Auf verschmelzen Espresso: Gelesen wird immer

Wer sich fragt, wo Deutschland noch spitze ist, bekommt in diesen Tagen in Frankfurt eine Antwort. Die Buchmesse ist und bleibt die Leitmesse der Branche. Was Rang und Namen hat, macht halt am Main. Die Botschaft lautet: Das Buch lebt, und die Leute lieben dessen Lektüre weiterhin vor allem auf gedrucktem Papier. Die Branche verzeichnet ein Umsatzplus in den ersten drei Quartalen des Jahres. Die Autoindustrie wäre froh, wenn sie das von sich behaupten könnte.

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Bleiben wir noch kurz auf der Buchmesse. In der Verlagswelt herrscht tatsächlich nicht nur eitel Sonnenschein. Großer Unmut macht sich im Börsenverein des Deutschen Buchhandels über Künstliche Intelligenz breit, genauer gesagt über die Anbieter großer Sprachmodelle wie ChatGPT. Diese werden auch trainiert mit Daten aus urheberrechtlich geschützten Werken, ohne dass die Rechteinhaber davon etwas haben. Das ist ein Problem, das viele andere Wirtschaftszweige teilen. Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins, spricht vom „größten Datenklau der Geschichte“. Auf Politiker und Regulierer wartet hier noch eine Menge Arbeit.

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Künstliche Intelligenz braucht vor allem zwei Dinge: Strom und Chips. Amerikanischen Tech-Konzernen schwant schon länger, dass ihr immenser Stromhunger heikle politische und gesellschaftliche Debatten auslösen kann. Deshalb sprießen Kernkraftpläne nun wie Pilze aus dem Boden. Gerade gab Google den Abschluss eines Bündnisses zum Bau neuer, kleiner Reaktoren an. Deutlich heikler: Erst vor Kurzem hatte Rivale Microsoft die Absicht zur Wiederinbetriebnahme eines Reaktors im Atomkraftwerk Three Mile Island in Harrisburg, Pennsylvania, kundgetan. Die dortige Kernschmelze im Jahr 1979 bot Stoff für zahlreiche Verfilmungen.

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Wer in die richtigen Chipproduzenten investiert hatte, konnte in den vergangenen Jahren ein Vermögen machen. Vor allem der Aufstieg des Grafikprozessorspezialisten Nvidia ist atemberaubend. In dieser Woche brauchten Anleger aber starke Nerven. Schlechte Nachrichten vom niederländischen ASML -Konzern zogen die Halbleiterbranche in einen Abwärtssog. In Summe wurden an den Börsen in kürzester Zeit mehr als 400 Milliarden Dollar vernichtet. Eine Menge Geld. Manch einer spekulierte danach schon auf das Ende des KI-Hypes.

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Doch Anleger sind leicht zu begeisternde Wesen, und so brauchte es nicht lange, da kamen die Kurse stärker denn je zurück. Unter anderem trieben Rekordzahlen des taiwanischen Chipherstellers TSMC die zuvor heruntergeprügelten Kurse sogar auf neue Rekordhöhen. Wer im Zwischentief mutig investiert hat, der hat ein schönes Schnäppchen gemacht. Vom Ende des KI-Hypes ist übrigens nun keine Rede mehr.

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Zum Börsenaufschwung trugen auch Notenbanken bei. Die Europäische Zen­tralbank senkte die Leitzinsen am Donnerstag entgegen ursprünglichen Plänen um je 0,25 Prozent. Die Geldspritzen der chinesischen Notenbank verbesserten die Laune von Investoren ebenso wie die Erkenntnis, dass die jüngsten Wachstumsdaten etwas weniger schlecht ausfielen als erwartet. Man freut sich in unsicheren Zeiten ja schon über kleine Erfolge.

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Apropos kleine Erfolge: Der schon tot geglaubte Pariser Autosalon gab in dieser Woche neue Lebenszeichen von sich. Mit den Ausstellern kehrte auch das Bekenntnis zu Präsenzmessen zurück. Zu deren Befürwortern gehört Stellantis -Chef Carlos Tavares, der die große Bühne nutzte. Nachdem Stellantis zuvor bekannt gegeben hatte, dass 2026 für ihn Schluss ist an der Spitze des Mehrmarkenkonzerns, wurde schon gemutmaßt, wie viel er überhaupt noch zu sagen habe. Tavares stellte nun klar, dass sein Ausstieg selbst gewählt ist, und stürzte sich sofort vernehmbar ins anspruchsvolle Tagesgeschäft. Um den Folgen der aktuellen Absatzkrise entgegenzuwirken, dachte der als Kostenkiller bekannte Manager laut über den Verkauf unrentabler Marken nach. Opel? Nein, die seien profitabel. Aber der Sportwagenhersteller Maserati steht unter verschärfter Beobachtung. An Interessenten gerade aus China mangelt es offenbar nicht. Die Kultmarke unter chinesischer Führung? Mamma mia!

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Und dann war da ja noch Karl Lauterbach. Am Donnerstag beschloss der Bundestag die Krankenhausreform des sozialdemokratischen Gesundheitsministers. Ziel ist es, mit weniger Kliniken die Qualität der Leistungen zu verbessern. Das klingt ein wenig nach der Quadratur des Kreises, ist aber nach Meinung vieler Fachleute durchaus machbar. Allerdings formiert sich schon heftiger Widerstand vor allem in unionsgeführten Bundesländern. Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann strebt ein Vermittlungsverfahren an, um die Reform noch zu verändern. Das klingt, als wären viele Ideen in vielen Änderungsanträgen durchzuarbeiten. Aber gelesen wird ja bekanntlich immer.

Auf einen Espresso…

… ist eine Kolumne, in der verantwortliche Redakteurinnen und Redakteure der F.A.Z. jeden Samstag mit einem Augenzwinkern auf die Ereignisse der Woche zurückblicken.