Private Altersvorsorge: Lindners Vorschlag zu Händen eine private Altersvorsorge ist klug

Finanzminister Christian Lindner hat einen wichtigen Reformvorschlag
der privaten Altersvorsorge
vorgelegt. Er enthält viele richtige Elemente, es
sind aber drei konkrete Veränderungen nötig, damit er breite Schichten der
Bevölkerung erreicht und nicht nur Besserverdienende und zudem nicht primär die
Interessen von Finanzinstitutionen bedient.

Das von der Bundesregierung vorgeschlagene Rentenpaket II
zeigt das Dilemma der gesetzlichen Altersvorsorge in einer stark alternden
Gesellschaft: Die Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent lässt
Beitragssatz und Steuermittel für die Rente deutlich steigen. Gleichzeitig ist
dieses Rentenniveau so gering, dass Menschen mit dem Renteneintritt ihren
Lebensstandard reduzieren müssen oder gar in Altersarmut fallen, wenn sie keine
anderen Ressourcen im Alter haben. Die Idee, die Altersvorsorge auf mehrere Säulen
aufzubauen, ist richtig und sinnvoll – aber nur, wenn die anderen Säulen neben
der gesetzlichen Rentenversicherung auch gut funktionieren. Daher ist es sogar überfällig,
die private Altersvorsorge zu stärken. Der Vorschlag des Bundesfinanzministers beinhaltet
einen staatlichen Zuschuss von 20 Prozent für jährliche Ersparnisse von bis zu
3.000 Euro. Der Zuschuss steigt, wenn die Versicherten Kinder haben oder
jung sind.

Die Reform sieht drei Fördermodelle der privaten
Altersvorsorge vor: 

  • Die bisherige Riester-Rente soll im Kern bestehen bleiben, sodass Menschen weiterhin die volle Garantie gegen mögliche Verluste auf ihre
    eingezahlten Beträge haben, aber auch eine geringe Rendite erzielen. 
  • Eine
    zweite Option beinhaltet eine Garantie von 80 Prozent der eingezahlten Beträge,
    im Gegenzug führt das zu etwas höheren Renditen, da die Gelder auch in Aktien
    und somit risikoreicher angelegt werden. 
  • Bei der dritten Variante gibt es keine
    Garantien, aber die langfristigen Renditeerwartungen sind am höchsten, da die
    Gelder in unterschiedlichen Anlagen, etwa Einzelaktien, ETFs oder
    Schuldverschreibungen, investiert werden können. Wenn man nicht selbst über die
    Anlage entscheiden möchte, soll es ein standardisiertes Referenz-Depot geben,
    das einem diese komplexe Entscheidung abnimmt. 

Hinzu kommt die Möglichkeit,
statt einer Leibrente einen Auszahlungsplan bis zum 85. Lebensjahr zu
vereinbaren. Der Vorschlag des Bundesfinanzministers beinhaltet zudem, dass
alle Bürgerinnen und Bürger Zugang zu einem kostenlosen Vergleichsportal haben,
um Transparenz und Wettbewerb zu verbessern und sie mehr Flexibilität erhalten,
zwischen Optionen und Anbietern zu wechseln.

Dieser Reformvorschlag ist eine deutliche Verbesserung
gegenüber der Riester-Rente, die Anfang der Nullerjahre eingeführt wurde. Zwar
gibt es mittlerweile 15 Millionen Verträge, viele davon werden jedoch nicht
mehr aktiv bespart, auch weil die Kosten durch die privaten Anbieter häufig
hoch sind, die Anlagen kaum eine Rendite abwerfen und die Transparenz gering ist.

Die Initiative des Bundesfinanzministers ist somit nachvollziehbar.
Aber drei zentrale Schwächen sollten noch behoben werden: 

1. Bislang nur freiwillige Registrierung

Eine erste
Schwäche ist, dass weiterhin alle Fördermodelle sogenannte Opt-in-Modelle
sind. Menschen müssen sich also aktiv registrieren. Dies war einer der Fehler
der Riester-Rente und hat mit dazu beigetragen, dass vor allem Menschen, die
besonders stark von einer privaten Vorsorge profitieren würden, diese nicht
abschließen. Besser wäre eine obligatorische Lösung oder – wenn das politisch
nicht konsensfähig erscheint – ein Opt-out-Modell, so wie es beispielsweise bei
der betrieblichen Altersvorsorge in Großbritannien (NEST) geschieht. Denn
ansonsten wird die Verbreitung weiterhin sehr selektiv und nicht hinreichend
hoch ausfallen. Typischerweise machen eher Besserverdienende und Menschen mit
hoher Bildung davon Gebrauch, profitieren von der staatlichen Förderung,
während breite Teile der Bevölkerung außen vor bleiben.

2. Geringverdiener werden überfordert

Die zweite Schwäche des Reformvorschlags sind dessen
Verteilungswirkungen. Selbst bei einem geförderten Sparmodell ist es für viele
Menschen mit geringen Einkommen schwierig, eine größere zusätzliche private
Vorsorge aufzubauen. Viele Familien mit wenig Einkommen brauchen schlichtweg
jeden Euro für ihren Lebensunterhalt. Und hier zeigt sich eine Schwierigkeit,
mitten im demografischen Wandel eine kapitalbasierte zusätzliche Säule
aufzubauen; denn beides kostet heute Geld, die Kapitalerträge werden aber erst
in Jahrzehnten einen relevanten Einkommensbestandteil im Alter liefern. 

Das
heißt, Beschäftigte – insbesondere aus den jüngeren Generationen – werden durch
die deutliche Erhöhung der Beitragssätze von heute 18,6 Prozent auf 22,3 Prozent
im Jahr 2035 finanziell belastet, gleichzeitig sollen sie zusätzlich einen
weiteren Teil ihres Einkommens für ein Altersvorsorgedepot abgeben. Viele
Geringverdiener dürfte dies finanziell überfordern und dazu führen, dass vor allem
ärmere Menschen keine solche private Vorsorge abschließen. Ein zusätzlicher
Widerspruch besteht darin, dass das Einkommen aus der privaten Vorsorge im
Alter auf die Grundrente angerechnet wird, sodass sich in manchen Fällen die
Anreize für private Vorsorge zusätzlich relativieren. Immerhin gibt es
Zuschüsse für junge Erwerbstätige, einkommensschwache Menschen und für Kinder. Sinnvoll
wäre es hier, die Zuschüsse auch zu dynamisieren, damit der
reale Wert der nominalen Zuschüsse mit der Zeit nicht ständig abnimmt.

3. Gefahr von verdeckten Kosten

Eine dritte Schwäche des Vorschlags ist die zentrale Rolle
der privaten Finanzinstitutionen. Bürgerinnen und Bürger erhalten zwar ein
gewisses Maß an Transparenz und Informationen über ein unabhängiges
Vergleichsportal, aber die Anlage selbst soll durch private Finanzinstitutionen
stattfinden, die selbst Geld verdienen wollen und Gebühren erheben werden. Die
Produktvielfalt ist heute schon enorm und erhält durch die Reform weitere
Elemente wie das Depot und die Möglichkeit des Auszahlungsplans, wird also eher
komplexer und unübersichtlicher. Die Anbieter werden versuchen,
diese Vielfalt für sich auszunutzen. Das schmälert letztlich die Rendite, die
bei den Sparenden ankommt, und damit die Alterseinkommen der Bürgerinnen und
Bürger. Wenn staatliche Institutionen dies nicht eng regulieren und die Kosten
begrenzen, dann ist die Gefahr groß, dass sich die Erfahrung der Riester-Rente
mit fehlender Transparenz und hohen Kosten wiederholt.  

Gleichzeitig dürfen die Erwartungen an die neue private
Vorsorge auch nicht zu hoch sein, denn ein Altersvorsorgedepot wird die
gesetzliche Rente erst langfristig merklich unterstützen. Ein
Durchschnittsverdiener
, der ab 2026 jedes Jahr die maximal geförderte Summe
einzahlt, könnte – unter günstigen Annahmen – ab 2040 sein Rentenniveau um fünf
Prozentpunkte (von 48 Prozent auf 53 Prozent) und ab 2065 um 15 Prozentpunkte, also auf 63 Prozent, erhöhen. Das wäre
eine erhebliche Verbesserung, gerade für Menschen mit geringen Ansprüchen an
die gesetzliche Rente. Aber die neue private Vorsorge wird eben auch erst in
Jahrzehnten ihre volle Wirkung entfalten und mittelfristig wenig an der
Altersarmut ändern.

Das Altersvorsorgedepot des Bundesfinanzministers ist ein ambivalenter
Schritt, dessen Potenziale nicht unterschätzt werden sollten. Bundesregierung und Bundestag sollten
ein schlüssiges Konzept möglichst schnell erarbeiten und umsetzen, denn es wird
seine Wirkung nur langfristig entfalten. Daher gilt auch für die kommenden zwei
Jahrzehnte, dass eine auskömmliche gesetzliche Rente für viele Menschen mit
geringen Einkommen und Rentenansprüchen ohne Alternative sein wird. Für den
wesentlichen Teil der Beschäftigten heute sind stabile Erwerbskarrieren, gute
Löhne und Einkommen weiterhin der beste Weg für eine gute Altersvorsorge.