Vorgezogene Neuwahl: Was sie zur Bundestagswahl am Sonntag wissen zu tun sein
Es wird keine gewöhnliche Wahl, wenn am 23. Februar 2025 der 21. Bundestag gewählt wird. Zum einen ist es eine vorgezogene Neuwahl,
ausgelöst durch den Bruch der Ampelregierung. Zum anderen ist es die erste
Parlamentswahl auf Grundlage der Wahlrechtsreform, die 2023 beschlossen wurde. Was
wird also diesmal anders? Ein Überblick
Wer ist wahlberechtigt?
Wahlberechtigt bei der Bundestagswahl sind alle deutschen Staatsangehörigen,
die das 18. Lebensjahr vollendet haben, seit mindestens drei Monaten in
Deutschland wohnen und nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen wurden. Denn das Wahlrecht
kann durch einen Richterspruch bei bestimmten Straftaten aberkannt werden.
Wie kann aus dem Ausland gewählt werden?
Auch
Deutsche, die im Ausland leben, sind unter bestimmten Voraussetzungen
wahlberechtigt: Etwa, wenn sie nach dem 14. Lebensjahr mindestens drei Monate
ununterbrochen in der Bundesrepublik gelebt haben.
Um ihre Stimme abgeben zu können, müssen Wahlberechtigte im Wählerverzeichnis eingetragen sein. Deutsche, die im Ausland leben
und nicht in der Bundesrepublik gemeldet sind, werden das von Amts wegen jedoch nicht. Sie müssen daher selbst vor jeder Wahl einen
schriftlichen Antrag dafür stellen.
Wer kann kandidieren?
Das Privileg, zu wählen, wird als aktives Wahlrecht bezeichnet. Wer sich
selbst zur Wahl aufstellen lässt, macht wiederum Gebrauch von seinem passiven
Wahlrecht. Wählbar sind Deutsche, die zum Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet
haben und nicht vom Wahlrecht oder der Wählbarkeit ausgeschlossen sind.
Es gibt verschiedene Wege, Kandidatin oder Kandidat für ein
Bundestagsmandat zu werden. Der wohl einfachste führt über die Mitgliedschaft in
einer Partei. Die stellen Kandidaten für Direktmandate in den einzelnen
Wahlkreisen und für ihre Landeslisten in den jeweiligen Bundesländern auf. Nominiert werden die Vorgeschlagenen der Wahlkreise dann von Mitglieder- oder Vertreterversammlungen der
Parteien. Dabei kann jede Partei für einen Wahlkreis nur einen
Direktkandidaten aufstellen. Zwar müssen die Vertreter oder Mitglieder in dem
entsprechenden Wahlkreis wohnhaft sein, nicht aber die Kandidaten selbst. Über
die Plätze auf den Landeslisten entscheidet eine Vertreterversammlung des jeweiligen
Landesverbands einer Partei.
Um überhaupt Wahlvorschläge einreichen zu können, muss eine
Partei entweder bei der vergangenen Bundestagswahl mit mindestens fünf
Abgeordneten im Parlament vertreten gewesen sein oder bis 97 Tage vor der Wahl
beim Bundeswahlausschuss ihre Beteiligung an der Wahl anzeigen. Der
Bundeswahlausschuss stellt dann fest, ob die Vereinigung als Partei
anzuerkennen ist.
Doch auch ohne eine Partei können Einzelbewerberinnen und -bewerber vorgeschlagen werden. Sie können in einem beliebigen Wahlkreis
kandidieren, benötigen dafür jedoch 200 Unterstützerunterschriften von dortigen
Bewohnern.
Was sind Erst- und Zweitstimme?
Jede Wählerin und jeder Wähler hat zwei Stimmen: die Erst-
und die Zweitstimme. Die Wahl des Bundestags funktioniert nach der sogenannten
personalisierten Verhältniswahl. Dabei wird die Wahl eines Direktkandidaten für
einen Wahlkreis mit einer proportionalen Sitzverteilung im Bundestag
kombiniert.
Mit der Erststimme werden die Direktkandidaten im eigenen
Wahlkreis gewählt. Es gewinnt, wer die meisten Stimmen
erhält. Allerdings ziehen sie nur direkt in den Bundestag ein, wenn ihre
Partei insgesamt genügend Sitze durch die Zweitstimme erhält. Das ist neu, denn mit der Wahlrechtsreform wurden Überhang- und Ausgleichsmandate abgeschafft.
Mit der Zweitstimme entscheiden sich Wählerinnen und Wähler
in erster Linie für eine Partei und deren Landesliste. Die Zweitstimme
bestimmt, wie viele Sitze eine Partei im Bundestag erhält und wie die
Mehrheitsverhältnisse dort sind. Dabei wird im ersten Schritt geschaut, wie
viele Sitze einer Partei bundesweit zustehen und diese dann entsprechend auf
die Landesliste verteilt. Vorrang haben jedoch die Direktmandate, sie ziehen
zuerst in den Bundestag ein, danach werden offene Sitze über die Landesliste vergeben.
Ist eine Stimme an kleine Parteien verschenkt?
Für Bundestagswahlen gilt die Fünf-Prozent-Hürde. Das heißt, dass Parteien im ganzen Land mindestens fünf Prozent der Zweitstimmen erreichen müssen, um in den Bundestag einzuziehen. Kleine Parteien wie Volt, die Tierschutzpartei oder die ödp schaffen den Einzug deshalb in der Regel nicht. Dadurch hält sich auch die These, dass Stimmen an solche Parteien verschenkt sind.
Vertreter kleiner Parteien entgegnen dem gerne, dass jede Stimme Aufmerksamkeit bringe, auch wenn die Partei am Ende nicht in den Bundestag einzieht. Das gilt auch für die Themen, die die kleineren Parteien vertreten. Gleichzeitig trägt jede Stimme dazu bei, dass die entsprechende Partei wächst: Auch wenn Parteien die Fünf-Prozent-Hürde nicht überschreiten, profitieren sie zudem von staatlicher Parteienfinanzierung. Darauf haben sie bereits Anspruch, wenn sie mindestens 0,5 Prozent der Zweitstimmen erreichen.
Bei der Bundestagswahl im Jahr 2021 wählten mehr als acht Prozent diese sogenannten sonstigen Parteien – ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu 2017 (fünf Prozent). Wählerinnen und Wähler sollten sich dabei bewusst sein, dass ihre Wählerstimme im Bundestag gegebenenfalls nicht repräsentiert ist, wenn sie eine kleine Partei wählen, die nicht in das Parlament einzieht.
Wie viele Wahlkreise gibt es?
Deutschland ist in 299 Wahlkreise eingeteilt. Durchschnittlich
leben in so einem Wahlkreis nach Angabe der Bundeswahlleiterin rund 240.320
Menschen. Die räumlichen Grenzen orientieren sich nach dem Bundeswahlgesetz an denen von Gemeinden,
Kreisen und Städten. Pro Wahlkreis wird ein Direktmandat mit der Erststimme der
dortigen Wählerinnen und Wähler gewählt.
Grundsätzlich sollen in jedem Wahlkreis laut Bundeswahlgesetz etwa gleich viele Menschen leben. Da sich Einwohnerzahlen aber
ändern und Städte oder Gemeinden wachsen oder schrumpfen, verändern sich auch
die Bevölkerungszahlen in den Wahlkreisen. Weichen sie mehr als 25 Prozent von
der durchschnittlichen Bevölkerungszahl eines Wahlkreises ab, muss der Kreis neu zugeschnitten werden. Das geschah zuletzt zum Beispiel in Bayern,
wo seit der Bundestagswahl 2021 ein neuer Wahlkreis entstanden ist: Memmingen-Unterallgäu im Regierungsbezirk Schwaben.
Da Wahlkreise entsprechend der Bevölkerungsanzahl eingeteilt
werden, sind sie in Ballungsgebieten kleiner als in ländlicheren Regionen. Ein
Berliner Wahlkreis hat demnach eine kleinere Fläche als ein Wahlkreis in der weniger dicht besiedelten
Uckermark.
Was ändert sich mit der Wahlrechtsreform?
Ziel der Wahlrechtsreform von 2023 war die Verkleinerung des
Bundestags. Fortan soll das Parlament nur noch aus einer festen Zahl von 630
Sitzen bestehen. Dadurch soll es überschaubar und arbeitsfähig bleiben – denn
durch Überhang- und Ausgleichsmandate ist es in den vergangenen Jahren immer
weiter gewachsen.
Ein Überhangmandat entsteht, wenn mehr Direktkandidaten
einer Partei einen Sitz im Bundestag gewonnen haben, als der Partei durch die
Zweitstimme zusteht. Diese Überhangmandate wurden bisher durch sogenannte
Ausgleichsmandate ausgeglichen. Andere Parteien bekommen dadurch Sitze
geschenkt, damit das Mehrheitsverhältnis aus der Zweitstimme wieder gewährleistet
ist.
In der letzten Wahlperiode zum Beispiel gewann die CSU in 45
Wahlkreisen Direktmandate, kam aber nur auf einen Zweitstimmenanteil von 5,2
Prozent. Das entspricht 34 Sitzen. Nach dem alten Wahlrecht bekam die Partei durch
die Direktmandate elf weitere Sitze. Um das wiederum auszugleichen, zogen mit den
zusätzlichen CSU-Politikern auch 136 Abgeordnete anderer Parteien nach.
Die Ampelkoalition wollte in ihrer Reform auch die Grundmandatsklausel
abschaffen, das Bundesverfassungsgericht urteilte jedoch dagegen. Dadurch
können auch kleinere Parteien weiterhin in den Bundestag einziehen, sollten sie
an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Nämlich, wenn sie mindestens drei
Direktmandate gewinnen.
Was ist anders durch die vorgezogene Neuwahl?
Eigentlich sollte die Bundestagswahl am 28. September stattfinden. Nach dem Bruch der Ampelkoalition und der weitgehenden Handlungsunfähigkeit der rot-grünen Minderheitsregierung hatte Bundeskanzler Olaf Scholz jedoch den Weg für Neuwahlen frei gemacht. Nach der gescheiterten Vertrauensfrage von Scholz konnte Bundespräsident Steinmeier einen Termin für eine Neuwahl ansetzen. SPD und CDU hatten sich dafür auf den 23. Februar geeinigt.
Für Wahlgremien, Parteien und Politiker bedeutet das vor allem, dass sie
weniger Zeit haben. Die meisten Fristen, die bei einer Bundestagswahl
bestehen, werden nun halbiert – sei es die Frist zur Aufstellung von
Landeslisten oder die der Beteiligungsanzeigen. Für die Suche nach
Wahllokalen, Wahlhelferinnen und -helfern oder deren Schulungen bleibt
weniger Zeit, auch für Parteien, die ihre Listen und Wahlprogramme
aufstellen müssen.
Der neue Wahltermin fällt in die Schulferien in Sachsen, in vielen Regionen
des Landes wird in dieser Zeit zudem Fastnacht gefeiert. Zudem findet ein Teil des Wahlkampfs in der Weihnachtszeit statt, was es in Deutschland seit mehr als drei Jahrzehnten nicht mehr gegeben hat. Wählerinnen und Wähler sind aus der jüngeren Vergangenheit einen Wahlkampf im Sommer und einen Wahltag im Herbst gewohnt. Wird es das nun nicht mehr geben?
Nicht unbedingt, zeigt ein Rechenspiel: Nach Artikel 39 des Grundgesetzes beginnt eine Wahlperiode
mit der konstituierenden Sitzung des neugewählten Bundestags und dauert vier
Jahre. Eine Neuwahl darf frühestens 46 und spätestens 48 Monate danach
stattfinden. Eine Bundestagswahl könnte dadurch alle vier Jahre ein paar Wochen
früher stattfinden. Als Vorbild kann da die Bundestagswahl 1983 dienen: Der
damalige Bundeskanzler Helmut Kohl stellte im Dezember 1982 die Vertrauensfrage, im März 1983 wurde neu gewählt. Die nächsten Bundestagswahlen fanden am 25. Januar 1987 und dann am 2. Dezember 1990 statt. 1994 wurde Mitte Oktober gewählt – und 1998 fand die Bundestagswahl dann erstmals wieder im September statt. Nach drei Wahlperioden könnte also erneut ein Wahltermin im Herbst erreicht sein.
Wann gibt es Ergebnisse?
Schon um 18 Uhr werden am Wahltag die ersten Prognosen
gemeldet. Die Stimmen sind zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht ausgezählt. Wo also kommen die Daten her?
Grundlage für diese erste Prognose bilden repräsentative
Nachwahlbefragungen am Wahltag selbst. Das Wahlforschungsinstitut Infratest
dimap zum Beispiel befragt dafür in 560 Wahlbezirken Wählerinnen und Wähler
nach der Stimmabgabe darüber, wie sie sich entschieden haben. Die Ergebnisse dieser
Befragungen fließen dann in die Prognose des Instituts ein. Um auch Briefwähler
zu erreichen, führen die Meinungsforscher zusätzlich telefonische Befragungen
durch. Dennoch erschwert der steigende Anteil von Briefwählern eine verlässliche
18-Uhr-Prognose.
Von Prognosen zu unterscheiden sind Hochrechnungen. Hier fließen –
zusätzlich zu den Nachwahlbefragungen – erste
ausgezählte Ergebnisse ein. Sie werden von Mitarbeitern der Wahlforschungsinstitute,
die bei den Auszählungen in den Wahllokalen vor Ort sind, direkt an die
Institute durchgegeben. Im Verlauf des Abends werden sie dann immer weiter
aktualisiert – mit jedem weiteren Auszählungsergebnis.
Welche Koalitionen sind möglich?
Unsicherheit simulieren wir täglich 1.000 verschiedene
Wahlausgänge und berechnen für jeden eine fiktive
Sitzverteilung. Dann zählen wir, wie oft die jeweilige
Koalition eine Mehrheit hätte.
| Koalition | Chancen auf Mehrheit | ||
|---|---|---|---|
| + | nahe Null | ||
| + | nahe Null | ||
| + | nahe Null | ||
| + | nahe Null | ||
| + | nahe Null | ||
| + | nahe Null | ||
| + | nahe Null | ||
Wie sieht es mit Briefwahl aus?
Auch bei dieser vorgezogenen Neuwahl kann per Briefwahl
gewählt werden. Sämtliche Fristen – und damit auch in Bezug auf die
Briefwahl – werden bei der vorgezogenen Wahl halbiert. Daher bleibt sowohl den
Zustellern weniger Zeit, die Briefwahlunterlagen auszuliefern, als auch den
Wählerinnen und Wählern, sich zu entscheiden und ihre Unterlagen zur Post zu bringen.
Der Landeswahlleiter von Thüringen, Holger Poppenhäger,
appellierte ZEIT ONLINE gegenüber an Wählerinnen und Wähler, besser
direkt ins Wahllokal zu gehen. Bei der Briefwahl werde es vermehrt zu Problemen
kommen, kündigte er an. „Da bin ich überzeugt.“
Wann tritt der neue Bundestag zusammen?
Gemäß Artikel 30 des Grundgesetzes muss der neu gewählte
Bundestag spätestens 30 Tage nach der Bundestagswahl zusammenkommen. In dieser
konstituierenden Sitzung werden Bundestagspräsidentin, Stellvertreter und
Schriftführer gewählt. Zudem wird die Geschäftsordnung beschlossen. Ab dieser
Sitzung sind die bisherigen Bundestagsabgeordneten nicht mehr im Amt. Anders
sieht das mit der Bundesregierung aus: Sie bleibt auch danach noch
geschäftsführend im Amt, bis eine neue Bundesregierung beschlossen wurde.
Nach der Wahl beginnen die Parteien in der Regel
Sondierungsgespräche, um mögliche Koalitionen auszuloten. Verlaufen diese
erfolgreich, werden Koalitionsgespräche begonnen. Dessen Ziel ist ein
Koalitionsvertrag und schließlich eine Regierungsbildung.
Das Grundgesetz sieht keine festen Fristen für die Wahl des
Bundeskanzlers vor. Er oder sie wird vom Bundespräsidenten vorgeschlagen und
muss daraufhin vom Bundestag gewählt werden.