Krise jener Warenhäuser: Gegen die Verödung jener Innenstädte

Dreimal war Galeria Karstadt Kaufhof schon insolvent. Bald soll der Warenhauskonzern einen neuen Eigentümer haben. Doch nochmals 16 der noch 92 Kaufhäuser werden geschlossen. Dass nicht alle bleiben können, haben die neuen Investoren Richard Baker und Bernd Beetz schon klargemacht – am Samstag soll die Liste mit den Schließungskandidaten folgen. Klar ist: wenn weitere Galeria-Kaufhäuser geschlossen werden, drohen gerade die Innenstädte mittelgroßer Städte zu veröden. Was geschieht, wenn ein Kaufhaus von der Größe und Bedeutung wie Galeria dichtmacht, zeigt sich in Städten wie Fulda, Offenbach oder Gelsenkirchen, Paderborn, Siegen oder Halle an der Saale.

Während an den Filialen in Leipzig, Chemnitz und auch Magdeburg bislang alle Schließungswellen vorübergingen, ging das Haus in der Saalestadt geradezu unter. Seitdem sind weite Teile der breiten Nordwestflanke des riesigen historischen Marktplatzes verwaist. Das Gebäude steht leer und dient von Zeit zu Zeit als Plakatfläche. Kein erhebender Anblick. Zumal das auf überhohen Blenderarkaden stehende sechsgeschossige Gebäude mit seinem verglasten Sockelgeschoss, dem auffällig kahlen Aufbau mit Schlitzfassaden und dem von Gaubenreihen durchbrochenem Kaffeemühlendach nicht gerade als architektonische Schönheit durchgeht.

Auch war es im Laufe der vergangenen Jahre durch die Anbindung umliegender Alt- und Neubauten deutlich erweitert worden, sodass es mit Abstand der größte Einkaufstempel der gesamten Region war. Kein Wunder also, dass sich Inhaber der vielen kleinen umliegenden Läden heute beklagen, dass durch die Schließung der Galeria mit ihrem breiten Angebot nun deutlich weniger Menschen in die Innenstadt kämen. Das bedeute weniger Publikumsverkehr, weniger Einkaufsbummelei und weniger Geschäft für alle.

In vielen Kommunen ist das Drama schon weitergelaufen

Dabei ist das Haus verkehrstechnisch ideal gelegen. Steht es doch mitten an einem Knotenpunkt von mehr als einem halben Dutzend Straßenbahnlinien und nicht weniger als einer Handvoll Geschäftsstraßen. Darauf aufbauend, verbreitete die neue Eigentümerin der Immobilie, die Leipziger Stadtbau AG, vor einigen Wochen über die Lokalpresse einiges an Hoffnung, bis Mitte des Jahres neue Mieter aus Handel und Gastronomie gewinnen und das Gebäude dann auch wieder aufsperren zu können. Viele Hallenser allerdings sind skeptisch.

Leere Halle: Das einstige Galeria-Gebäude an der Nordwestecke des Marktplatzes in Halle an der Saale
Leere Halle: Das einstige Galeria-Gebäude an jener Nordwestecke des Marktplatzes in Halle an jener SaaleStephan Finsterbusch

Galeria Karstadt Kaufhof steckt derzeit abermals im Insolvenzverfahren. Die neuen Herren im altehrwürdigen, doch über Jahrzehnte heruntergewirtschafteten Konzern wollen voraussichtlich 76 der gerade mal noch 92 Filialen übernehmen. Nach der Fusion von Karstadt und Kaufhof waren es mal 171. Welche Standorte schließen, hängt immer vom Verlauf der Mietverhandlungen zu den einzelnen Häusern ab. Die von den weiteren Schließungen betroffenen Städte sind gut beraten, sich bei jenen Kommunen umzuschauen, die in diesem Drama schon ein oder zwei Schritte weiter sind.

In Braunschweig etwa steht seit vielen Jahren der Horten-Bau leer, in dem in den 1970er-Jahren das Warenhausimperium Horten eine Filiale hatte. So legendär, dass das Haus bis heute nicht mal abgerissen werden kann, denn die berühmte Horten-Fassade, Rauten aus Alumi­nium, gehören dem Baustil des Bruta­lismus an und stehen unter Denkmal­schutz. Galeria war zuletzt bis 2020 dort mit einer Niederlassung vertreten. Konzepte zur Umnutzung seit der Schließung des Standortes gab es schon einige, darunter auch die Umwidmung in eine Kulturstätte, doch passiert ist nichts. Lediglich einige Arztpraxen finden sich in den oberen Etagen.

„Statussymbol für eine florierende Großstadt“

Braunschweig hat noch ein weiteres Galeria-Haus in der Innenstadt, dessen Schließung schon beschlossen war. Jetzt läuft der Betrieb aber erst mal weiter. „Galeria Karstadt ist für die Braunschweigerinnen und Braunschweiger kaum aus unserer Stadt wegzudenken. Das Kaufhaus ist nicht nur ein Ankerpunkt, sondern auch ein Statussymbol für eine florierende Großstadt“, sagt Christos Pantazis (SPD), der für Braunschweig im Bundestag sitzt.

In Fulda kennen sie diese Probleme schon länger. Im Oktober 2020 schloss hier in der Bahnhofsstraße die Galeria-Kaufhof-Filiale, nicht nur unter Alteingesessenen Fuldaern bekannt als das alte Kaufhaus Kerber. Die Immobilie umfasst mit angeschlossenem Parkhaus rund 30.000 Quadratmeter. Die Stadt in Osthessen, die an Thüringen und Bayern grenzt und in der rund 70.000 Menschen leben, erwarb 2021 die Immobilie – doch was damit tun? Oberbürgermeister Heiko Wingenfeld (CDU) sprach vage von einem „Stadtlabor“.

Fulda fördert Büroräume

Maximilian Kutzner von der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Region Fulda GmbH setzt diese Idee nun um. „Wir haben im vergangenen Jahr in dem ehemaligen Warenhaus Co-Working-Flächen geschaffen“, erzählt Kutzner. Diese besonders in den USA verbreitete Form von Büros funktioniert so: Sie sind klein, in Fulda zwischen 15 und 50 Quadratmetern, und natürlich für den Mieter abschließbar. Die 10 Büros werden von der Region Fulda Wirtschaftsförderung vollausgestattet mit Schreibtischen und Anschlüssen vermietet, auch die Reinigung wird organisiert.

Die Kündigungsfrist ist mit einem Monat sehr kurz und damit verlockend flexibel. Die Büros zu durchschnittlichen Monatsmieten von 349 Euro je Schreibtisch, inklusive aller Kosten, bis hin zu Kaffee und Getränken, seien derzeit alle vermietet, berichtet Kutzner. Stehen mehr Schreibtische in einem Raum, erhöht sich die Miete. Sie wird nicht nach Quadratmetern errechnet. So entstehen auch kommerziell interessante Skalierungseffekte.

Relikte vergangener Zeiten?

Doch trotz der vermieteten kleinen Büros stehe noch viel Fläche leer und werde nur temporär, etwa für Messen und Tagesveranstaltungen, genutzt. Außerdem verschlinge die Warenhausimmobilie viel Energie und belaste die Stadt Fulda mit hohen Fixkosten. „Die recht hohen Mieteinnahmen versetzen uns aber immerhin in die Lage, kulturelle und gemeinnützige Projekte zu finanzieren und damit das alte Warenhaus zu beleben“, sagt Kutzner. Angeboten würden über die Büros hinaus Räume, in denen sich 15 bis 20 Personen im halböffentlichen Raum treffen könnten – von Firmenveranstaltungen bis zum Yogaabend.

Er berichtet auch von einer gut angenommenen Ausstellung über die Geschichte des Kaufhauses. Es interessiere die Leute, wo sie oder ihre Eltern ihren ersten Koffer gekauft haben, bemerkt Kutzner lapidar. Aber ihm ist als promoviertem Historiker und Start-up-Gründer eines ganz wichtig: „Warenhäuser dürfen keine Museen werden.“

Für den Ernstfall planen

Deshalb wirbt Kutzner vor Kommunalpolitikern, die mittlerweile aus ganz Deutschland zu ihm kämen, um das „Fuldaer Modell“ zu besichtigen, vor allem für die gute Mieteinnahmen generierenden kleinen Büros. Sein Konzept teilt Kutzner mit anderen Städten und privaten Eigentümern von Kaufhausimmobilien in der Arbeitsgemeinschaft Zukunft Warenhaus, welche gerade in der Gründung ist. „Wenn Warenhäuser leer stehen, gibt es Dominoeffekte.

Ein leerer Körper im Herzen der Stadt strahlt auf Nachbargeschäfte unmittelbar negativ ab“, weiß Kutzner. Deshalb empfiehlt er allen Städten, sich darauf vorzubereiten, dass weitere Einzelhandelsimmobilien auf den Markt kommen. Es fehle allerdings vielerorts eine konkrete Vorstellung von wirtschaftlich tragfähigen Zwischennutzungskonzepten, die parallel zu staatlichen Förderungen langfristige Perspektiven aufzeigen.

Die Hessische Landesregierung stellt inzwischen Fördermittel bereit, damit Städte nach Geschäftsaufgabe Einzelhandelsimmobilien erwerben können. Wichtig sei dann, die Leerstände kurz zu halten, sagt Kutzner. „Wenn am Freitag geschlossen wird, sollte man am Montag wieder mit einem Zwischennutzungskonzept öffnen können.“ Dabei muss nicht alles sofort funktionieren, man müsse manches ausprobieren. „Das erfordert Mut. Aber Leerstand ist das Schlimmste für eine Innenstadt“, ist Kutzner überzeugt.