Zulieferer Schaeffler blickt „mit Interesse“ aufwärts Conti
Der Plan des Autozulieferers Continental, die Autoelektronik vom Reifengeschäft abzuspalten, hat Spekulationen befeuert, der Großaktionär Schaeffler könnte sich diese Situation zunutze machen. Tatsächlich würde die Autoelektronik gut zum Schaeffler-Konzern passen, der derzeit sein angestammtes Autogeschäft mit Wälzlagern, Kupplungsscheiben oder Schwingungstilgern durch die Übernahme des Antriebsstrangspezialisten Vitesco Technologies stärkt. „Die Ankündigung von Continental haben wir als Schaeffler-Vorstand mit Interesse zur Kenntnis genommen“, sagte Schaeffler-Chef Klaus Rosenfeld am Dienstag der F.A.Z. Näher äußern wollte er sich dazu nicht.
Das Interesse von Schaeffler erklärt sich von allein: Der Industriellenfamilie um Georg Schaeffler gehört neben dem eigenen Unternehmen in Herzogenaurach auch fast die Hälfte der Continental AG in Hannover. An der abzuspaltenden Automotive-Einheit würde Schaeffler ebenfalls 46 Prozent besitzen, sollte dieser Plan wie vorgesehen bis Ende kommenden Jahres umgesetzt werden. Auf die Frage, ob eine solche Aufspaltung auch für Schaeffler infrage kommt, antwortete Rosenfeld: „Ein klares Nein!“ Mit derlei Überlegungen befasse sich der Vorstand derzeit nicht. „Wir sind voll damit beschäftigt, die Integration von Vitesco zum Erfolg zu führen. Unser Ziel ist operative Exzellenz“, sagte Rosenfeld.
Schaeffler-Eigner setzen auf Synergien ihres Konglomerats
Der Autozulieferer Schaeffler, der lange auf die Fertigung von Wälzlagern spezialisiert war, besitzt auch noch eine kleinere Industriesparte, die etwa Bauteile für Windräder liefert. Eigentümer Georg Schaeffler findet diese Konglomeratsstruktur vorteilhaft, wie er vor knapp einem Jahr der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in einem seiner seltenen Interviews sagte: „Ich sehe keinen Grund, dies zu ändern. Der Unterschied zu anderen Konglomeraten ist, dass es bei uns wirkliche Synergien im Einkauf und in der Fertigung gibt. Das Lager ist bei Schaeffler Kerngeschäft, 40 Prozent unseres momentanen Umsatzes kommt aus der Lagerwelt.“
Im Autogeschäft steckt Schaeffler derzeit mitten in der Neuausrichtung auf die Elektromobilität. Hier will sich Schaeffler nach der Integration von Vitesco noch stärker um Aufträge der Autohersteller bemühen, etwa für Hochvolt-Achsantriebe und Leistungselektronik. Vitesco wurde vor drei Jahren von Continental per Spin-off an die Börse gebracht. Vor einem Jahr hat Schaeffler die Mehrheit übernommen, um den Antriebsspezialisten auf den eigenen Konzern zu verschmelzen. Die Integration liegt Rosenfeld zufolge im Zeitplan, zum 1. Oktober ist die Eintragung im Handelsregister vorgesehen, dann müssen die IT-Systeme und Prozesse vereinheitlicht werden.
Vitesco könnte Blaupause für Conti werden
Vitesco könnte die Blaupause für die Übernahme des Automotive-Geschäfts von Continental sein, das jetzt ebenfalls über eine Ausgründung abgespalten werden soll. Gleichwohl dürfte die neuerliche Abspaltung ungleich komplizierter und langwieriger sein, schließlich steht am Ende eine Halbierung des gesamten Conti-Konzerns in zwei Teile mit jeweils gut 20 Milliarden Euro Umsatz. Für Schaeffler wäre eine solche Milliardenübernahme gleichbedeutend mit dem Aufstieg unter die drei größten Autozulieferer der Welt. Das neue Konglomerat aus Schaeffler, Vitesco und dem Conti-Automotive-Geschäft würde sich mit einem geschätzten Umsatz von fast 50 Milliarden Euro nach Bosch den zweiten Platz vor ZF sichern.
In den ersten sechs Monaten des laufenden Geschäftsjahres steigerte Schaeffler den Umsatz um zwei Prozent auf 8,3 Milliarden Euro. Dabei profitierte das Unternehmen von einer hohen Nachfrage nach Ersatzteilen in Europa und Amerika, wie es in einer Mitteilung zu den zweiten Quartalszahlen hieß. Schlechter liefen allerdings die Geschäfte der Industriesparte, in der die Erlöse um vier Prozent schrumpften. Das schwache Industriegeschäft belastete auch den Gewinn: Vor Sondereffekten verdiente Schaeffler mit 525 Millionen Euro knapp 100 Millionen Euro weniger als vor Jahresfrist.
Die Ergebnismarge vor Zinsen und Steuer (Ebit) ging von 7,6 auf 6,3 Prozent zurück. Einen Anteil daran hatte der Mitteilung zufolge auch der At-Equity-Beitrag der Vitesco Technologies, die derzeit noch weitaus weniger profitabel ist als die Autozuliefersparte von Schaeffler.