Zuschlag für jedes deutsche Lithium-Gunstbezeugung: Mit dem Löwenherz raus aus dieser Rohstoffkrise
Deutschland will die große Abhängigkeit von Rohstofflieferungen vor allem aus China verringern und setzt dabei auf eigene Förderprojekte. Dafür hat die Bundesregierung einen eigenen Rohstofffonds eingerichtet. Dieser hat nun erstmals ein Projekt direkt unterstützt. Dabei geht es um die Förderung des Technologiemetalls Lithium, das vor allem für die Herstellung gängiger Akkus von großer Bedeutung ist. Schätzungen zufolge wird der Bedarf der Industrie in den kommenden Jahren enorm steigen. Die Internationale Energieagentur geht davon aus, dass sich die benötigte Menge auf der Welt bis 2030 auf rund 455.000 Tonnen mehr als verdoppeln wird.
„Lionheart“ heißt das nun durch den Bund unterstützte Großprojekt. Zwischen Reben und Äckern, nahe der Stadt Landau, will das deutsch-australische Bergbauunternehmen Vulcan Energy Lithium aus Tiefenwasser im Oberrheingraben filtrieren. Auf vier Kilometer Tiefe pumpt Vulcan in einem Rohr heißes Thermalwasser an die Oberfläche, löst das darin gebundene Lithium, nutzt die Wärme, um Energie zu erzeugen. In einem zweiten Rohr soll das Wasser dann wieder zurückgepumpt werden in die Tiefe. Das ist die Idee. Ein im besten Fall umweltschonendes und lukratives Konzept zugleich. Die kommerzielle Produktion soll 2028 starten. Dann will Vulcan 24.000 Tonnen Lithium im Jahr produzieren, Material, das für 500.000 Antriebsbatterien reicht. Im Endausbau will Vulcan Thermalwasser aus 28 Bohrungen an sieben Standorten zur Lithiumanlage nach Landau leiten und so die gesamte Wertschöpfungskette erstmals dauerhaft schließen. Die Kosten sind allerdings enorm: Auf 2,2 Milliarden Euro schätzt das Unternehmen die Gesamtausgaben inklusive Finanzierungskosten, die reinen Investitionsausgaben beziffert Vulcan auf 1,4 Milliarden Euro.
„Vulcan muss jetzt zeigen, was es kann“
Neben dem Fonds der Bundesregierung hat Vulcan jetzt nach eigenen Angaben alle Finanzierungen zusammen. Demnach geben Banken Kredite in Höhe von knapp 1,2 Milliarden Euro, 250 Millionen Euro kommen von der Europäischen Investitionsbank (EIB). Aktionäre sollen im Zuge einer Kapitalerhöhung 528 Millionen Euro beisteuern, ein großer Teil soll der deutsche Baukonzern Hochtief beitragen. Konkret will Hochtief für 130 Millionen Euro Aktien kaufen und damit zum „Ankeraktionär“ von Vulcan aufsteigen. Weitere 39 Millionen Euro investiert der Konzern nach eigenen Angaben direkt in das Lionheart-Projekt. Im Gegenzug kümmert sich die Hochtief-Tochtergesellschaft Sedgman im Rahmen eines Gemeinschaftsunternehmens um „Planung, Beschaffung und Projektmanagement“ sowohl der Lithiumextraktionsanlage in Landau als auch der zentralen Weiterverarbeitungsanlage in Frankfurt – in Summe Aufträge über rund 730 Millionen Euro.

Vulcan ist eines von mutmaßlich drei Projekten, die der beim Bundeswirtschaftsministerium aufgehängte Rohstofffonds bislang geprüft hat. Bei den anderen beiden soll es sich nach Informationen der F.A.Z. um das australische Bergbauunternehmen Arafura handeln, das im Norden des Landes eine Förderstätte für Seltene Erden sowie eine wichtige eigene Raffinerieanlage plant. Zu dem kanadischen Projekt, bei dem es um Gold und Kupfer gehen soll, ist bislang wenig bekannt. Die Förderung von Vulcan ist unter Rohstofffachleuten durchaus kontrovers diskutiert worden, schließlich ist die Fördertechnik wenig erprobt. Andererseits hatten kritische Stimmen aus der Wirtschaft schon zur Eile gemahnt, angesichts der hohen Brisanz bei der Versorgung. Er begrüße es, dass es nach all den Diskussionen endlich losgehe, sagte der Frankfurter Rohstofffachmann Stefan Müller der F.A.Z. zur Vulcan-Entscheidung. Es sei gut, dass der Bund „mit der Wahl dieses durchaus nicht unumstrittenen Projektes zeige, dass er sich der Risiken im Rohstoffgeschäft bewusst und bereit ist, diese einzugehen“. Nun müsse Vulcan zeigen, dass man es könne. Für künftige Förderung wünsche er sich einen breiten Anreiz für Investoren, einzusteigen, der auch kleinere Projekte begünstige, sagt Müller, dessen Unternehmen auf die Finanzierung von Rohstoffprojekten spezialisiert ist.
„Lionheart ist Europas erstes Projekt, das die direkte Lithiumgewinnung mit der Erzeugung erneuerbarer Energien kombiniert und damit einen neuen Standard für nachhaltiges Lithium setzt“, kommentierte die deutsche Vizepräsidentin der EIB, die frühere FDP-Politikerin Nicola Beer, das Projekt. Durch die Sicherung einer strategischen Lithiumversorgung für die europäische Industrie stärke die Bank die Souveränität Europas und unterstütze die Energiewende.
Der Bund hat sich schon in der Vergangenheit finanziell an Vulcan engagiert: Ende 2024 hat das Bundeswirtschaftsministerium 100 Millionen Euro für die Dekarbonisierung der Fernwärme in Landau beigesteuert. Geld, um den geothermischen Teil des Projektes zu unterstützen, wie es heißt, also Infrastruktur, Erzeugung, den Transport und die Lieferung von Erdwärme. Ende Juli flatterte die zweite Förderung ins Haus. Mit 104 Millionen Euro unterstützen der Bund und die Länder Rheinland-Pfalz und Hessen den Lithium-Teil des Projektes, konkret also die Aufbereitungsanlagen in Landau und Frankfurt. Dieses Geld fließt im Rahmen des „Temporary Crisis and Transition Framework“, mit dem die EU die Förderung von sauberem Lithium für die Zellfertigung fördern will. Die Subvention sei, hieß es vom Bundeswirtschaftsministerium, „ein weiterer Schritt hin zu einer sicheren und bezahlbaren Versorgung der deutschen Wirtschaft mit Rohstoffen“.
Anlagen auch in Frankfurt
Zwei kleinere Geothermiekraftwerke hat Vulcan schon zugekauft. Ältere Anlagen, die seit Jahren ihren Dienst tun. Die eine produziert für die Stadt Landau Wärme, die andere für die Gemeinde Insheim Strom. Und aus beiden filtert das Unternehmen zu Probezwecken Lithium und verarbeitet es. In Landau hat Vulcan dazu eigens eine Anlage gebaut, die aus der lithiumhaltigen Sole das Lithiumchlorid extrahiert. Das wiederum wird als wässrige Lösung mit Tanklastwagen ins 130 Kilometer entfernte Frankfurt gefahren. Dort im Chemiepark Hoechst wird es im letzten Schritt zum Batteriegrundstoff Lithiumhydroxidmonohydrat weiterverarbeitet und dann von dort verkauft. Beide Anlagen laufen nach eigenen Angaben erfolgreich im Testbetrieb, das Endprodukt durchlaufe gerade die Zertifizierungsprozesse von Automobilunternehmen und Zellherstellern.
Lithium ist einer der wichtigsten Bestandteile für moderne Antriebsbatterien, der Bedarf wird nach Schätzung des Fraunhofer-Instituts bis 2030 um den Faktor sechs steigen. Lithium gilt deshalb schon länger als „weißes Gold“. Der Großteil des Lithiums stammt aktuell allerdings aus China. Im Oberrheingraben ist das Potential nach Einschätzung von Vulcan groß. In der Region südlich von Frankfurt bis nach Basel gebe es auf einer Länge von 300 Kilometern und einer Breite von 30 Kilometern gesicherte Reserven von 28 Millionen Tonnen Lithiumäquivalent – sogenanntes LCE. Das sei das größte Vorkommen in Europa, also auch international relevant.