Zwei Traditionsvereine, ein Ziel –Klassenerhalt
Der HSV und der 1. FC Köln treffen am Sonntag aufeinander – beide frisch aufgestiegen, beide mit großen Namen und großen Baustellen. Warum Transfers, Talente und TV-Gelder über die Zukunft in der ersten Liga entscheiden könnten.
Die einen jubelten, die anderen darbten. Das 1:0 am Dienstag beim 1. FC Heidenheim und das Erreichen des Achtelfinales im DFB-Pokal spülten dem Hamburger SV 847.544 Euro in die Kassen. Der in der Bundesliga kommende Gegner 1. FC Köln ging einen Tag später durch das 1:4 gegen Bayern München hingegen leer aus. Wichtiges Geld für die Hanseaten, um sich weiter – vor allem auch in Liga eins – zu konsolidieren.
Wenn der HSV am Sonntag auswärts auf Köln trifft (15.30 Uhr/Sky und im Live-Ticker auf WELT.de), ist es ein Duell zweier Bundesliga-Urgesteine. Beide sind Traditionsvereine mit einer großen, erfolgreichen, aber auch schillernden Geschichte. Köln, der erste Deutsche Meister in der Bundesliga überhaupt, empfängt den Titelsammler der späten 1970er- und frühen 1980er-Jahre, HSV. Lange sind die großen Erfolge also her. Beide Vereine mussten sich zuletzt in der Zweiten Liga neu ausrichten, im Sommer stiegen sie auf. Nun wollen sie in Liga eins langfristig ankommen.
Der Start in die Saison lief für beide durchwachsen bis gut. Die Kölner liegen nach acht Spieltagen in der Tabelle auf Rang acht. Der HSV steht auf Platz 13. Systemanpassungen und ein umfangreicher Kaderumbruch beider Teams erschweren das Unterfangen, sich als Neulinge im Bundesliga-Oberhaus zu etablieren. Es gibt also einige Parallelen der kommenden Kontrahenten.
„Beide haben auch in der Zweiten Liga unwahrscheinlich gezogen“, sagt der Hamburger Sportökonom Henning Vöpel hierzu. Er erwähnt als positiven Einfluss die breite Fanbasis sowie die Stadt als Umfeld mit sehr guten wirtschaftlichen Voraussetzungen. „Auch die internationale Markenbekanntschaft ist da“, ergänzt er. Doch das alleine reiche nicht. „Selbst Traditionsclubs müssen sich nach dem Abstieg in der Ersten Liga wieder hintenanstellen“, so Vöpel. Um das zu kompensieren, sind kluge Spielerkäufe ein Muss. Gerade das Management ginge jede Saison ins Transferrisiko, müsse Spieler abgeben und das eingenommene Geld neu investieren.
Glückliche Auswahl an Leihspielern
Bei den Aufsteigern war Letzteres in diesem Sommer notgedrungen, schließlich galt es, den Kader für die höhere Spielklasse aufzurüsten. Dem HSV gelang es, mit der Leihe von Innenverteidiger Luka Vuskovic sowie den Last-Minute-Transfers von Albert Sambi Lokonga und Fábio Vieira (ebenfalls Leihe) für relativ kleines Geld echte Verstärkungen zu finden. Nun sei es laut Vöpel Aufgabe von Trainer und Management jede Transferperiode, also zweimal jährlich, das Niveau des Teams zumindest zu halten oder sich sukzessive zu verbessern.
HSV-Sportvorstand Stefan Kuntz mahnt an, dass eben diese Entwicklung dauere. Der HSV steht nach sieben Jahren in der Zweiten Liga mit 31,4 Millionen Euro im so wichtigen Ranking der TV-Gelder ganz unten in der Bundesliga-Tabelle. Ein Verein wie Mainz 05, der sich in der Eliteklasse des Deutschen Fußballs längst etabliert hat, liegt 24 Millionen Euro über dem HSV. „Im Vorstand haben wir uns ein Umsatzziel gesetzt, um weiter in die Mannschaft und den sportlichen Erfolg zu investieren“, sagte Kuntz hierzu der WELT AM SONNTAG. „Grundvoraussetzung ist, dass wir in der Bundesliga bleiben, Jahr für Jahr mehr Anschluss ans Bundesliga-Mittelfeld finden.“
Bisher klappte das passabel. Nach einem miesen Saisonstart konsolidierten sich die Hanseaten gerade wegen der drei Neuen. Vuskovic ist mit erst 19 Jahren der neue Abwehrchef und besticht neben guten strategischen Fähigkeiten mit einer robusten Physis. Zudem identifiziert sich der Bruder des lange wegen Dopings gesperrten Ex-HSV-Verteidigers Mario Vuskovic mit dem HSV.
Sambi Lokonga und Vieira geben den Hamburgern die nötige Spielkultur im offensiven Mittelfeld. In der Bundesliga ist das Spiel stärker auf Gegenpressing ausgerichtet als in der zweiten Liga. Um erfolgreich zu sein, muss man die gegnerischen Abwehrreihen überwinden. Der HSV hat hier Aufholbedarf, es fehlt zudem ein Angreifer, der regelmäßig für die entscheidenden Treffer sorgt.
Es fehlt einer junger aufstrebender Star
Das Siegtor gegen Heidenheim fiel am Dienstag per Strafstoß. Erzielt hat es der eingewechselte Robert Glatzel, der bisher in Liga eins kaum eine Rolle spielte und im letzten Bundesliga-Spiel gegen den VfL Wolfsburg nicht mal im Kader stand. Eine spannende Frage wird sein, ob der ehemalige Zweitliga-Torschützenkönig gegen Köln wieder eine Rolle spielt.
HSV-Coach Merlin Polzin setzt eher auf spielende Stürmer, als auf einen klassischen Neuner wie Glatzel. Bester Torschütze ist bislang der Rechtsaußen Rayan Philippe mit drei Toren, Angreifer Ransford Königsdörffer ist noch torlos und Neuzugang und Kapitän Yussuf Poulsen kam wegen fehlender Fitness nach Verletzung nicht über Kurzeinsätze hinaus.
Was dem HSV zudem im Portfolio fehlt, ist ein High-Talent, ein junger aufstrebender Star, der zudem zu Geld gemacht werden kann, also eine Kapitalanlage für die Zukunft wäre. Gegner Köln hat diesen im erst 19-jährigen Linksaußen Saïd El Mala, dessen Marktwert auf 18 Millionen Euro taxiert wird. Ob FC-Coach Lukas Kwasniok, der vor zu viel Euphorie warnt und El Mala behutsam aufbauen will, ihn beim Heimspiel, wie beim Pokal gegen München, in der Startelf bringt, bleibt offen.
So oder so wird es noch ein langer steiniger Weg für beide Clubs. Ziel in der ersten Saison Bundesliga kann nur der Klassenerhalt sein. Die Konsolidierung fände laut Sportökonom Vöpel beim Übergang von der ersten Erstliga-Saison zur zweiten statt. In dieser Transferphase würden die entscheidenden Weichen gestellt. Momentan wäre es vor allem Aufgabe der Trainer, nötige Punkte einzufahren, sowie kleine Ergebniskrisen zu moderieren, um auch das chronisch nervöse Umfeld bei Großstadtvereinen ruhig zu halten. „Wer zum HSV geht, geht ein großes Karriererisiko ein“, sagt Vöpel auch.
Um dies zu vermeiden, müsse man sich in der Vereinsführung engagieren, um nicht nur ein Ausbildungsverein oder eine Durchgangsstation zu sein. Es gelte die kommenden drei bis vier Jahre nachhaltig – möglichst mit einem Stamm von Spielern – zu planen. Kuntz könne mit seiner Vita eine wichtige Rolle spielen, glaubt Vöpel. Der HSV-Sportvorstand, selbst ehemaliger Spieler und Europameister von 1996, sagt, es werde „der härteste Abstiegskampf, seitdem ich im Profi-Geschäft dabei bin“. Die beiden Aufsteiger wollen nun weiter am Sonntag fleißig Punkte sammeln, um ebendiesen zu vermeiden.
Hinweis: Auch die Frauen des HSV spielen am Sonntag. Ihr Spiel gegen Eintracht Frankfurt im Volksparkstadion wird um 15 Uhr angepfiffen.
Martin Sonnleitner
Source: welt.de