Law Corner – Open-Blog – Die neue Law Corner z. Hd. die Freitag-Community
Man kann es nicht allen recht machen und man kann auch nicht immer mit allem Recht haben, aber ohne Recht hätte man wahrscheinlich gar nichts, außer Chaos und ein (Un-)Recht des Stärkeren, was auch nicht gerade die besten Aussichten sind. Deshalb geht es diesmal um das Thema Recht. Kurz und knapp soll in den folgenden Zeilen ein neues Blog-Konzept diesbezüglich präsentiert werden.
Konzept
Alles, was mit Recht assoziiert wird, soll an dieser Stelle mit Recht seinen eigenen Platz bekommen. Denn, obwohl das Recht so bedeutsam für das tägliche Leben ist, fehlt es bislang noch gänzlich an einem ebensolchen Ressort in der Freitag-Community. Da jedoch nicht in einem juristischen Fachjournal publiziert wird, soll wiederum nicht jedes Mal ein ganzes Seminar darüber lang und breit abgehalten werden; statt zu fachspezifisch sich ad nauseum in einschlägigen Terminologien und Paragrafen-Gestrüpp zu verlieren, wird es darum gehen, allgemeinverständlich für alle Leser zu formulieren und diese mitzunehmen. Die Kunst wird darin bestehen, rechtserhebliche Sachverhalte den Lesern so zu vermitteln, dass sie sie verstehen und auf diesem Fundament ihre eigene Meinung bilden können. Neben der Akzeptanz des Rechtsstaats soll damit vor allem der Demokratie gedient sein. Denn sie setzt Meinungspluralität inhaltlich voraus, allerdings eine solche, die sich im Rahmen des rechtlich Vertretbaren hält. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das staatliche Gewaltmonopol nicht originär beim Staat liegt, sondern diesem nur in derivativer Weise zusteht. Da nach Art. 20 II 1 des Grundgesetzes “alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht“, ist dieses nämlich der eigentliche Souverän. Auch das ebenso in Art. 20 niedergelegte Republikprinzip unterstreicht, dass die Bundesrepublik Deutschland kein Obrigkeitsstaat ist. Der Staat hat daher nicht in eigener Willkür, sondern ausschließlich im Interesse des Wahlvolkes Recht vorrangig über den Gesetzgebungsprozess zu schaffen und durchzusetzen. Um diese demokratische Ordnung der Nicht-Unterordnung des Bürgers zu bewahren, ist es wichtig, dass Medien als “vierte Gewalt“ einen wachsamen Kontroll-Blick auf die Ausübung des staatlich anvertrauten Gewaltmonopols haben und zudem den Bürger akkurat informieren. Insofern will die neue Rechtsecke das Recht wissensmäßig aus der Ecke von Fachsimpeleien exklusiver Personenkreise rausholen und in die breite Mitte der Bevölkerung stellen. Denn die Geltung des Rechts in einer freiheitlichen Demokratie lebt schlicht und einfach davon, dass es mehrheitlich von den Rechtsadressaten verstanden und angenommen wird.
Recht als Gegenstand
Für diesen Zweck empfiehlt es sich, zunächst den Gegenstand des Rechtsblogs rasch zu umreißen. Bei diesem handelt es sich ersichtlich um das “Recht“, welches gemeinhin als Ordnungssystem verstanden wird, das das Zusammenleben in einer Gesellschaft verbindlich und auf Dauer regelt und hiermit soziale Konflikte vermeidet. Vorliegend soll dabei nicht die Gesamtheit aller gesellschaftlichen Normen einbezogen werden wie etwa Sitten und Gebräuche, sondern ein System zeitlich und räumlich tatsächlich geltender und staatlicherseits garantierter Rechtsnormen. Unter Rechtsnormen sind Sollens-Sätze zu verstehen, die durch einen Tatbestand und eine daran anknüpfende Rechtsfolge gekennzeichnet sind. Oftmals werden diese durch Parlamente beschlossen, es gibt aber auch Rechtsquellen außerhalb von formellen Gesetzen.
Nach Gustav Radbruch erfüllt das vorbezeichnete positive Recht drei wesentliche Funktionen. Es dient der Rechtssicherheit, Zweckmäßigkeit und Gerechtigkeit. Doch was passiert, wenn Recht im Widerspruch zur Gerechtigkeit steht? In historischer Hinsicht war vor dem Hintergrund der gerichtlichen Aburteilung schlimmster Verbrechen die Frage, ob damals ein als solches vorgegebenes förmlich erlassenes Recht Recht war. Etwa mit Blick auf die sog. Mauerschützenprozesse, da sich die Angeklagten hinsichtlich des Erschießens von Grenzflüchtlingen auf Erlaubnissätze aus DDR-Gesetzen und das bloße Ausführen von Befehlen beriefen. Auch der Satz “was damals Recht war, kann heute kein Unrecht sein“ des NS-Richters und späteren Ministerpräsidenten Hans Filbinger ist in diesem Kontext paradigmatisch zu nennen, da im Dritten Reich perfiderweise viele, aber auch nicht alle Kriegsverbrechen in Gesetze eingekleidet waren. Insofern vertrat Gustav Radbruch in einem wegweisenden rechtswissenschaftlichen Aufsatz die Auffassung, dass im Falle der Kollision posiven Rechts mit der Gerechtigkeit dann nicht mehr von Recht zu sprechen sei, wenn der Widerspruch ein “unerträgliches Maß“ erreicht habe (sog. Unerträglichkeitsformel). Auch und erst recht, wenn ein Gesetz von Anfang an Gerechtigkeit nicht einmal anstrebe (sog. Verleugnungsformel), sei es als “unrichtiges Recht“ anzusehen und müsse der Gerechtigkeit respektive dem Naturrecht weichen. M.E. ergibt sich dieser Befund auch aus dem Wortlaut Recht; denn etymologisch leitet es sich aus der “indogermanischen Wurzel *h₃reĝ-, „aufrichten, gerade richten“ ab und hat somit eine moralische Konnotation. Weiterhin findet sich im Althochdeutschen mit rehtōn, was “Gerechtigkeit widerfahren lassen“ bedeutet, ein starkes Argument, das für einen unverbrüchlichen Zusammenhang zwischen Recht und gerecht streitet. Folglich sind dem positiven einfachgesetzlichen Recht nicht nur u.a. durch die Grundrechte in der Verfassung und überstaatlichem Recht, sondern auch durch überpositives Recht Grenzen gesetzt, womit der Gegenstand hinreichend umrissen ist.
Appell
Nunmehr ausgestattet mit dem entsprechenden geistigen Rüstzeug will die Law Corner alle dazu aufrufen, in den Kommentaren zu den künftigen Beitragsinhalten rege mitzudiskutieren. Und auch mitzubloggen. Da es sich um einen Open-Blog handelt, geht an jeden, der sich dazu berufen fühlt, der Appell, selbst unter der Rubrik Law Corner Beiträge zu verfassen und durch das eifrige Mitbloggen aus der Community rechtliche Themen stärker ins Bewusstsein der Rezipienten des Freitags zu rücken. Die Befassung mit rechtlichen Fragen sollte sich nicht nur aus reiner Neugier speisen, sondern ebenfalls aus der Erkenntnis der Betroffenheit; denn Ergebnisse der Responsivitätsforschung zeigen auch für Deutschland, dass Recht überproportional zugunsten von Vermögenden erschaffen wird. Statt one man one vote droht im Sinne von one dime one vote etwa wegen des einseitigen Einflusses von Parteispenden oder inakzeptablen Filzes eine Art de facto Zensuswahlrecht. Mit Blick auf Österreich ist es etwa verwunderlich zu registrieren, dass nach der Aufhebung durch das dortige Verfassungsgericht seit 2008 noch immer kein Gesetzentwurf zur Wiedereinführung der Erbschaftsteuer verabschiedet wurde, obwohl die Mehrheit der Bevölkerung sich dafür ausspricht. Und dort wie hierzulande fehlt es trotz endloser politischer Absichtsbekundungen weiterhin an einer Finanztransaktionssteuer, obwohl der Finanzsektor eine immer gefährlichere Größe erreicht. Es gibt somit genügend Gründe an geltendem oder gerade fehlendem Recht Kritik zu üben und Reformideen für einen fairer erachteten Zustand de lege ferenda zu unterbreiten, wofür an dieser Stelle eine Gelegenheit geboten werden soll. Denn alles zum Thema Recht taugt als Gesprächsbeitrag, auch Gedankengänge zur Rechtsphilosophie, Rechtspolitik und Rechtssoziologie sind willkommen. Allerdings ist bei rechtlich sensiblen Themen, etwa schwebenden, noch nicht rechtskräftig entschiedenen Verfahren, insbesondere wenn der betreffende Autor selbst darin involviert sein sollte, die vorherige Zustimmung der Redaktion erforderlich wie die Netiquette des Freitag unter Punkt 2 klarstellt. Wer dies beachtet und auch respektvoll mit anderen Foristen zu diskutieren bereit ist, für den gelten hiermit die folgenden Schlussworte:
Schweige nicht, sondern schreib!