Libanon: 2.750 Verletzte und 9 Tote durch Pager-Explosionen im Libanon

Hunderte Menschen im Libanon sind bei Explosionen von Telekommunikationsgeräten verletzt worden. Nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministers Firass Abiad gab es 9 Tote und 2.750 Verletzte. Rund 200 Menschen schwebten in Lebensgefahr. Die Explosionen seien aus
unterschiedlichen Landesteilen gemeldet worden, teilte Abiad mit. Die Pager waren den libanesischen Behörden zufolge fast zeitgleich detoniert.

Die Hisbollah-Miliz wirft Israel vor, für die explodierenden Pager verantwortlich
zu sein. „Wir machen den israelischen Feind voll verantwortlich für
diese kriminelle Aggression.“ Israel werde dafür seine „gerechte Strafe“
bekommen, teilte die Hisbollah mit. Ob Israel
die Geräte als Angriff auf Hisbollah-Kämpfer womöglich gezielt zur
Explosion gebracht haben könnte, ist jedoch offen. Es gab dazu keine gesicherten
Informationen. Israels Armee kommentierte die Explosionen
zunächst nicht.

Die USA wiesen derweil jegliche Kenntnis über einen Angriff zurück. „Die USA waren sich dieses Vorfalls nicht im Voraus bewusst. Und zum jetzigen Zeitpunkt sammeln wir Informationen“, sagte der Sprecher des Außenministeriums.

Explosionen legten offenbar Teile des Kommandosystems der Miliz lahm

Die Hisbollah meldete zunächst drei Tote, bei denen es sich um die Söhne zweier Hisbollah-Vertreter und die zehnjährige Tochter eines Mitglieds handeln soll. Laut Angaben aus Sicherheitskreisen wurden zahlreiche weitere Mitglieder verletzt. Nach Informationen des US-Nachrichtenportals Axios legten die Explosionen außerdem einen wesentlichen Teil des militärischen Kommando- und Kontrollsystems der Hisbollah lahm.

Unter den Verletzten ist Medienberichten zufolge auch Irans Botschafter
im Libanon, Modschtaba Amani. Die Verletzungen des 61-Jährigen seien
aber nur „oberflächlich“, und er sei bei Bewusstsein. Der Iran ist ein
wichtiger Verbündeter der
Hisbollah. Der iranische Außenminister Abbas Araghtschi verurteilt die Explosionen als „Terrorakt“.

Unklar, wie es zu Explosionen kam

Der genaue Hergang der Explosionen ist noch
unklar. Die staatliche Nachrichtenagentur NNA meldete, in den Händen und Hosentaschen mehrerer Personen seien Pager
explodiert. Diese
seien mittels fortschrittlicher Technik zur Explosion gebracht worden. Ein Hisbollah-Funktionär sagte der Nachrichtenagentur AP, die Funkempfänger der Gruppe seien plötzlich heiß geworden und dann explodiert. Es seien Pager einer neu verwendeten Marke mit Lithiumbatterien gewesen. Auch das Wall Street Journal berichtete, die Pager stammten aus einer Lieferung, die die Hisbollah erst kürzlich erhalten habe. Hunderte Kämpfer hätten solche Geräte, sagte demnach ein Hisbollah-Vertreter. 

Es sei zwar möglich, dass Hacker die Batterien in den Pagern mit Schadsoftware durch Erhitzen zum Explodieren brachten, zitierte das Wall Street Journal den Geschäftsführer einer US-Firma für Cybersicherheit. Aber das wäre sehr schwierig. Die Hacker müssten nicht nur die Marke und das Modell genau kennen, auch wäre der Effekt nicht so heftig gewesen, wie es Videos der Explosionen vermuten lassen, sagte der Experte. Wahrscheinlicher sei seiner Einschätzung nach, dass eine Lieferung der Pager auf dem Weg vom Hersteller zum Bestimmungsort abgefangen und mit Sprengstoff versehen wurde.

Diese Einschätzung deckt sich auch mit einem Bericht der New York Times. Demnach hätten israelische Agenten die in Taiwan hergestellten Geräte vor der Ankunft im Libanon abgefangen und mit jeweils etwa 25 bis 50 Gramm Sprengstoff bestückt. Das berichtet die Zeitung unter Berufung auf amerikanische und andere Behördenvertreter, die über die Operation informiert worden seien.

Panik in Beiruts Straßen

Augenzeugen berichteten von Panik in den Straßen Beiruts. In Videos von Überwachungskameras war zu sehen, wie es etwa in Supermärkten zu kleineren Explosionen kam. Teils lagen Menschen danach am Boden. Die meisten Betroffenen hätten Verletzungen „im Gesicht, an der Hand, am
Bauch oder sogar an den Augen“ erlitten, sagte Gesundheitsminister Abiad. Zahlreiche
Krankenwagen waren im Einsatz, die Kliniken baten um Blutspenden. Das Ministerium rief
alle Krankenhäuser zu höchster Alarmbereitschaft auf.

Auch Verletzte in Syrien

Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden auch 14 Menschen bei Pager-Explosionen in Syrien verletzt. „14 Menschen, deren Nationalitäten unbekannt sind, wurden in Damaskus und seinem Umland verletzt, nachdem von der Hisbollah genutzte Pager explodierten“, teilte die Aktivistengruppe mit Sitz in Großbritannien mit.

Seit Beginn des Gazakriegs vor fast einem Jahr kommt es im Grenzgebiet
fast täglich zu Konfrontationen zwischen der libanesischen Hisbollah und
dem israelischen Militär. Die proiranische Schiitenmiliz handelt nach eigenen Angaben
aus Solidarität mit der islamistischen Hamas im Gazastreifen. Auf beiden Seiten gab es infolge des
Beschusses Tote, die meisten von ihnen waren Mitglieder der Hisbollah.