Bundestagsresolution: Von Antisemitismus betroffenen Künstlern hilft dasjenige nicht


Es bleibt die Gefahr der reinen Symbolpolitik

Foto: Foto2press/Imago


Die vom Bundestag verabschiedete Resolution ist das falsche Instrument, um am Antisemitismus im Bereich Kultur etwas zu ändern. Was wirklich helfen könnte? Stella Leder hat einige Vorschläge

Der Bundestag hat für die sogenannte Antisemitismus-Resolution gestimmt. Einige sind froh, dass sie nun endlich da ist (der Zentralrat der Juden, diverse NGOs); andere beklagen, sie sei zu wenig konkret; wieder andere lehnen sie pauschal ab. Besonders heiß diskutiert wird die Passage, in der es um Kultur geht. Dabei wird diese am Antisemitismus im Bereich Kultur nichts ändern.

Im Prinzip folgen Kritik und Lob an dieser Stelle den bekannten Argumenten der letzten Jahre: Auf der einen Seite wird festgestellt, dass staatliche Gelder keinen Antisemitismus fördern dürfen. Auf der anderen Seite wird auf die Kunstfreiheit verwiesen und für die Selbstregulierung des Kulturbetriebs plädiert. Die Resolution hält fest, dass Bund, Länder und Kommunen „rechtssichere, insbesondere haushalterische Regelungen“ erarbeiten sollen, die sicherstellen, dass keine Projekte „mit antisemitischen Zielen und Inhalten“ gefördert werden.

Wie sollen Jurys erkennen, ob ein Projekt antisemitisch ist?

Selbstverständlich wirft dies Fragen auf: Wie sollen Jurys oder Arbeitsebenen der Kulturverwaltungen erkennen, ob ein Projekt antisemitisch ist? Bekommen sie künftig Fortbildungen oder besuchen sie die geförderten Projekte, um nachzusehen, ob und wie – um mal ein bekanntes Beispiel zu nennen – der Text von Bachs Matthäuspassion bearbeitet wurde, bevor er aufgeführt wird? Wie geht man mit Fällen um, in denen sich Künstler*innen dämonisierend über Israel äußern, in deren Werken dieses Thema aber keine Rolle spielt? Was tun, wenn der Antisemitismus nicht im einzelnen Werk liegt, sondern in seiner Kuratierung? Zu bewerten, was antisemitisch ist und was nicht, ist im Bereich Kunst und Kultur in aller Regel kompliziert.

Vielleicht sind Antisemitismusklauseln ein Minimum, auf das man sich irgendwie einigen kann – gerade weil sie, selbst wenn sie eingeführt werden sollten, selten Anwendung finden werden. Wollte man die Auseinandersetzung mit Antisemitismus im Bereich Kultur hingegen voranbringen, bräuchten Kulturinstitutionen und Kulturverwaltungen genau hierfür Unterstützung. Sprich: Geld für entsprechende Fortbildungen. Oder, besser noch: Ausschreibungen für künstlerische Projekte zur Thematik, die die Auseinandersetzung mit Antisemitismus in die Institutionen hinein verlegen. Wie es mit der Arbeit gegen Antisemitismus in Zukunft aussieht, ist zurzeit aber sowieso weitgehend ungeklärt. Ob die Projekte, die gegen Antisemitismus arbeiten, in die vorläufige Haushaltsführung aufgenommen werden, bleibt abzuwarten.

Von Boykott betroffene Künstler*innen unterstützen

Weder die Resolution noch die allgemein debattierten Maßnahmen werden am Antisemitismus im kulturellen Feld etwas ändern. Erst recht werden sie von Antisemitismus betroffenen Künstlern nicht helfen. Während an Schulen Workshops zu Antisemitismus angeboten werden und in Zeitungen über die Resolution diskutiert wird, fragen sich jüdische und israelische Künstler*innen, die von Antisemitismus und Boykott betroffen sind, ob sie in Deutschland eigentlich noch Arbeitsperspektiven haben. Will man sie unterstützen, sollten Förderprogramme zu diesem Zweck auf den Weg kommen. Deutsch-israelische Kulturbeziehungen könnten ebenfalls gestärkt werden in Zeiten von Boykott. Für Einrichtungen, die von Boykott getroffen werden, könnte es finanzielle Unterstützung geben.

Im Moment ist von solchen Dingen nicht einmal die Rede. Wenn es so weitergeht, haben wir in ein paar Jahren gegebenenfalls zwar Antisemitismusklauseln auf der Ebene von Ländern und Kommunen, aber es leben keine israelischen und jüdischen Künstler*innen mehr hier, weil diese nach Israel zurückgekehrt sind oder umgeschult haben.