Neue Auswertung: Klimaschäden im Depot
Etwa 8000 Kilometer trennen Deutschland und die brasilianische Stadt Belém, wo sich derzeit Politiker, Unternehmer und Aktivisten treffen, um an Lösungen im Kampf gegen den Klimawandel zu arbeiten. Was weit entfernt scheint, kann auch große Auswirkungen auf die Depots der Deutschen haben. Das zumindest legt eine Datenanalyse des Indexanbieters MSCI und des Versicherers Swiss Re nahe, die der F.A.S. exklusiv vorliegt.
Darin wurde ausgewertet, wie stark Vermögenswerte von klimabedingten Schäden betroffen sein könnten. Die Analysten gingen dabei wie folgt vor: Sie haben 11.000 Unternehmen weltweit betrachtet, um abzuschätzen, wie teuer Betriebsunterbrechungen infolge von schweren Unwetterkatastrophen für sie würden. Diese Firmen befinden sich jeweils im Aktienportfolio führender Vermögensverwalter, die insgesamt vier Billionen Dollar verwalten.
Hitzewellen reduzieren Produktivität
Ursachen für die Betriebsunterbrechungen können beispielsweise Waldbrände, Überschwemmungen oder Dürren sein. Starke Hitzewellen, wie sie im vergangenen Jahr in Indien der Fall waren, führten beispielsweise dazu, dass Produktionsunternehmen die Arbeitszeit reduzieren mussten, was wiederum die Produktivität gesenkt hat. Hinzu kommt, dass das Risiko für Blackouts steigt, ausgelöst durch den plötzlich höheren Stromverbrauch für Klimaanlagen.
Die Einnahmeausfälle können allein im kommenden Jahr bei mehr als einer Billion Dollar liegen, schätzen die Experten. Sie gehen davon aus, dass etwa ein Viertel des betrachteten Portfoliowerts schon jetzt erheblichen Gefahren ausgesetzt ist. Die Folgen von Klimakatastrophen zeigt auch der Blick auf die Kursentwicklung: Jene Unternehmen aus dem beliebten Weltaktienindex MSCI All Country World, die zwischen 2022 und 2024 von einem tropischen Wirbelsturm betroffen waren, schnitten in den Wochen nach dem Ereignis deutlich schlechter ab als der Gesamtmarkt.
Nicht nur auf eine Region setzen
Die Unternehmen können diese Risiken managen, indem sie ihre Produktionsstätten anpassen, sich gegen Schäden versichern oder ihr Geschäftsmodell ändern. Für Kleinanleger wiederum ist das schwierig. Sie können an den Risiken selbst wenig ändern. Welche Lehren können sie aber trotzdem daraus ziehen?
Die erste ist eine Warnung: Sich nur auf Indizes mit Unternehmen aus einer Region zu konzentrieren, die nicht so stark vom Klimawandel betroffen ist, bringt eher wenig. Selbst wer sich beispielsweise hauptsächlich auf europäische Aktien konzentriert, ist dem Klimarisiko ausgesetzt. Der Gedanke, dass es hier zumindest keine Tropenstürme oder heftige Erdbeben gibt, ist zwar richtig.
Doch die Analyse hat auch ergeben: Sogar in einem Portfolio, das rund zur Hälfte aus europäischen Firmen besteht, werden 66 Prozent der Wertschöpfung außerhalb der Region erzielt und damit möglicherweise in gefährdeten Gegenden. Ein Beispiel, das die Autoren nennen, ist das Dax-Unternehmen Heidelberg Materials, das zwar in Deutschland ansässig ist, viel aber auch in Amerika, Afrika und Asien aktiv ist.
Die zweite Lehre zeigt, wo Anleger etwas tun können, auch wenn sie mit einem gewissen Aufwand verbunden ist: Wer in Einzelaktien investiert, sollte das Geschäftsmodell der Firmen gut verstehen und wissen, wo die Produktionsstätten auf der Welt verteilt sind. Börsennotierte Unternehmen führen in ihrer Berichterstattung häufig auch Klimarisiken an, selbst wenn sie teils nur schwer zu quantifizieren sind. Wer den Eindruck bekommt, das Risiko ist zu hoch, sollte diese Aktien lieber meiden.
Die dritte Lehre ist eine alte Börsenweisheit, die nie vergessen werden darf: Das Depot sollte breit aufgestellt sein, also bloß nicht auf eine einzige Branche oder Region setzen. Das gilt für Klimarisiken genau wie für alle anderen Gefahren, die den Erfolg auf dem Aktienmarkt bedrohen können.
Source: faz.net