Solidaritätszuschlag: Was Sie extra den Solidaritätszuschlag wissen sollen

Sechs FDP-Bundestagsabgeordnete haben 2020 vor dem Bundesverfassungsgericht Beschwerde eingereicht: Sie sehen ihr Recht auf Eigentum durch den Solidaritätszuschlag verletzt und kritisieren, dass mittlerweile nur noch das reichste Zehntel den Zuschlag zahlen muss. Das Bundesverfassungsgericht entscheidet nun: Wird der Soli in seiner jetzigen Form abgeschafft?

Worum geht es konkret vor Gericht in Karlsruhe?

Das Bundesverfassungsgericht hat sich im Prozess gleich mit mehreren Fragen beschäftigt: Wo genau bestehen heutzutage noch strukturelle Ungleichheiten zwischen Ost und West? Können diese 35 Jahre nach der Wiedervereinigung noch konkret mit diesem historischen Ereignis verknüpft werden? 

Und da der Solidaritätszuschlag offiziell nicht zweckgebunden ist: Muss der Soli unbedingt wegfallen, falls herauskommt, dass es mittlerweile keine konkreten Zusammenhänge mehr zur Wiedervereinigung gibt? Oder reicht es, wenn der Bund einen zusätzlichen Finanzbedarf hat?

Zusätzlich wurde in Karlsruhe noch darüber diskutiert, ob es rechtmäßig ist, dass seit 2021 nur noch die reichsten zehn Prozent der Deutschen den Soli zahlen. Und es wurde darüber gesprochen, ob im Falle einer Soli-Abschaffung bereits gezahltes Geld an die Steuerzahler zurückgegeben werden muss. Konkret geht es um 65 Milliarden
Euro aus den vergangenen Jahren. Zudem sind 12,75 Milliarden Euro Soli-Einnahmen im aktuellen Haushaltsentwurf verplant.

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Warum entscheidet das Bundesverfassungsgericht über den Solidaritätszuschlag?

Das Bundesverfassungsgericht
entscheidet darüber, wie das Grundgesetz ausgelegt wird. Weil die FDP-Abgeordneten mit einer Verletzung ihres Grundrechtes auf Eigentum
argumentieren, reichten sie dort 2020 Beschwerde ein. Ausgangspunkt waren der 2019 auslaufende Solidarpakt II und die darauffolgenden Debatten zur Rechtmäßigkeit des Solidaritätszuschlags.

In der laufenden Verhandlung sagte Bundesverfassungsrichterin Astrid Wallrabenstein: „Reden wir über den Elefanten im Raum.“ Der FDP sei es nicht gelungen, mit ihrem
Anliegen im Bundestag
weiterzukommen, nun versuche sie es eben mit einer Verfassungsbeschwerde. „Politisch ist mir ihr Ziel klar, rechtlich
nicht“, sagte Wallrabenstein.

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Gibt es bereits Urteile zum Solidaritätszuschlag?

Zuletzt urteilte der Bundesfinanzhof
2023, dass der Soli rechtmäßig ist und weiter erhoben werden darf. Das oberste
Finanzgericht argumentierte, der Bund habe schlüssig dargelegt, dass die
Wiedervereinigung
weiterhin erhöhten
Finanzbedarf verursacht – auch wenn die früheren Solidarpakte
ausgelaufen sind. Zuvor hatte ein Ehepaar aus Aschaffenburg mit
Unterstützung des Bunds der Steuerzahler geklagt. 

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Was spricht für den Solidaritätszuschlag und was dagegen?

Ein dem Gericht vorliegendes Gutachten
des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung aus dem Jahr 2023
kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Kosten der Wiedervereinigung im Jahr 2020
auf 13,8
Milliarden Euro beliefen. Auch in den Folgejahren sind jährlich rund 13 Milliarden Euro Mehrkosten angefallen und werden laut dem Gutachten bis 2030 vermutlich noch bestehen.

Reint Gropp, Präsident des Leibniz-Instituts
für Wirtschaftsforschung in Halle, wurde ebenfalls vom Bundesverfassungsgericht befragt. Er sagte ZEIT ONLINE, er sehe keinen klar auf die Wiedervereinigung zurückzuführenden Finanzbedarf mehr. Die berechneten Kosten beträfen vor allem Rentenausgaben, welche jedoch auch über die Rentenkasse ausgeglichen werden könnten. „Ich bin daher dafür, den Soli abzuschaffen, auch um zu demonstrieren, dass
der Osten nicht mehr das bedürftige Opfer ist, sondern durchaus
auf eigenen Beinen stehen kann.

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Wie kam es zur Einführung des Solidaritätszuschlags?

Der Solidaritätszuschlag wurde als Zusatz zu bereits bestehenden Steuern 1991 befristet und ab 1995 unbefristet
eingeführt. Die Staatskasse war damals aus mehreren Gründen stark belastet: Im zweiten Golfkrieg hat Deutschland 16,9 Milliarden DM der Kriegskosten
einer US-geführten Allianz übernommen. Außerdem waren in den fünf
ostdeutschen Bundesländern Hunderttausende Menschen arbeitslos – unter
anderem als Folge der Privatisierung ehemaliger Staatsbetriebe. Der Solidaritätszuschlag sollte zumindest die außergewöhnlichen Belastungen für den
Staat infolge der deutschen Wiedervereinigung abfedern. 

Lag der Soli anfangs noch bei 7,5 Prozent, wurde er 1998
auf 5,5 Prozent reduziert. Seit 2021 müssen ihn nur noch
Besserverdienende, Unternehmen
und Kapitalanleger zahlen. Für 90 Prozent der Steuerpflichtigen wurde
er im Rahmen des „Gesetzes zur Rückführung des Solidaritätszuschlags
1995“ abgeschafft.

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Wie unterscheidet sich der Solidaritätszuschlag von Solidarpakten?

Das Geld aus Solidaritätszuschlag und Solidarpakten soll die Kosten der Wiedervereinigung finanzieren und die Lebensverhältnisse in West- und Ostdeutschland angleichen. Die Mittel kommen jedoch aus unterschiedlichen Töpfen:
Während der Solidaritätszuschlag als Zuschlag zur Steuer erhoben wird, kommen die Gelder
der Solidarpakte aus dem Länderfinanzausgleich. Der Solidarpakt I
galt von 1995 bis 2004, der Solidarpakt II von 2005 bis 2019. 

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