Thüringer Aktivistin nachher welcher Landtagswahl: „Ich bin jetzt im Kampfmodus“
Nach den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen. Wie geht es den Menschen, die sich für eine offene Kultur und eine demokratische Zivilgesellschaft engagieren? Als Schwarze Aktivistin und Sozialarbeiterin kennt Josina Monteiro, in Erfurt geboren und aufgewachsen, die Stimmung in ihrem Heimatort.
der Freitag: Frau Monteiro, wie geht es Ihnen, knapp eine Woche nach der Landtagswahl?
Josina Monteiro: Der erste Schock hat sich gelöst. Es war ja absehbar. Aber es ist noch schlimmer geworden, als wir es erwartet haben, mit den über 30 Prozent für die AfD und der daraus resultierenden Sperrminorität. Wenn Sie mich fragen, wie ich mich fühle: fremd im eigenen Land.
Wie im Song von Advanced Chemistry?
Ja. Wenn man hier unterwegs ist, auf den Straßen … dann macht man sich hier sehr viele Sorgen.
Was für Sorgen sind das?
Dass die Leute, denen man jetzt täglich auf der Straße begegnet, mit einem sehr hohen Anteil migrationsfeindliche Parteien unterstützt haben. Und sich damit ganz klar zu ihrem Rassismus bekennen. Und dann mache ich mir Sorgen darüber, wie es weitergeht, für mich persönlich, aber auch für alle Personen, die von Rassismus betroffen sind und die vielleicht auch in schwächeren Positionen sind, nicht so gut Deutsch können und sich nicht wehren können. Es gibt schon direkt nach der Wahl interessante Erlebnisse …
Würden Sie dieses Erlebnis erzählen wollen?
Direkt am Wahlsonntag bin ich mit meinem Mann am Anger gelaufen. Das ist ein ganz zentraler Ort in Erfurt, die gute Stube, könnte man sagen. Da stand ein weißer Mann vor einer Gruppe von arabischen Männern und hat fortwährend „White Power“ gerufen. Die Männer waren ruhig und haben so getan, als ob sie es nicht hören. Aber er rief immer wieder: „White Power, white Power“, mit dem rechten Arm in der Luft.
Aber Sie haben bestimmt auch schon ähnliche Erfahrungen vor den Landtagswahlen machen müssen?
Absolut. Bei mir in der Familie kann ich Geschichten erzählen … wie über meinen Vater, der aus Mosambik zugewandert ist in den 80er Jahren, und schon zu DDR-Zeiten zusammengeschlagen wurde von Nazis. Also der Rassismus war schon immer da. Er hat sich seit 2015 extrem gesteigert.
Merken Sie das auch persönlich?
Ich erlebe gar nicht mehr so viel. Ich bin privilegiert, gehe arbeiten, bewege mich in bestimmten Gruppen. Aber ich kriege das von den zugewanderten Menschen mit, die ich berate. Was jeden Tag im Bus oder an der Supermarktkasse passiert. Und das bereits vor der Wahl. Und jetzt, mit diesen Ergebnissen und dieser Bestätigung, das ist nicht nur unser Gefühl. Die Hälfte der Menschen in diesem Bundesland hat ein Problem mit Migration und will niemanden hier haben, der nicht in ihr persönliches Bild passt. Das ist nochmal ein anderer Schock, ich kann es gar nicht anders ausdrücken.
Was meinen Sie mit Hälfte der Menschen? Die AfD hat ja bekanntlich nur 30 Prozent der Stimmen erhalten.
Ich meine die CDU. Hier in Thüringen ist es die AFD light. Deshalb ist es so wichtig, dass die Bundespolitik hier sehr genau hinschaut, was hier vorgeht. Es gibt ja schon Stimmen, aus der Thüringer CDU, die sich für die AfD öffnen wollen. Die Brandmauer muss stehen.
Wie geht denn das Leben für Sie weiter? Sie meinten ja zu Beginn unseres Gesprächs, dass Sie sich Sorgen machen, wie es für Sie und die Menschen in ihrem Umfeld weitergeht.
Ich habe mich schon vor der Wahl entschieden, dass ich auf jeden Fall hier bleiben werde. Ich habe Kinder, und solange die jung sind, will ich mich hier vor Ort weiterhin einsetzen für die Bekämpfung der Rahmenbedingungen. Die Frage werde ich aber immer wieder neu für mich beantworten. Ich kann mir irgendwann vorstellen, das Bundesland zu verlassen, aber akut ist es nicht.
Sie beraten Menschen, die frisch nach Deutschland gekommen sind. Was nehmen Sie in Ihrer Beratungsarbeit wahr?
Riesenangst. Sie fragen: Was heißt das jetzt, müssen wir Thüringen verlassen? Es ist ganz viel rechtliche Beratung und Bestärkung, dass es Menschen gibt, die sie trotzdem weiterhin unterstützen. Und wir beraten Menschen auch dahingehend, wie sie innerhalb von Deutschland umziehen können.
Wenn man in Erfurt oder Weimar unterwegs ist, hat man schon das Gefühl, dass das Stadtbild diverser geworden ist.
In den Dörfern ist das natürlich noch einmal anders, aber Erfurt, Jena und Weimar haben sich in den letzten Jahren sehr verändert. Äußerlich hat es sich angepasst an das Stadtbild einer westdeutschen Stadt. Auch in den Geschäften sieht man das: Wir haben Verkäuferinnen mit Kopftuch und Busfahrer mit Migrationshintergrund. Die Leute sind sichtbar. Und im Alltag fühlt es sich unheimlich leicht an. Genau das habe ich mich gefragt, als ich am Montag nach der Wahl zur Arbeit fuhr: Das kann doch nicht sein, dachte ich, es ist doch so bunt hier.
Sie sind Aktivistin und machen sich stark in der Initiative Schwarze Menschen Deutschland. Sind Sie erschöpft oder wollen Sie weiterhin aktiv bleiben?
Es ist eine riesige Erschöpfung und Anstrengung, vor der Wahl wie nach der Wahl, etliche Kampagnen und Demonstrationen im Vorfeld der Wahlen haben wir organisiert. Am Ende hat das nichts gebracht. Und trotz dieser Ernüchterung und Traurigkeit weiß ich von mir und meinen Mitstreiterinnen, dass wir in drei, vier Wochen weiterkämpfen werden. Ich bin auf jeden Fall im Kampfmodus.