Die Anwältin, die Kriminelle im Internet aufspürt

Ein Seminar, für das sie eigentlich gar nicht vorgesehen war, hat Jana Ringwalds Leben komplett verändert. Drogenhandel im sogenannten Darknet war das Thema der Fortbildung, also wie Kriminelle auf illegalen Marktplätzen im Internet Suchtmittel kaufen und verkaufen. Ein Gebiet, das für Ringwalds damaligen Job in der Staatsanwaltschaft wenig relevant war. Doch es war noch ein Platz frei, deshalb nahm sie an der Schulung teil.

Die Juristin schrieb während des Vortrags eifrig mit und stellte viele Fragen. Ihre Neugier war geweckt. Das merkte auch der Vortragende. Noch am selben Abend nach dem Seminar klingelte Ringwalds Telefon. Die Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt bot ihr eine Stelle an.

„Rein analoge Straftaten werden immer seltener“

Seit rund sieben Jahren ermittelt Jana Ringwald als Cyberstaatsanwältin und ist auf ihrem Gebiet erfolgreich, wie kaum sonst jemand in Deutschland. Den einst größten illegalen Marktplatz der Welt namens Hydra hat sie beispielsweise gemeinsam mit ihren Kollegen abgeschaltet, mehr als 17 Millionen Kunden waren dort zuvor unterwegs und kauften Drogen. Die Strafverfolger stellten Bitcoin im Wert von 23 Millionen Euro sicher. Kryptowährungen wie diese sind als Zahlungsmittel im Darknet sehr beliebt.

Über ihre Arbeit hat Ringwald nun ein Buch geschrieben, das am 20. August beim Murmann Verlag erschienen ist (216 Seiten, 25 Euro). Darin schildert sie ihre spannendsten Fälle und wie sie sich als Juristin in die Untiefen des Darknets vorarbeitet, ohne je ein Informatikstudium absolviert zu haben. Ihr Wissen hat sie sich selbst angeeignet.

Ringwald macht kein Geheimnis daraus, dass der juristische Apparat bei der Strafverfolgung in der Schattenwelt des Internets lange hinterherhinkte. „Doch rein analoge Straftaten werden immer seltener“, sagt sie. Fast täglich bekomme sie Anrufe von Kollegen, die sich in ihrer Arbeit mit kriminellen Machenschaften im Internet konfrontiert sehen oder auf Bitcoin-Wallets von Verdächtigen stoßen und sich fragen, wie sie damit umgehen sollen. Über das bestehende System klagen will Ringwald aber nicht. „Ich kann das Gemecker über die alten Strukturen nicht mehr hören. Wir müssen die Arbeit einfach anpacken.“

Heute gibt es in einigen Staatsanwaltschaften, den Landeskriminalämtern und im Bundeskriminalamt Einheiten für Cyberkriminalität. Wenn Ringwald auf illegale Marktplätze stößt, hat sie das Ziel, diese abzuschalten und die Kryptowährungen zu beschlagnahmen. Am schwersten mache man es den Betrügern, wenn man ihnen ihre Infrastruktur und ihr Geld wegnehme, sagt sie.

„Vollständig anonym ist selbst im Darknet niemand“

Zudem versucht sie, die Kriminellen aufzuspüren und sie auf die Anklagebank zu bringen. „Einfach ist das nicht, da sie sich hinter ihren Nutzernamen verstecken und oft in Ländern aufhalten, die nicht mit uns kooperieren.“ Einen Klarnamen gibt fast niemand im Darknet an. Ringwalds Ansatz ist ein uralter, der sich aber auch im Netz bewährt: der Spur des Geldes zu folgen. Denn irgendwann versuchen auch Internetkriminelle, ihr ergaunertes Vermögen in die reale Welt zu übertragen. „Vollständig anonym ist selbst im Darknet niemand.“

Ringwald formuliert dann die Anklageschrift, und die mutmaßlichen Drogenhändler, Datendealer und Cyberbetrüger müssen sich vor Gericht verantworten. Dabei kommen teils Kuriositäten zutage, wie es sie nur in der Internetkriminalität geben kann: Drei Männer, die gemeinsam einen der weltweit größten Marktplätze für Drogenhandel betrieben, wussten voneinander nicht mal ihre wahren Namen. Obwohl sie lange zusammengearbeitet haben, fand ihr erstes persönliches Treffen auf der Anklagebank statt.