Kampf gegen Diversität: Trump zwingt Europas Konzerne aufwärts Kurs

Donald Trumps Feldzug gegen Diversitätsprogramme zeigt jetzt auch in Europas Unternehmenswelt Wirkung. Zu den ersten großen europäischen Konzernen, die auf die Dekrete des amerikanischen Präsidenten gegen Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion („Diversity, Equity and Inclusion“, kurz DEI) reagieren, zählen die Schweizer Pharmariesen Roche und Novartis sowie die Zürcher Großbank UBS . Nicht alle agieren dabei so offen wie Roche.
Der Vorstandsvorsitzende des Basler Unternehmens, Thomas Schinecker, hat seinen gut 100.000 Mitarbeitern eine E-Mail geschrieben, in der er „Veränderungen in den Inhalten, Aktivitäten und Programmen in Bezug zu DEI in den USA und auch weltweit“ in Aussicht stellt. Zu den Gründen für den Kurswechsel hielt eine Roche-Sprecherin auf Anfrage der F.A.Z. fest: „Die Nichteinhaltung der neuen US-Gesetze könnte zu Strafen und möglichen Einschränkungen des Geschäftsbetriebs in den USA führen. Uns ist wichtig, dass Patienten uneingeschränkten Zugang zu unseren innovativen Medikamenten und Diagnostika haben.“
In den Vereinigten Staaten haben bereits reihenweise Unternehmen wie Walmart, McDonald’s, Meta und Amazon angekündigt, ihre DEI-Programme zurückzufahren oder ganz aufzugeben. Denn Trump hat diese Programme für illegal erklärt. Die entsprechenden Dekrete aus dem Weißen Haus betreffen allerdings nicht nur Unternehmen, die ihren Hauptsitz in den USA haben, sondern jeden Konzern, der in Übersee tätig ist.
Ist DEI diskriminierend?
Was die Dekrete bedeuten, haben die Rechtsexperten Thomas Müller-Bonanni und Christoph Seibt jüngst in der F.A.Z. beschrieben: „Alle Bundesbehörden und nachgeordneten Stellen wurden angewiesen, sicherzustellen, dass von ihnen beauftragte Unternehmen („federal contractors“) und deren Subunternehmer keine ‚illegalen‘ DEI-Praktiken anwenden. Unternehmen, die Aufträge der öffentlichen Hand annehmen, müssen nun bestätigen, dass weder sie noch ihre Subunternehmen solche Programme fahren, die im konservativen politischen Lager als ‚woke‘ gelten. Falsche Bestätigungen können harte Strafen unter dem Bundesgesetz gegen Betrug zulasten der öffentlichen Hand (US False Claims Act) nach sich ziehen.“
Hinter Trumps Kampf gegen DEI steht der Gedanke, dass derlei Programme ihrerseits diskriminierend seien, weil sie bestimmte Gruppen wie Frauen oder Angehörige ethnischer Minderheiten förderten und damit bevorzugten. In dem Brief an die Mitarbeiter kündigt der Roche-Chef deshalb indirekt an, die konkrete Ausrichtung der „Chief Diversity Offices“ in den USA und am Hauptsitz in Basel entsprechend zu verändern und die Zuständigkeiten neu zu verteilen. Künftig müssen sich interne Veranstaltungen, die sich beispielsweise um Inklusion drehen, an alle Beschäftigten richten.
Im Geschäftsbericht der UBS kommt DEI nicht mehr vor
Darüber hinaus formuliert Roche das personalbezogene Zehn-Jahres-Ziel um. Bisher lautete dies: „Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion: Erreichen eines integrativen Umfelds durch eine vielfältige Führung, die unsere Belegschaft widerspiegelt.“ Neu lautet die Zielformulierung nun: „Förderung eines integrativen Umfelds, das die Mitarbeiter zu Höchstleistungen anspornt.“ Dem Vernehmen nach wird Roche die bisherige Praxis beenden, konkrete Ziele für den Anteil weiblicher Mitarbeiter im Management zu veröffentlichen.
Schinecker erklärt seinen Leuten in dem Brief, welcher der F.A.Z. vorliegt, warum Änderungen in der amerikanischen Gesetzgebung Anpassungen auf globaler Ebene erfordern: „Der Grund dafür ist, dass unsere globalen Programme und Ziele Auswirkungen auf unsere US-Organisationen haben können, wenn wir nicht mit dem neuen Gesetz konform sind.“ Er verweist auf die große Bedeutung, welche die Geschäfte in den USA für Roche haben. Der Konzern beschäftigt dort 25.000 Mitarbeiter. Roche erwirtschaftet fast 54 Prozent seines Pharma-Umsatzes in diesem größten und lukrativsten Arzneimittelmarkt der Welt. Man hat also viel zu verlieren.
Auch der in Basel ansässige Roche-Rivale Novartis, der ebenfalls ein sehr starkes Standbein in Amerika hat, passt sich an die dortigen neuen Vorgaben an. Auf der amerikanischen Karriereseite des Pharmakonzerns ist das einst klare Bekenntnis zu DEI nicht mehr zu finden. Zu konkreten Fragen der F.A.Z. äußerte sich Novartis nur sehr allgemein: Die sich verändernde rechtliche und politische Landschaft in den USA erfordere Anpassungen. Es sei möglich, dass Novartis bestimmte Begriffe ändern müsse. Am Einsatz des Unternehmens für Chancengleichheit und eine vielfältige Unternehmenskultur ändere sich dadurch nichts.
Im Geschäftsbericht 2024 der Schweizer Bank UBS kommt der Begriff „DEI“ im Gegensatz zum Vorjahr nicht mehr vor. Auch das früher genannte Ziel für den angestrebten Anteil (30 Prozent) von Frauen auf Direktorenebene taucht nicht mehr auf. Im Geschäftsbericht weist die UBS auf das Dilemma hin, dass sie unterschiedlichen und manchmal widersprüchlichen Nachhaltigkeitsregeln (ESG) unterliegt. „So sind wir beispielsweise in bestimmten Ländern verpflichtet, Diversitätsziele oder andere ESG-bezogene Ziele festzulegen, die in anderen Ländern als illegal gelten oder den regulatorischen Erwartungen zuwiderlaufen.“
Auch die genannten Rechtsexperten haben auf den drohenden transatlantischen Normenkonflikt hingewiesen: Aufgrund von EU-Berichtspflichten müssten deutsche Unternehmen Ausführungen zu DEI-Programmen machen, die in den Vereinigten Staaten als Rechtsverletzungen gewertet werden könnten. Börsennotierte und der Mitbestimmung unterliegende deutsche Unternehmen seien verpflichtet, Zielquoten für den Frauenanteil in den ersten beiden Führungsebenen unterhalb der Geschäftsleitung festzulegen.