Alex Karp: Die neue Aufklärung

Frankfurt am Main 1997: Die Psychoanalytikerin Margarete Mitscherlich feiert ihren 80. Geburtstag. Unter ihren Gästen ist Alex Karp, damals junger Doktorand. Auf einem Gruppenbild steht er am Rand, schwarzer Rollkragenpullover, helles Sakko. So sieht man es in der aktuellen Dokumentation Watching You über den Palantir-Chef, die in diesen Wochen im Kino läuft. Scheu wirkt er, beinahe unberührbar.

Wie kann das sein? Warum steht einer der einflussreichsten Big-Data-Unternehmer dort inmitten der Granden der Frankfurter Schule? Was macht einer wie er, der sich heute mit den mächtigsten Menschen der Welt umgibt, der seine Überwachungsfirma von der CIA finanzieren ließ und im Aufsichtsrat von BASF und Springer saß, im Kreis von Margarete Mitscherlich, die zusammen mit ihrem Mann Alexander 1967 einen bahnbrechenden Essay über die Unfähigkeit zu trauern schrieb, einen Text, der sich mit der kollektiven Verdrängung der Nazivergangenheit im Nachkriegsdeutschland beschäftigt? Und wie kann es sein, dass Karp, der sich noch heute als Linker, als „Neomarxist“ bezeichnet, 2003, also nur sechs Jahre nach der Geburtstagsfeier in Frankfurt, ein Unternehmen gründet, das mit seinen Überwachungsstaatsfantasien heute an die Spitze des Datenkapitalismus drängt?