Richterwahl: Bundestag wählt drei neue Richter für jedes dies Bundesverfassungsgericht
Der Bundestag hat im zweiten Anlauf der Bundesverfassungsrichterwahl alle drei Kandidaten gewählt. In der geheimen Abstimmung erreichten die beiden von der SPD aufgestellten Juristinnen Ann-Katrin Kaufhold und Sigrid Emmenegger und der Unionskandidat Günter Spinner jeweils die notwendige Zweidrittelmehrheit. Sie werden damit an das höchste deutsche Gericht berufen.
Um die erforderliche Mehrheit von zwei Dritteln der Abgeordneten zu erreichen, benötigten die Nominierten bei dieser Wahl 409 Stimmen. Emmenegger erhielt von 613 abgegebenen Stimmen 446,
Kaufhold 440 und Spinner 424 Ja-Stimmen.
Bundestagsvizepräsident Omid Nouripour hatte die Abgeordneten am Nachmittag zur Abstimmung gerufen. Für den Wahlgang wurden den Parlamentariern mit zwei Stunden ungewöhnlich viel Zeit gewährt, damit möglichst wenige Abgeordnete die Wahl verpassen. Das Ergebnis wurde schließlich rund zweieinhalb Stunden nach Wahlbeginn verkündet.
Drei neue Richter für das Bundesverfassungsgericht
Nach ihrer Wahl müssen die neuen Verfassungsrichter noch ein paar Tage warten, bis sie ihre Büros in Karlsruhe beziehen können. Kaufhold, Emmenegger und Spinner übernehmen das Amt von zwei Richterinnen und einem Richter, die wegen ihres Alters beziehungsweise des Endes ihrer Amtszeit ausscheiden. Am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe arbeiten insgesamt 16 Richterinnen und Richter.
Der von der Union aufgestellte Günter Spinner ist seit 2011 als Richter am Bundesarbeitsgericht in Erfurt tätig und wurde zuvor vom Bundesverfassungsgericht selbst vorgeschlagen. Wie die SPD-Kandidatin Ann-Katrin Kaufhold hatte er bereits im Juli zur Wahl stehen sollen. Die Juraprofessorin Kaufhold war Mitglied einer Kommission, die sich im Auftrag des Berliner Senats mit der „Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen“ beschäftigte.
Nachdem es während ihrer Kandidatur im Juli kaum Kritik gegeben hatte, kamen aus der Union vor dieser Wahl nun vereinzelte Stimmen, die sich an ihrer Haltung zu Enteignungen stoßen. Neben der Debatte um die damals von der SPD nominierte Frauke Brosius-Gersdorf war dies zuvor nicht thematisiert worden. Anstelle von Brosius-Gersdorf nominierte die SPD für diese Wahl Sigrid Emmenegger. Zuletzt war die promovierte Juristin Richterin am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Sie galt auch in der Union als unstrittige Kandidatin. Ob der zweite Wahlversuch glücken würde, galt trotz der unumstrittenen Ersatzkandidatin Emmenegger nicht als sicher.
Zweidrittelmehrheit für Richterwahl erforderlich
Zusammen mit den Grünen, die ihre Zustimmung zu allen drei Nominierten zuvor zugesichert hatten, kommt die schwarz-rote Koalition auf 413 Sitze. Für zwei Drittel aller Stimmen sind bei Anwesenheit aller Abgeordneten allerdings 420 Stimmen notwendig. Diese Zahl berechnet sich je nach Anwesenheit aller Abgeordneten im Plenum. An diesem Wahltag waren weniger Abgeordnete anwesend, weswegen nur 409 Stimmen nötig waren. Es musste zudem mindestens die Mehrheit der Stimmen der Abgeordneten, also mindestens 316 Stimmen, sein.
Aus diesem Grund war es möglich, dass die Regierungsparteien für eine Mehrheit entweder Stimmen der AfD oder der Linken benötigen. Gegen eine Zusammenarbeit mit der AfD hatten sich alle drei im Vorfeld ausgesprochen. Vor dem Hintergrund ihres Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Linken weigerte sich die Union jedoch, mit der Linkspartei über eine Unterstützung der Kandidaten zu sprechen. Die Linkspartei stellte ihren Abgeordneten die geheime Abstimmung zu allen drei Wahlvorschlägen frei.
Weil die Abstimmung geheim war, bleibt unklar, für welche Kandidaten Abgeordnete der verschiedenen Parteien gestimmt haben. Aus fast allen Fraktionen fehlten einzelne Parlamentarierinnen und Parlamentarier bei der Abstimmung. Nur die SPD-Fraktion erschien vollzählig. Da alle Kandidaten mehr als die 413 Stimmen erreichten, die Grüne, Union und SPD bei Vollzähligkeit aufbringen könnten, müssen sie jeweils auch von Abgeordneten der Linken oder der AfD gewählt worden sein. Ob diese Stimmen für die Wahl auch erforderlich waren, blieb zunächst unklar.
Missglückte Wahl belastete Koalition
Mit der Wahl von Kaufhold, Emmenegger und Spinner kann das Bundesverfassungsgericht mehr als zwei Monate nach der gescheiterten Richterwahl im Juli neu besetzt werden. Kurz vor der geplanten ersten Abstimmung am 11. Juli hatte der Unionsfraktionschef Jens Spahn kurzfristig beantragt, die Wahl zu verschieben. Er könne nicht garantieren, dass die Unionsabgeordneten in ausreichender Zahl den Vorschlägen zustimmen würden.
Grund dafür war der große Widerstand innerhalb der Unionsfraktion gegen die nominierte Rechtsprofessorin Frauke Brosius-Gersdorf, eine von zwei SPD-Kandidatinnen. Vorgebrachte Einwände waren etwa, dass ihre Positionen zum Impfen und zum Schwangerschaftsabbruch zu liberal seien. Zugleich gab es eine Kampagne mit Plagiatsvorwürfen, die sich wenig später aber als haltlos erwiesen. Brosius-Gersdorf zog in der Folge ihre Kandidatur zurück.
In der schwarz-roten Koalition sorgte die geplatzte Wahl für Verstimmungen. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Dirk Wiese sprach in der Folge etwa von einem Vertrauensverlust gegenüber der Union und ihrem Fraktionsvorsitzenden. Der Wahlausschuss des Bundestages hatte dem Vorschlag vor der Wahl zugestimmt. Normalerweise werden die vorgeschlagenen Kandidaten daraufhin ohne große öffentliche Debatte angenommen – die Union wählte in diesem Fall jedoch einen anderen Weg.
Die Ernennung der drei Richterinnen und Richter durch den Bundespräsidenten ist für Anfang Oktober
geplant. Bereits an diesem Freitag steht aber im Bundesrat die Wahl der
neuen Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts an. Für diesen
Posten ist Kaufhold vorgeschlagen.