Zolldrama hinter den Kulissen: So könnte dasjenige EU-USA-Treffen gelaufen sein
Ursula von der Leyen und Donald Trump in Schottland
Foto: Zuma Press Wire/Imago Images
So lief die Einigung zum Handelsabkommen womöglich ab: Die US-Delegation stellt Forderungen, Ursula von der Leyen schweigt – und gibt nach. Rekonstruktion eines Verhandlungsmoments, der Europas Schwäche gegenüber Trump gnadenlos offenlegte
Viele wundern sich, dass die EU-Kommission in den Handelsgesprächen mit den USA so wenig erreicht hat. Man hätte doch, so hört man es allenthalben, mutiger auftreten und mit Gegenmaßnahmen drohen müssen. Wie konnte man nur hinnehmen, dass die Amerikaner Zölle erheben und die Europäer einfach nichts tun? Sind die Europäer einfach Angsthasen?
Wer so denkt, weiß zwar nichts über den internationalen Handel. Man muss nur die beiden Dokumente, die auf beiden Seiten erschienen sind, vergleichen, dann weiß man Bescheid. Das Zauberwort ist „balanced trade“. Im amerikanischen Fact Sheet steht: „Die Vereinigten Staaten und die Europäische Union haben ein Kooperationsabkommen über gegenseitigen, fairen und ausgewogenen Handel geschlossen.“
Im europäischen Gegendokument heißt es: „Am 27. Juli 2025 einigten sich die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, und US-Präsident Donald J. Trump auf ein Abkommen über Zölle und Handel.“ Kein Wort findet sich dort über ausgeglichenen und fairen Handel. Weil die Diskrepanz zwischen den Dokumenten so offensichtlich ist, kann ich Ihnen genau sagen, wie die Verhandlungen abgelaufen sind. Ich war zwar nicht dabei, aber die Logik erzählt uns, wie es gewesen sein muss.
Ursula von der Leyen starrt auf ihre Sprechzettel, findet aber keine Antwort
Die amerikanische Delegation betritt den Verhandlungsraum, wirft ein Bild an die Wand, das die Leistungsbilanzsalden der USA und Europas zeigt. Die USA haben riesige Defizite, Europa hat große Überschüsse. Der amerikanische Unterhändler sagt: Es ist ganz einfach: Wir haben Defizite, ihr habt Überschüsse. Wir wollen einen ausgeglichenen Handel („balanced trade“, sagt er wörtlich), aber was wollt ihr?
Ursula von der Leyen starrt auf ihre Sprechzettel, findet aber keine Antwort. Ja, was wollen die Europäer? Soll sie jetzt sagen, dass die Europäer noch hundert Jahre Überschüsse haben wollen? Was kann man gegen „balanced trade“ vorbringen? Versuchen die Europäer nicht selbst, balanced trade in der Währungsunion zu erreichen? Gibt es nicht sogar Verfahren und Vorwürfe gegen Länder, die dauernd zu hohe Überschüsse aufweisen? Vielleicht wissen die Amerikaner das.
Noch bevor die Präsidentin der Kommission den Mund aufmachen kann, sagt der Amerikaner: Als intelligente Menschen und gute Ökonomen sind wir uns doch einig, dass Merkantilismus – der Versuch von Ländern und Regionen, sich durch dauernde Überschüsse im Handel auf Kosten der Handelspartner zu bereichern – in die Mottenkiste der Geschichte gehört. Das wissen wir schließlich schon seit 300 Jahren. Das sitzt.
Nur ausgeglichener Handel kann auch fairer Handel sein
Die Kommissionspräsidentin hat immer noch kein Wort gesagt, rappelt sich jetzt aber auf und stammelt: Aber bitte keine 30 Prozent, 15 Prozent sind ja auch nicht schlecht, wenn wir uns bemühen, in anderen Bereichen unseren amerikanischen Freunden entgegenzukommen. Gut, sagt der Amerikaner, machen wir 15 Prozent, ein paar hundert Milliarden an Direktinvestitionen, ein paar hundert Milliarden höhere Energieimporte – und die Sache ist geritzt.
Die Kommissionspräsidentin bedankt sich für diese großzügige Geste unter Freunden und bittet, dem lieben Donald die besten Wünsche auszurichten. Die Amerikaner verlassen den Raum, feixen und sagen: Noch nie war es so einfach, die Europäer sprachlos zu machen.
Ich fürchte, auch nach dieser Lektion werden die meisten Europäer nicht begreifen, was die Stunde geschlagen hat. Merkantilismus halten sie für ein Wort, mit dem man diejenigen beschimpft, die gegen den Freihandel sind. Aber nur ausgeglichener Handel kann auch fairer Handel sein.