Auf fetten Reifen nachts durch den Schnee heizen

Fatbikes bringen einen dahin, wo herkömmliche Mountainbikes nicht mehr weiterkommen – sogar in den Schnee. Im Schweizer Wintersportort Zermatt geht es mit den wuchtigen Reifen sogar nachts auf die Skiabfahrt. Das kostet zunächst Überwindung, wird dann aber zum großen Spaß.

Das Matterhorn ist in Zermatt, dem „Weltkurort“ auf rund 1600 Metern Höhe im Wallis, allgegenwärtig: in Pensions- und Restaurantnamen, auf Plakaten, Getränkekarten, Aufklebern – und natürlich in natura. Derweil ist die markante Felspyramide, die viele als den schönsten Berg der Welt bezeichnen, nur einer von 38 imposanten Viertausendern, die von der autofreien 6000-Einwohner-Gemeinde und ihren vier miteinander verbundenen Skigebieten zu sehen sind. Die gehören in puncto Größe, Anspruch und Infrastruktur zur Crème de la Crème der internationalen Skigeografie.

Doch Zermatt bietet auch Alternativen für Wintersportler. Zwar kommt Langlaufen aufgrund der engen Tallage nicht wirklich infrage, dafür aber Schlittenfahren und Schneeschuhwandern. Und dann ist da noch ein ganz besonderes Angebot: Fatbiken im Schnee, bei Nacht!

„Ich habe das vor einigen Jahren als One-Man-Show angefangen“, sagt Beat Habegger, „und bin damit neben einem Veranstalter in Andermatt wohl der einzige in der Schweiz.“ Auch in Österreich, Deutschland und Italien gibt es höchstens eine Handvoll Anbieter nächtlicher und winterlicher Fatbike-Touren.

Im Schnee wird das Fatbike zum Snowbike

So ein exklusives Vergnügen will ausprobiert werden. Und rechtzeitig gebucht sein, schließlich läuft man nicht einfach so hinein in Beat Habeggers etwas abseits der Uhrengeschäfte, Edelboutiquen und teuren Restaurants an der Bahnhofstraße gelegenen Radlstadl. Zum einen hat der 51-Jährige nicht jeden Abend offen, und zum anderen bietet er die Tour exklusiv an, sei es für Einzel- oder Paarfahrer oder wie in unserem Fall für kleine Gruppen bis zu fünf, sechs Personen.

Und während er für jeden von uns das passende Rad aus seinem kleinen Fuhrpark herausschiebt, erzählt er über sich und seinen Hauptjob als Skilehrer. Auf superdicken Reifen durch den Schnee zu heizen – und das ohne die verpönte Elektrounterstützung – findet er jedoch eine tolle Ergänzung und „einfach cool“. „Das Fatbiken erinnert mich an meine Kindheit, als ich mit dem Rad zur Schule gefahren bin und Riesenspaß beim Sliden hatte.“ Und den hat man mit den modernen „fetten Rädern“ eben auch.

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Dass man im Schnee und im Gegensatz zu normalen Bikes überhaupt vorwärtskommt, liegt an über 4,6 Zoll (rund 11,6 Zentimetern) messenden Reifen, die im Vergleich zum MTB-Standard mindestens doppelt so breit ausfallen. Und am niedrigen Reifendruck von gerade einmal 0,5 Bar.

„Diese Kombination erlaubt das Fahren auch auf anspruchsvollen Untergründen wie Sand, Matsch, Schlamm – und eben Schnee“, sagt Beat. In diesem Fall mutiert das Fatbike dann zum Snowbike und mit dem geht es uphill, downhill oder cross-country. Oder alles nacheinander. „Einzige Voraussetzung: Der Schnee ist nicht allzu tief.“

Zermatt und das Matterhorn verschwinden aus dem Blick

Mal sehen, wie sich das Terrain heute gestaltet. Schließlich hat es die vergangenen Tage geschneit und erst vorhin wieder leichter Schneefall eingesetzt. Nun gut, also Helm auf, Handschuhe und die superstarken, sensitiven Radlampen an und los geht’s. Erst an einigen urigen Chalets vorbei und dann – man glaubt es kaum – in einen XXL-Aufzug hinein. Mit dem fahren wir samt Bikes eine Dorfetage höher, um etwa 80 Meter weiter oben ausgespuckt zu werden.

Dann heißt es treten. Auf einsamen, geräumten Fußwegen juckeln wir durch den dunklen Wald. Hier gehen wohl tagsüber Einheimische und Touristen spazieren, jetzt hingegen gehört uns der geräumte Winterwanderweg ganz allein. Diese Dunkelheit, diese Stille! Nur das Knirschen des Schnees unter den Breitreifen ist zu hören, bevor es mal stärker bergab geht.

Vorher gibt Beat Tipps: „Wichtig ist immer, dass die Reifen nicht ganz blockieren, sonst steigt man vornüber ab. Beim Herunterfahren machen wir am besten den Sattel etwas runter und bleiben im Stehen. Generell gilt: Füße in die Mitte der Pedale und gut die Balance halten.“ Klappt bestens, bis auf die extrem laut quietschenden Bremsen. Bei sechs Fahrern ergibt das ein wahres Elefantenkonzert!

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Wie meditativ ist es hingegen, als Beat uns auf der Findelbachbrücke bittet, sämtliche Lampen auszuknipsen und nur den weiß funkelnden Schnee im schwachen Mondlicht zu genießen. Da es nun anfängt, stärker zu schneien, sind Zermatts beleuchtete Ausläufer nur schemenhaft zu erkennen, Matterhorn und andere Gipfel ohnehin nicht.

Den folgenden Anstieg sehen wir dafür recht gut. Klar ist: Der fordert uns und die SUV-Bikes zum ersten Mal richtig heraus, da hier Pappschnee und satte Steigung zusammenkommen. Schnell wird deutlich, dass die Kunst in richtig dosiertem Treten liegt. Zu viel Druck auf die Pedale sorgt auf diesem Untergrund für ein Durchdrehen der Räder, zu wenig für ein Steckenbleiben. Aber egal, dann werden die letzten steilen Meter hoch zur Straße eben geschoben. Kalt ist jetzt jedenfalls keinem mehr!

„Einfach laufen lassen, bloß nicht bremsen!“

Die, wenn auch leicht schneebedeckte Teerstraße ist trotz moderatem Anstieg fast ein Kinderspiel. Gut, dass kein Auto unterwegs ist (es fahren ohnehin „nur“ Einheimische herum), so können wir auch mal in kleineren Kurven hinauffahren, um Kraft zu sparen.

Am kleinen Pass angekommen, erklärt Beat, dass er von hier aus unterschiedliche Varianten unternimmt, „je nachdem wie die Gruppe drauf ist“. Da zahlt sich auch aus, wenn sich die Teilnehmer kennen und auf einem ähnlichen Level agieren. Mit manchen macht er dann Strecke und fährt bis Furi weiter, mit anderen wechselt er auf die zu jener Abendstunde meist frisch präparierte Skipiste, zeigt Techniktricks und „spielt ein bisserl“.

Angesichts des nun recht starken Schneefalls hat Beat andere Pläne. Er schlägt die Skiroute ins Tal vor. „Die wird jetzt zur Bike-Route!“ Wie bitte? Das überzeugt nicht jeden aus der Gruppe, zwei nehmen angesichts des etwas abenteuerlichen Einstiegs doch lieber die Straßenumfahrung. Der Rest versucht, Beat zu vertrauen, wenn er sagt: „Einfach laufen lassen, bloß nicht bremsen!“

Uff, das kostet Überwindung, wenn man wie auf einer Skischanze bergab rollt und dabei ordentlich Schwung holt. Da heißt es darauf bauen, dass Schnee und die bald wieder sanfter ausfallende Hangneigung die Geschwindigkeit drosseln werden. Was auch funktioniert – und für Freudenjauchzer sorgt. So ein Spaß!

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Einmal Vertrauen gefasst, geht es abschnittsweise immer weiter bergab und oft auch gut, wobei manch wankelmütiges Manöver in einem weichen Schneehaufen endet. Das kratzt höchstens am Ego, nicht aber am Körper. Die Verletzungsgefahr ist gering. Zur Not plumpst man einfach zur Seite in den Schnee. Da wird man höchstens nass.

Zum Schluss des Singletrails lassen wir es nochmal richtig laufen, ist doch schon von weiter oben das Flache mit ordentlich Platz zu sehen. Auf der Straße treffen wir wieder unsere dort wartenden Bekannten und es geht zurück zum Radlstadl. Am Hotelkamin wärmen wir uns bei einer Ovomaltine auf. Wohin man blickt: rote Wangen, leuchtende Augen und Begeisterung. Die drei Stunden auf dem Rad kamen allen deutlich länger vor.

Weitere Informationen:

Anreise: Am besten per Zug, entweder mit dem Glacier Express ab Sankt Moritz oder per Regionalbahn von Visp. Autofahrer müssen ihren Wagen fünf Kilometer vor Zermatt in Täsch parken und die letzten Kilometer per Taxi oder Bahn zurücklegen.

Fatbike Night-Ride: Beat Habegger Ski & Fat Bike Zermatt, fatbikezermatt.ch, inkl. Rad, Guide, Beleuchtung, Helm: ab drei Personen je 130 Franken (etwa 138 Euro), zwei Personen 340 Franken (etwa 360 Euro), eine Person 300 Franken (etwa 319 Euro). Anmeldung erforderlich, nur für private Fahrer bzw. Gruppen, bei denen sich die Teilnehmer kennen und konditionell und technisch in etwa auf gleichem Niveau sind. Eine Grundkondition für rund 400 Höhenmeter im Aufstieg ist Voraussetzung.

Weitere Auskünfte: zermatt.ch; valais.ch/de; myswitzerland.com

Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von Bahnurlaub.de. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter go2.as/unabhaengigkeit.

Source: welt.de