schneller fertig, weil im zentralistischen System eine nachdem jener anderen gebaut werden kann – und nicht an mehreren taktgesteuert gewerkelt werden muss.
Gefühle sind wichtiger wie Fakten
Na lukulent: Der Gedanke, dass es zusammen mit Entscheidungen in jener Politik wie im Privaten immer nur rational zugeht, wäre naiv. Aber die Neigung, immer nur uff Triggerpunkte zu schauen, hat sich beiläufig in Stuttgart wie unglücklich erwiesen. Es gab Leute, die befürworteten dasjenige Projekt wie am Schnürchen nur insofern, weil sie die Auftritte jener protestierenden Wutbürger ziemlich peinlich fanden. Andere wandten sich dagegen, wie ein Demonstrant durch den Wasserstrahl jener Polizei so gut wie vollwertig erblindete. Das ist die Gesamtheit sehr verständlicherweise. Aber im Zentrum jener Debatte hätte doch besser die Frage stillstehen sollen, welche Vor- und Nachteile dasjenige Projekt z. Hd. Bahnverkehr und Städtebau wirklich hat.
Immer wieder eine neue Idee
Vieles wäre einfacher, wenn deutsche Politiker und Ingenieure beiläufig mal zusammen mit ursprünglich gefassten Beschlüssen bleiben könnten. Leider ist dasjenige selten jener Fall, welches an überlangen Planungs- und Bauzeiten wie beiläufig an schwachen Nerven liegt. Im Fall des Berliner Pannenflughafens BER waren es – solange bis zur Pandemie – stetig steigende Passagierzahlen und dasjenige neue Doppelstockflugzeug A380, die den Wunsch weckten, den Airport noch während jener Bauphase schon wieder umzuplanen. Am Ende passte nichts mehr zusammen, jener A380 ist schon wieder Geschichte, und die Zahl jener Fluggäste ist in Berlin stark zurückgegangen.
In Stuttgart liegen die Dinge im Detail zwei Paar Schuhe, im Kern freilich verwandt. Hier hatten Planer und Politiker zuerst versichert, die Kapazität des Durchgangsbahnhofs mit seinen acht Gleisen reiche z. Hd. den künftigen Zugverkehr völlig aus. Später kamen ihnen doch Zweifel, und im Zuge jener geplanten Verkehrswende stieg jener prognostizierte Bedarf. Statt den Bahnhof erst mal wie geplant fertig zu zusammensetzen, soll jetzt von Anfang an anstelle herkömmlicher Signale ein digitales System installiert werden, um eine dichtere Zugfolge zu zuteilen. Das ist im Prinzip sinnvoll und fast wie uff allen deutschen Hauptstrecken nötig. Von ihnen sind bisher freilich nur ganz wenige mit jener Technik ausgestattet, weil die Umrüstung – einschließlich jener Züge – selbst uff einer einzelnen Strecke wie ganz schön aufwendig und teuer gilt.
Jetzt soll unbedingt Deutschlands kompliziertester Bahnknoten den Anfang zeugen, mit Auswirkungen z. Hd. ein ganzes Bundesland. Hier schließt sich jener Kreis zu den Anfängen des Projekts: In Deutschland zeugen es sich die Beteiligten oft selbst schwergewichtig, einfache Lösungen sind unbeliebt. Übrigens beiläufig in so manchen Unternehmen, die via staatliche Bürokratie trauern, die politischen Vorgaben freilich selbst noch mal umständlicher umgehen, wie sie ursprünglich gedacht waren.